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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Literatur.

sollte, wenn er von Collcires zurückkäme, zu einer Stunde, in welcher der Dichter
Almocegema längst verlassen haben wollte.

Habt tausend Dank, Manuel Barreto, für alles, was Ihr mir wäret und
sein wolltet. Mich treibt es hinweg, nach Lissabon, nach Cintra, zurück an den
Hof, in die Nähe der Einen, die meiner sicher mehr bedarf, als Ihr in Euerm
jungen Glücke. Catcirina will ich opfern, was ich vermag, und nichts ausnehmen,
selbst Eure Freundschaft nicht, Manuel. Der König und sein heidnischer Bundes¬
genosse müssen hinweg, und das Wenige, was ich dazu beizutragen vermag, will
ich keinen Tag mehr unterlassen. Der Ausgang wird ein Gottesgericht sein,
dein ich mich willig und nicht ohne gläubige Hoffnung unterwerfe! Könnt Ihr
mir das Gefühl erhalten, das Euch seither für mich beseelte, so wird es mir
eine Erquickung in den schwülen Tagen sein, denen ich entgegengehe. Elters
Glückes in Esmahs Armen bin ich gewiß, und verlasse Euch voll froher Zu¬
versicht, wenn auch nicht ohne den Schmerz der Trennung!

(Fortsetzung folgt.)




Literatur.
Deutsche Elegieen von Stephan Milow. Neue, stark vermehrte und veränderte Auf¬
lage des Elegieencyklus "Auf der Scholle." Stuttgart, Bonz, 1885.

Sagt mir, wie kommt es? ich wollte, dem lärmenden Leben entflohen,
Einzig nur singen das Glück, welches die Liebe gewährt;
Wollte nur Weib und Kind im jubelnden Liede umfangen,
Doch der bescheidene Kreis wuchs ins Unendliche mir.
Seht! ihr versucht es umsonst, vom Ganzen das Kleine zu lösen,
Und es erscheint nichts klein, wird's in der Tiefe gefaßt.
Was die Geliebte mir spendet, dadurch erst wird mir'S bedeutsam,
Daß es mir jeden Besitz zeigt in verändertem Licht,
Und mit des Knaben Geschick muß sinnend zugleich ich erwägen,
Was er der Welt einst wird, was von der Welt er empfängt,
Also erklärt es sich leicht! mich still in die Teuern versenkend,
Fühl' ich mich jedem verknüpft, fühl' ich mich Eins mit dem All.

Mit diesen Distichen giebt Stephan Milow das Programm der nun folgenden
sechzig Elegieen an. Ausgehend vom Genusse des väterlichen und ehelichen Glückes
und der schönen, im. Frühlingsschmucke prangenden Natur verbreitet sich der grüb¬
lerisch beschauliche Dichter in anmutiger Entwicklung der Szene nach und nach über
das ganze Leben, über die höchsten Fragen der Religion und der Kultur, giebt,
ohne ein nüchtern prosaisches System schaffen zu wollen, die Umrisse seiner im
Genuß und Leiden erworbenen Weltanschauung. Es wäre schwer, dieselbe mit
irgend einem Schlagworte den populären Rubriken einzuordnen. Er preist den
Naturgcnusz als Glück und höchste Andacht. Er kennt den Weltschmerz, und
er ist ihm ein sittlich läuterndes Gefühl, aber er geht nicht in ihm auf. Eurem
bestimmten Glauben schließt er sich keineswegs an, aber er stellt den bedeutsamen,
Grundsatz bezüglich der Erziehung seines Sohnes auf:


Unsers Amts ist nur, vor Wahn ihn immer zu schützen,
Daß er mit eigenem Blick suche den waltenden Gott;
Sucht er in Kämpfen ihn, auch, nur der, den selbst er gefunden,
Wird ihm ein Tröster und wird einzig der rechte ihm sein.

Literatur.

sollte, wenn er von Collcires zurückkäme, zu einer Stunde, in welcher der Dichter
Almocegema längst verlassen haben wollte.

Habt tausend Dank, Manuel Barreto, für alles, was Ihr mir wäret und
sein wolltet. Mich treibt es hinweg, nach Lissabon, nach Cintra, zurück an den
Hof, in die Nähe der Einen, die meiner sicher mehr bedarf, als Ihr in Euerm
jungen Glücke. Catcirina will ich opfern, was ich vermag, und nichts ausnehmen,
selbst Eure Freundschaft nicht, Manuel. Der König und sein heidnischer Bundes¬
genosse müssen hinweg, und das Wenige, was ich dazu beizutragen vermag, will
ich keinen Tag mehr unterlassen. Der Ausgang wird ein Gottesgericht sein,
dein ich mich willig und nicht ohne gläubige Hoffnung unterwerfe! Könnt Ihr
mir das Gefühl erhalten, das Euch seither für mich beseelte, so wird es mir
eine Erquickung in den schwülen Tagen sein, denen ich entgegengehe. Elters
Glückes in Esmahs Armen bin ich gewiß, und verlasse Euch voll froher Zu¬
versicht, wenn auch nicht ohne den Schmerz der Trennung!

(Fortsetzung folgt.)




Literatur.
Deutsche Elegieen von Stephan Milow. Neue, stark vermehrte und veränderte Auf¬
lage des Elegieencyklus „Auf der Scholle." Stuttgart, Bonz, 1885.

Sagt mir, wie kommt es? ich wollte, dem lärmenden Leben entflohen,
Einzig nur singen das Glück, welches die Liebe gewährt;
Wollte nur Weib und Kind im jubelnden Liede umfangen,
Doch der bescheidene Kreis wuchs ins Unendliche mir.
Seht! ihr versucht es umsonst, vom Ganzen das Kleine zu lösen,
Und es erscheint nichts klein, wird's in der Tiefe gefaßt.
Was die Geliebte mir spendet, dadurch erst wird mir'S bedeutsam,
Daß es mir jeden Besitz zeigt in verändertem Licht,
Und mit des Knaben Geschick muß sinnend zugleich ich erwägen,
Was er der Welt einst wird, was von der Welt er empfängt,
Also erklärt es sich leicht! mich still in die Teuern versenkend,
Fühl' ich mich jedem verknüpft, fühl' ich mich Eins mit dem All.

Mit diesen Distichen giebt Stephan Milow das Programm der nun folgenden
sechzig Elegieen an. Ausgehend vom Genusse des väterlichen und ehelichen Glückes
und der schönen, im. Frühlingsschmucke prangenden Natur verbreitet sich der grüb¬
lerisch beschauliche Dichter in anmutiger Entwicklung der Szene nach und nach über
das ganze Leben, über die höchsten Fragen der Religion und der Kultur, giebt,
ohne ein nüchtern prosaisches System schaffen zu wollen, die Umrisse seiner im
Genuß und Leiden erworbenen Weltanschauung. Es wäre schwer, dieselbe mit
irgend einem Schlagworte den populären Rubriken einzuordnen. Er preist den
Naturgcnusz als Glück und höchste Andacht. Er kennt den Weltschmerz, und
er ist ihm ein sittlich läuterndes Gefühl, aber er geht nicht in ihm auf. Eurem
bestimmten Glauben schließt er sich keineswegs an, aber er stellt den bedeutsamen,
Grundsatz bezüglich der Erziehung seines Sohnes auf:


Unsers Amts ist nur, vor Wahn ihn immer zu schützen,
Daß er mit eigenem Blick suche den waltenden Gott;
Sucht er in Kämpfen ihn, auch, nur der, den selbst er gefunden,
Wird ihm ein Tröster und wird einzig der rechte ihm sein.

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[0646] Literatur. sollte, wenn er von Collcires zurückkäme, zu einer Stunde, in welcher der Dichter Almocegema längst verlassen haben wollte. Habt tausend Dank, Manuel Barreto, für alles, was Ihr mir wäret und sein wolltet. Mich treibt es hinweg, nach Lissabon, nach Cintra, zurück an den Hof, in die Nähe der Einen, die meiner sicher mehr bedarf, als Ihr in Euerm jungen Glücke. Catcirina will ich opfern, was ich vermag, und nichts ausnehmen, selbst Eure Freundschaft nicht, Manuel. Der König und sein heidnischer Bundes¬ genosse müssen hinweg, und das Wenige, was ich dazu beizutragen vermag, will ich keinen Tag mehr unterlassen. Der Ausgang wird ein Gottesgericht sein, dein ich mich willig und nicht ohne gläubige Hoffnung unterwerfe! Könnt Ihr mir das Gefühl erhalten, das Euch seither für mich beseelte, so wird es mir eine Erquickung in den schwülen Tagen sein, denen ich entgegengehe. Elters Glückes in Esmahs Armen bin ich gewiß, und verlasse Euch voll froher Zu¬ versicht, wenn auch nicht ohne den Schmerz der Trennung! (Fortsetzung folgt.) Literatur. Deutsche Elegieen von Stephan Milow. Neue, stark vermehrte und veränderte Auf¬ lage des Elegieencyklus „Auf der Scholle." Stuttgart, Bonz, 1885. Sagt mir, wie kommt es? ich wollte, dem lärmenden Leben entflohen, Einzig nur singen das Glück, welches die Liebe gewährt; Wollte nur Weib und Kind im jubelnden Liede umfangen, Doch der bescheidene Kreis wuchs ins Unendliche mir. Seht! ihr versucht es umsonst, vom Ganzen das Kleine zu lösen, Und es erscheint nichts klein, wird's in der Tiefe gefaßt. Was die Geliebte mir spendet, dadurch erst wird mir'S bedeutsam, Daß es mir jeden Besitz zeigt in verändertem Licht, Und mit des Knaben Geschick muß sinnend zugleich ich erwägen, Was er der Welt einst wird, was von der Welt er empfängt, Also erklärt es sich leicht! mich still in die Teuern versenkend, Fühl' ich mich jedem verknüpft, fühl' ich mich Eins mit dem All. Mit diesen Distichen giebt Stephan Milow das Programm der nun folgenden sechzig Elegieen an. Ausgehend vom Genusse des väterlichen und ehelichen Glückes und der schönen, im. Frühlingsschmucke prangenden Natur verbreitet sich der grüb¬ lerisch beschauliche Dichter in anmutiger Entwicklung der Szene nach und nach über das ganze Leben, über die höchsten Fragen der Religion und der Kultur, giebt, ohne ein nüchtern prosaisches System schaffen zu wollen, die Umrisse seiner im Genuß und Leiden erworbenen Weltanschauung. Es wäre schwer, dieselbe mit irgend einem Schlagworte den populären Rubriken einzuordnen. Er preist den Naturgcnusz als Glück und höchste Andacht. Er kennt den Weltschmerz, und er ist ihm ein sittlich läuterndes Gefühl, aber er geht nicht in ihm auf. Eurem bestimmten Glauben schließt er sich keineswegs an, aber er stellt den bedeutsamen, Grundsatz bezüglich der Erziehung seines Sohnes auf: Unsers Amts ist nur, vor Wahn ihn immer zu schützen, Daß er mit eigenem Blick suche den waltenden Gott; Sucht er in Kämpfen ihn, auch, nur der, den selbst er gefunden, Wird ihm ein Tröster und wird einzig der rechte ihm sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/646>, abgerufen am 27.06.2024.