Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Jugenderinnerungen. von Ernst Willkomm. (Fortsetzung.) 4. ochenlang war ich hoffnungslos, dem Tode nahe. Der vom Diese schwere Niederlage äußerte ihre Folgen auf meine Natur wie ans Noch heute gedenke ich schaudernd jener endlosen Winternächte meiner Jugenderinnerungen. von Ernst Willkomm. (Fortsetzung.) 4. ochenlang war ich hoffnungslos, dem Tode nahe. Der vom Diese schwere Niederlage äußerte ihre Folgen auf meine Natur wie ans Noch heute gedenke ich schaudernd jener endlosen Winternächte meiner <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0498" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200603"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341845_200104/figures/grenzboten_341845_200104_200603_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Jugenderinnerungen.<lb/><note type="byline"> von Ernst Willkomm.</note> (Fortsetzung.)<lb/> 4.</head><lb/> <p xml:id="ID_1544"> ochenlang war ich hoffnungslos, dem Tode nahe. Der vom<lb/> Fieber zerrüttete Körper wurde durch die Überfülle von Medizin,<lb/> die man nach damaliger Art, Erkrankte zu kuriren, mir reichte,<lb/> noch mehr geschwächt. Endlich aber erschöpfte sich die Kraft des<lb/> Fiebers, und ich begann langsam zu genesen. Nicht unbedeutend<lb/> gewachsen, aber zum Skelett abgemagert, mit fast haarlosen Haupt verließ ich<lb/> das Lager. Mühsam nur konnte ich mich an Tischen und Stühlen fortgreifen,<lb/> um mich aufrecht zu erhalten. Ich mußte von neuem gehen lernen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1545"> Diese schwere Niederlage äußerte ihre Folgen auf meine Natur wie ans<lb/> meine ganze fernere Entwicklung. Es blieb nämlich auch nach völliger Genesung<lb/> eine unverkennbare Nervenschwäche in mir zurück, die sich weder durch Vorsicht<lb/> noch durch allerhand zu allmählicher Kräftigung angewandte Mittel beseitigen<lb/> ließ. Diese Schwäche machte sich am meisten bemerkbar durch schreckhaftes<lb/> Wesen, durch die Neigung, mich von allem Lärm möglichst fern zu halten, und<lb/> durch Schlaflosigkeit. Letztere Erscheinung war jedenfalls die bedenklichste in<lb/> so jugendlichem Alter. Der allgemeine Schwächezustand mußte durch den fort¬<lb/> dauernden Mangel an kräftigender Nachtruhe immer neue Nahrung erhalten,<lb/> und das peinliche schreckhafte Wesen, vor dem ich mich selbst fürchtete, trat<lb/> immer beängstigender auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_1546" next="#ID_1547"> Noch heute gedenke ich schaudernd jener endlosen Winternächte meiner<lb/> Kindheit, in denen ich mit geschlossenen Angen, vor Angst zitternd, in einen<lb/> Knäuel zusammengeballt, wach in meinem Bette lag, während alle Geschwister<lb/> um mich her sich der beglückenden Wohlthat des sanftesten Schlafes erfreuten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0498]
[Abbildung]
Jugenderinnerungen.
von Ernst Willkomm. (Fortsetzung.)
4.
ochenlang war ich hoffnungslos, dem Tode nahe. Der vom
Fieber zerrüttete Körper wurde durch die Überfülle von Medizin,
die man nach damaliger Art, Erkrankte zu kuriren, mir reichte,
noch mehr geschwächt. Endlich aber erschöpfte sich die Kraft des
Fiebers, und ich begann langsam zu genesen. Nicht unbedeutend
gewachsen, aber zum Skelett abgemagert, mit fast haarlosen Haupt verließ ich
das Lager. Mühsam nur konnte ich mich an Tischen und Stühlen fortgreifen,
um mich aufrecht zu erhalten. Ich mußte von neuem gehen lernen.
Diese schwere Niederlage äußerte ihre Folgen auf meine Natur wie ans
meine ganze fernere Entwicklung. Es blieb nämlich auch nach völliger Genesung
eine unverkennbare Nervenschwäche in mir zurück, die sich weder durch Vorsicht
noch durch allerhand zu allmählicher Kräftigung angewandte Mittel beseitigen
ließ. Diese Schwäche machte sich am meisten bemerkbar durch schreckhaftes
Wesen, durch die Neigung, mich von allem Lärm möglichst fern zu halten, und
durch Schlaflosigkeit. Letztere Erscheinung war jedenfalls die bedenklichste in
so jugendlichem Alter. Der allgemeine Schwächezustand mußte durch den fort¬
dauernden Mangel an kräftigender Nachtruhe immer neue Nahrung erhalten,
und das peinliche schreckhafte Wesen, vor dem ich mich selbst fürchtete, trat
immer beängstigender auf.
Noch heute gedenke ich schaudernd jener endlosen Winternächte meiner
Kindheit, in denen ich mit geschlossenen Angen, vor Angst zitternd, in einen
Knäuel zusammengeballt, wach in meinem Bette lag, während alle Geschwister
um mich her sich der beglückenden Wohlthat des sanftesten Schlafes erfreuten.
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