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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Verteilung der Beute leer ausgegangen waren, 1879 auss Bitten legten. Ein
stattliches Stück Thessaliens ward ihnen zu Teil. Doch ist das und das Weitere
den Lesern in frischer Erinnerung.




Deutsche, Polen und Auch-Deutsche.

aß die "gewaltigen Reden" des deutschen Kanzlers einen besonders
großen Eindruck in Österreich hinterlassen würden, mußte jeder¬
mann sofort beim Lesen empfinden. Den Polen, wo sie auch
leben mögen, kann es nicht verdacht werden, wenn sie wenig davon
erbaut sind, daß ihnen ein solcher Spiegel vorgehalten wird, und
am wenigsten geneigt die Wahrheit zu höre" sind natürlicherweise die Galizianer,
die in ihrer Provinz fast unumschränkt herrschen und auf die innere Politik
Cisleithaniens einen so starken Einfluß erworben haben. Auf die Schimpfreden,
in welchen sich ein Teil der polnischen Presse Luft macht, irgendwie einzugehen,
ist nicht der Mühe wert, und sachlich um nichts hoher steht, was im Ncichs-
rate vorgebracht wurde. Vielleicht glaubte die polnische Fraktion einen Trumpf
auszuspielen, indem sie einem Abgeordneten mit deutschklingenden Namen die
Aufgabe übertrug, dem Fürsten Bismarck zu antworten, und von der deutschen
Linken wurde denn auch dem Herrn Otto Hausner sein Renegatentum vorge¬
worfen. In dieser Beziehung scheint ihm nun Unrecht geschehen zu sein, da er
jüdischer Herkunft sein soll. Das macht freilich die Figur dieses Wortführers
der Sarmaten nur noch grotesker. Doch auch hiervon abgesehen, werden es
diese sich in Zukunft wohl reiflicher überlegen, bevor sie ihn ins Vordertreffen
stelle". Eigentlich hatte er den Antrag auf Schaffung eines Wahlgerichtshvfes
zu bekämpfen. Daß eine solche Behörde eine dringende Notwendigkeit geworden
ist, kann unmöglich geleugnet werden, denn in dem Kampfe der Parteien ist
nicht nur das Rechts-, sondern selbst das Schicklichkeitsgefühl völlig unterge¬
gangen. Was der Partei Nutzen bringt, wird gebilligt, Vergewaltigung, Be¬
stechung und was es sonst sei; durch Richterspruch werden Vorgänge bei den
Wahlen als gesetzwidrig bezeichnet -- thut nichts, die unrechtmäßigen Wahlen
sind anerkannt, die Gewählten behalten ihre Sitze, denn die Mehrheit will ihre
Stimmen nicht entbehren. Diese Dinge sind ganz offenkundig, sind hundertmal
besprochen worden; uno was wenden die Hausncr und Konsorten gegen den
Vorschlag ein, die Entscheidung über streitige Wahlen in die Hände uuab-


Verteilung der Beute leer ausgegangen waren, 1879 auss Bitten legten. Ein
stattliches Stück Thessaliens ward ihnen zu Teil. Doch ist das und das Weitere
den Lesern in frischer Erinnerung.




Deutsche, Polen und Auch-Deutsche.

aß die „gewaltigen Reden" des deutschen Kanzlers einen besonders
großen Eindruck in Österreich hinterlassen würden, mußte jeder¬
mann sofort beim Lesen empfinden. Den Polen, wo sie auch
leben mögen, kann es nicht verdacht werden, wenn sie wenig davon
erbaut sind, daß ihnen ein solcher Spiegel vorgehalten wird, und
am wenigsten geneigt die Wahrheit zu höre» sind natürlicherweise die Galizianer,
die in ihrer Provinz fast unumschränkt herrschen und auf die innere Politik
Cisleithaniens einen so starken Einfluß erworben haben. Auf die Schimpfreden,
in welchen sich ein Teil der polnischen Presse Luft macht, irgendwie einzugehen,
ist nicht der Mühe wert, und sachlich um nichts hoher steht, was im Ncichs-
rate vorgebracht wurde. Vielleicht glaubte die polnische Fraktion einen Trumpf
auszuspielen, indem sie einem Abgeordneten mit deutschklingenden Namen die
Aufgabe übertrug, dem Fürsten Bismarck zu antworten, und von der deutschen
Linken wurde denn auch dem Herrn Otto Hausner sein Renegatentum vorge¬
worfen. In dieser Beziehung scheint ihm nun Unrecht geschehen zu sein, da er
jüdischer Herkunft sein soll. Das macht freilich die Figur dieses Wortführers
der Sarmaten nur noch grotesker. Doch auch hiervon abgesehen, werden es
diese sich in Zukunft wohl reiflicher überlegen, bevor sie ihn ins Vordertreffen
stelle». Eigentlich hatte er den Antrag auf Schaffung eines Wahlgerichtshvfes
zu bekämpfen. Daß eine solche Behörde eine dringende Notwendigkeit geworden
ist, kann unmöglich geleugnet werden, denn in dem Kampfe der Parteien ist
nicht nur das Rechts-, sondern selbst das Schicklichkeitsgefühl völlig unterge¬
gangen. Was der Partei Nutzen bringt, wird gebilligt, Vergewaltigung, Be¬
stechung und was es sonst sei; durch Richterspruch werden Vorgänge bei den
Wahlen als gesetzwidrig bezeichnet — thut nichts, die unrechtmäßigen Wahlen
sind anerkannt, die Gewählten behalten ihre Sitze, denn die Mehrheit will ihre
Stimmen nicht entbehren. Diese Dinge sind ganz offenkundig, sind hundertmal
besprochen worden; uno was wenden die Hausncr und Konsorten gegen den
Vorschlag ein, die Entscheidung über streitige Wahlen in die Hände uuab-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/431>, abgerufen am 05.02.2025.