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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Luthersxiele in Erfurt und Jena.

Werden. Religionen sind niemals durch Maler begründet worden und werden
nach den bisherigen Erfahrungen auch nicht durch Maler umgestürzt werden.
Bei der Beurteilung von künstlerischen Schöpfungen, welche an religiösen Dogmen
oder an hergebrachten Religionsanschauungen rütteln wolle,?, wird stets auch
die Frage in Betracht kommen müssen, ob der rein künstlerische Wert dem
Aufwande der Kritik oder der zersetzenden Tendenz entspricht, und wenn wir
diese Frage vor den biblischen Gemälden Wereschagins aufwerfen, kommen wir
zu dem Ergebnis, daß die malerische und im allgemeinen künstlerische Be¬
schaffenheit derselben mir in Bezug auf die Wiedergabe der landschaftlichen
Szenerie Achtung verdient. Die Figuren erheben sich nicht viel über den Wert
von Staffage, und es ist anzunehmen, daß diese Abschweifung des russischen
Malers nach einem Gebiet, auf welchem seine eigentliche Begabung nicht heimisch
ist, nur eine kurze Episode in seinem Schaffen bilden wird. Auf den Ent¬
wicklungsgang der religiösen Malerei wird sie wahrscheinlich keinen Einfluß ge¬
winnen. Diese hat bereits einen andern Weg eingeschlagen, auf welchem uns
unsre Leser in einem zweiten Artikel begleiten mögen.


Adolf Rosenberg.


Lutherspiele in Erfurt und )ma.

I n heißen Sommertagen, wo die meisten Provinztheater geschlossen
sind und selbst die großen Hofbühnen den üblichen Hitzeferien
Me einiger Ungeduld entgegensehen, versammeln außergewöhn¬
liche theatralische Aufführungen an einer Reihe von Abenden
ein zahlreiches, zum guten Teil von außen herbeigeströmtes Pu¬
blikum in dem anspruchslosen Theater der alten Stadt Erfurt. Im Sonnen¬
schein liegen die viclwinkligen Straßen und Plätze, die zahlreichen Kirchen vom
Dom Le-AtÄS Kg-rias virgüllZ bis zur Reglerkirche, welche hochragende Zeugen
dafür sind, um wieviel bedeutender, volkreicher, lebensvoller die Stadt einst
gewesen ist als heute (wo sie doch schon seit einem halben Jahrhundert wieder
einen bemerkenswerten Aufschwung genommen hat,) und die vielen altertümlichen
Häuser entsprechen der Stimmung, in welcher man nach dein Theater wandelt.
Nichts geringeres soll es zu schauen und zu hören geben als ein Lutherdrama,
dargestellt von Bürgern der Lutherstadt, in der sich die Erinnerung an den
Reformator, welcher hier das Studentenwams mit der Angustinerkutte vertauschte,
immer frisch und wirksam erhalten hat, unterstützt vou den Kirchenchören der


Luthersxiele in Erfurt und Jena.

Werden. Religionen sind niemals durch Maler begründet worden und werden
nach den bisherigen Erfahrungen auch nicht durch Maler umgestürzt werden.
Bei der Beurteilung von künstlerischen Schöpfungen, welche an religiösen Dogmen
oder an hergebrachten Religionsanschauungen rütteln wolle,?, wird stets auch
die Frage in Betracht kommen müssen, ob der rein künstlerische Wert dem
Aufwande der Kritik oder der zersetzenden Tendenz entspricht, und wenn wir
diese Frage vor den biblischen Gemälden Wereschagins aufwerfen, kommen wir
zu dem Ergebnis, daß die malerische und im allgemeinen künstlerische Be¬
schaffenheit derselben mir in Bezug auf die Wiedergabe der landschaftlichen
Szenerie Achtung verdient. Die Figuren erheben sich nicht viel über den Wert
von Staffage, und es ist anzunehmen, daß diese Abschweifung des russischen
Malers nach einem Gebiet, auf welchem seine eigentliche Begabung nicht heimisch
ist, nur eine kurze Episode in seinem Schaffen bilden wird. Auf den Ent¬
wicklungsgang der religiösen Malerei wird sie wahrscheinlich keinen Einfluß ge¬
winnen. Diese hat bereits einen andern Weg eingeschlagen, auf welchem uns
unsre Leser in einem zweiten Artikel begleiten mögen.


Adolf Rosenberg.


Lutherspiele in Erfurt und )ma.

I n heißen Sommertagen, wo die meisten Provinztheater geschlossen
sind und selbst die großen Hofbühnen den üblichen Hitzeferien
Me einiger Ungeduld entgegensehen, versammeln außergewöhn¬
liche theatralische Aufführungen an einer Reihe von Abenden
ein zahlreiches, zum guten Teil von außen herbeigeströmtes Pu¬
blikum in dem anspruchslosen Theater der alten Stadt Erfurt. Im Sonnen¬
schein liegen die viclwinkligen Straßen und Plätze, die zahlreichen Kirchen vom
Dom Le-AtÄS Kg-rias virgüllZ bis zur Reglerkirche, welche hochragende Zeugen
dafür sind, um wieviel bedeutender, volkreicher, lebensvoller die Stadt einst
gewesen ist als heute (wo sie doch schon seit einem halben Jahrhundert wieder
einen bemerkenswerten Aufschwung genommen hat,) und die vielen altertümlichen
Häuser entsprechen der Stimmung, in welcher man nach dein Theater wandelt.
Nichts geringeres soll es zu schauen und zu hören geben als ein Lutherdrama,
dargestellt von Bürgern der Lutherstadt, in der sich die Erinnerung an den
Reformator, welcher hier das Studentenwams mit der Angustinerkutte vertauschte,
immer frisch und wirksam erhalten hat, unterstützt vou den Kirchenchören der


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[0479] Luthersxiele in Erfurt und Jena. Werden. Religionen sind niemals durch Maler begründet worden und werden nach den bisherigen Erfahrungen auch nicht durch Maler umgestürzt werden. Bei der Beurteilung von künstlerischen Schöpfungen, welche an religiösen Dogmen oder an hergebrachten Religionsanschauungen rütteln wolle,?, wird stets auch die Frage in Betracht kommen müssen, ob der rein künstlerische Wert dem Aufwande der Kritik oder der zersetzenden Tendenz entspricht, und wenn wir diese Frage vor den biblischen Gemälden Wereschagins aufwerfen, kommen wir zu dem Ergebnis, daß die malerische und im allgemeinen künstlerische Be¬ schaffenheit derselben mir in Bezug auf die Wiedergabe der landschaftlichen Szenerie Achtung verdient. Die Figuren erheben sich nicht viel über den Wert von Staffage, und es ist anzunehmen, daß diese Abschweifung des russischen Malers nach einem Gebiet, auf welchem seine eigentliche Begabung nicht heimisch ist, nur eine kurze Episode in seinem Schaffen bilden wird. Auf den Ent¬ wicklungsgang der religiösen Malerei wird sie wahrscheinlich keinen Einfluß ge¬ winnen. Diese hat bereits einen andern Weg eingeschlagen, auf welchem uns unsre Leser in einem zweiten Artikel begleiten mögen. Adolf Rosenberg. Lutherspiele in Erfurt und )ma. I n heißen Sommertagen, wo die meisten Provinztheater geschlossen sind und selbst die großen Hofbühnen den üblichen Hitzeferien Me einiger Ungeduld entgegensehen, versammeln außergewöhn¬ liche theatralische Aufführungen an einer Reihe von Abenden ein zahlreiches, zum guten Teil von außen herbeigeströmtes Pu¬ blikum in dem anspruchslosen Theater der alten Stadt Erfurt. Im Sonnen¬ schein liegen die viclwinkligen Straßen und Plätze, die zahlreichen Kirchen vom Dom Le-AtÄS Kg-rias virgüllZ bis zur Reglerkirche, welche hochragende Zeugen dafür sind, um wieviel bedeutender, volkreicher, lebensvoller die Stadt einst gewesen ist als heute (wo sie doch schon seit einem halben Jahrhundert wieder einen bemerkenswerten Aufschwung genommen hat,) und die vielen altertümlichen Häuser entsprechen der Stimmung, in welcher man nach dein Theater wandelt. Nichts geringeres soll es zu schauen und zu hören geben als ein Lutherdrama, dargestellt von Bürgern der Lutherstadt, in der sich die Erinnerung an den Reformator, welcher hier das Studentenwams mit der Angustinerkutte vertauschte, immer frisch und wirksam erhalten hat, unterstützt vou den Kirchenchören der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/479>, abgerufen am 27.06.2024.