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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Auch eine Goetheerimiernng.

sich die Palermitcmer erhoben und beinahe den Vizekönig von Sizilien, Hugo
Moncada, ermordet; ihrem Beispiel war die ganze Insel gefolgt bis auf Messina;
wie man dereinst die Franzosen massakrirt hatte, so war der Plan entworfen
worden, alle Beamten des Königs am Tage vor Se. Christina, am 23. Juli,
gerade in der Kirche der heiligen Christina zu erschlagen. Erst als Alarco
3000 Mann ans Calabrien heranführte, ward der Aufstand bewältigt und die
Stadt Palermo um 10 000 Dukaten gebüßt.

Jetzt, als Karl sich zur Reise uach Deutschland anschickte, nahmen auch
die Dinge in Spanien die bedrohlichste Wendung; man hatte es schon bitter
genug empfunden, daß der flandrische Adel ihn wie ein undurchdringlicher Ring
umgab; um wollte der König gar die Halbinsel verlassen, ohne die Klagen
erhört, die Übelstände abgestellt zu haben. Als er sich am 20. Mai in Corunna
einschiffte, waren alle Höhen ringsum von Tausenden von Menschen bedeckt, die
ihm mit betrübten Mienen nachschauten; es war ihnen, schreibt Petrus Martyr,
als ob das unglückliche Spanien zur Provinz herabsinke, welche vom eisigen
Ozean ans regiert werden solle. Die Aufregung war durch einen Kometen erhöht
worden, "von dem in der Richtung des seinem Schicksal überlassenen Kastilien
ein schwarzer Dunst ausging, welcher allmählich deu Leib des Gestirns verschlang."

Fast hinter dem Fahrzeuge, das den König nach Norden trug, schlugen
die Flammen des Aufstandes der spanischen Städte, der Comuueros, empor. In
nicht geringerer Aufregung sollte der Kaiser Deutschland finden: die Bewegung,
welche Luther veranlaßt hatte, war über die theologischen Kreise endgiltig hinaus¬
gewachsen und zu einer Sache der gesamten Nation geworden. Karl V. ver¬
ließ ein wild gährendes Land, um in ein andres ebenso gährendes zu gehen;
es erschien ihm selber so, als ob die Bewegung in Kastilien und die in Deutsch¬
land von gleicher Art seien, eine populäre Erhebung gegen die bestehenden Ge¬
walten. Im Kampf gegen sie machte er seine erste Probe als Staatenlcnler,
und anfänglich schien er Sieger; die Schlacht von Villalar und die Achtung
Luthers fallen zeitlich fast zusammen.


Gottlob Ggelhaaf.


Auch eine Goetheerinnerung.

or sechzig Jahren, im Jahre 1826, wurde Goethes Geburtstag mit
besondern, Glänze von der Berliner Mittwochsgesellschaft gefeiert.
Die "produzirenden Mitglieder" waren aufgefordert worden, ein
Lied zu Ehren des Tages zu liefern, und dem besten, sangbarsten
Liede war ein Preis zugesichert worden, bestehend in einem goldnen
Siegelringe mit Goethes Kopf nach Rauch. Da nicht "veniger als
zwölf Gedichte eingingen, so hatte Zelter, der gebeten worden war, das Amt des
Preisrichters zu übernehmen, keine leichte Aufgabe. An, Tage der Feier selbst


Auch eine Goetheerimiernng.

sich die Palermitcmer erhoben und beinahe den Vizekönig von Sizilien, Hugo
Moncada, ermordet; ihrem Beispiel war die ganze Insel gefolgt bis auf Messina;
wie man dereinst die Franzosen massakrirt hatte, so war der Plan entworfen
worden, alle Beamten des Königs am Tage vor Se. Christina, am 23. Juli,
gerade in der Kirche der heiligen Christina zu erschlagen. Erst als Alarco
3000 Mann ans Calabrien heranführte, ward der Aufstand bewältigt und die
Stadt Palermo um 10 000 Dukaten gebüßt.

Jetzt, als Karl sich zur Reise uach Deutschland anschickte, nahmen auch
die Dinge in Spanien die bedrohlichste Wendung; man hatte es schon bitter
genug empfunden, daß der flandrische Adel ihn wie ein undurchdringlicher Ring
umgab; um wollte der König gar die Halbinsel verlassen, ohne die Klagen
erhört, die Übelstände abgestellt zu haben. Als er sich am 20. Mai in Corunna
einschiffte, waren alle Höhen ringsum von Tausenden von Menschen bedeckt, die
ihm mit betrübten Mienen nachschauten; es war ihnen, schreibt Petrus Martyr,
als ob das unglückliche Spanien zur Provinz herabsinke, welche vom eisigen
Ozean ans regiert werden solle. Die Aufregung war durch einen Kometen erhöht
worden, „von dem in der Richtung des seinem Schicksal überlassenen Kastilien
ein schwarzer Dunst ausging, welcher allmählich deu Leib des Gestirns verschlang."

Fast hinter dem Fahrzeuge, das den König nach Norden trug, schlugen
die Flammen des Aufstandes der spanischen Städte, der Comuueros, empor. In
nicht geringerer Aufregung sollte der Kaiser Deutschland finden: die Bewegung,
welche Luther veranlaßt hatte, war über die theologischen Kreise endgiltig hinaus¬
gewachsen und zu einer Sache der gesamten Nation geworden. Karl V. ver¬
ließ ein wild gährendes Land, um in ein andres ebenso gährendes zu gehen;
es erschien ihm selber so, als ob die Bewegung in Kastilien und die in Deutsch¬
land von gleicher Art seien, eine populäre Erhebung gegen die bestehenden Ge¬
walten. Im Kampf gegen sie machte er seine erste Probe als Staatenlcnler,
und anfänglich schien er Sieger; die Schlacht von Villalar und die Achtung
Luthers fallen zeitlich fast zusammen.


Gottlob Ggelhaaf.


Auch eine Goetheerinnerung.

or sechzig Jahren, im Jahre 1826, wurde Goethes Geburtstag mit
besondern, Glänze von der Berliner Mittwochsgesellschaft gefeiert.
Die „produzirenden Mitglieder" waren aufgefordert worden, ein
Lied zu Ehren des Tages zu liefern, und dem besten, sangbarsten
Liede war ein Preis zugesichert worden, bestehend in einem goldnen
Siegelringe mit Goethes Kopf nach Rauch. Da nicht »veniger als
zwölf Gedichte eingingen, so hatte Zelter, der gebeten worden war, das Amt des
Preisrichters zu übernehmen, keine leichte Aufgabe. An, Tage der Feier selbst


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[0423] Auch eine Goetheerimiernng. sich die Palermitcmer erhoben und beinahe den Vizekönig von Sizilien, Hugo Moncada, ermordet; ihrem Beispiel war die ganze Insel gefolgt bis auf Messina; wie man dereinst die Franzosen massakrirt hatte, so war der Plan entworfen worden, alle Beamten des Königs am Tage vor Se. Christina, am 23. Juli, gerade in der Kirche der heiligen Christina zu erschlagen. Erst als Alarco 3000 Mann ans Calabrien heranführte, ward der Aufstand bewältigt und die Stadt Palermo um 10 000 Dukaten gebüßt. Jetzt, als Karl sich zur Reise uach Deutschland anschickte, nahmen auch die Dinge in Spanien die bedrohlichste Wendung; man hatte es schon bitter genug empfunden, daß der flandrische Adel ihn wie ein undurchdringlicher Ring umgab; um wollte der König gar die Halbinsel verlassen, ohne die Klagen erhört, die Übelstände abgestellt zu haben. Als er sich am 20. Mai in Corunna einschiffte, waren alle Höhen ringsum von Tausenden von Menschen bedeckt, die ihm mit betrübten Mienen nachschauten; es war ihnen, schreibt Petrus Martyr, als ob das unglückliche Spanien zur Provinz herabsinke, welche vom eisigen Ozean ans regiert werden solle. Die Aufregung war durch einen Kometen erhöht worden, „von dem in der Richtung des seinem Schicksal überlassenen Kastilien ein schwarzer Dunst ausging, welcher allmählich deu Leib des Gestirns verschlang." Fast hinter dem Fahrzeuge, das den König nach Norden trug, schlugen die Flammen des Aufstandes der spanischen Städte, der Comuueros, empor. In nicht geringerer Aufregung sollte der Kaiser Deutschland finden: die Bewegung, welche Luther veranlaßt hatte, war über die theologischen Kreise endgiltig hinaus¬ gewachsen und zu einer Sache der gesamten Nation geworden. Karl V. ver¬ ließ ein wild gährendes Land, um in ein andres ebenso gährendes zu gehen; es erschien ihm selber so, als ob die Bewegung in Kastilien und die in Deutsch¬ land von gleicher Art seien, eine populäre Erhebung gegen die bestehenden Ge¬ walten. Im Kampf gegen sie machte er seine erste Probe als Staatenlcnler, und anfänglich schien er Sieger; die Schlacht von Villalar und die Achtung Luthers fallen zeitlich fast zusammen. Gottlob Ggelhaaf. Auch eine Goetheerinnerung. or sechzig Jahren, im Jahre 1826, wurde Goethes Geburtstag mit besondern, Glänze von der Berliner Mittwochsgesellschaft gefeiert. Die „produzirenden Mitglieder" waren aufgefordert worden, ein Lied zu Ehren des Tages zu liefern, und dem besten, sangbarsten Liede war ein Preis zugesichert worden, bestehend in einem goldnen Siegelringe mit Goethes Kopf nach Rauch. Da nicht »veniger als zwölf Gedichte eingingen, so hatte Zelter, der gebeten worden war, das Amt des Preisrichters zu übernehmen, keine leichte Aufgabe. An, Tage der Feier selbst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/423>, abgerufen am 22.07.2024.