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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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teils deshalb, weil sein Charakter nicht zur großgriechischeu Idee Paßte, Sei"
Nachfolger Georg war dazu auch nicht recht geeignet, hatte aber zunächst das
Glück, daß bald nach seinem Regierungsantritte England das Protektorat über
die Republik der ionischen Jnseln aufgab und deren Vereinigung mit dem König¬
reiche Hellas gestattete. Diese Morgcngnbe empfahl den neuen Regenten un^
svmehr, als man sie als Beginn einer Reihe weiterer Vergrößerungen betrachtete.
Da diese aber ausblieben, sank das Ansehen des Königs bei den Parteien, welche
das Land beunruhigten, bald, und ein Regiment der Volksvertretung mit häufigen
Miuisterwcchscln führte eine Verwirrung herbei, die an Anarchie grenzte. Von
Verbesserung des tiefgesunkenen Kredits, von Ordnung der Verwaltung konnte
unter solche" Umständen nicht die Rede sein. Auch lagen derartige Maßregel"
den Parteien viel weniger am Herzen als die großgriechische Idee. Ein Rund¬
schreiben, in welchem die Schntzmächte zur Regelung der Finanzen aufforderten,
blieb fruchtlos, obwohl darin deren Einschreiben angedroht war. Die Griechen
glaubten besseres zu thun zu haben. In Kreta war im August 1866 el" Auf¬
stand gegen die Pforte ausgebrochen, und eine Delegirtcnversammlung der Griechen
dieser Insel hatte Georg zum König ausgerufen. Ohne Verzug trat in Athen
ein Komitee zusammen, forderte zu Geldbeiträge" für die Insurgenten ans und.
sandte ih"e" Freischaaren zum Kampfe zu. Die Regierung zog an der Grenze
von Thessalien und Epirus Truppe" zusammen und verlangte bei den Mächte"
Verwendung bei dem Sultan für die Ansprüche der Rebellen. Dieses Verlangen
blieb erfolglos, vielmehr nahmen die Mächte eine wohlwollende Stellung zur
Pforte ein, verhinderten dieselbe nicht, den Aufstand der Kreter zu bekämpfen
und fanden die Beschwerde", die der Divan über die Unterstützung der letztern
durch Griechenland erhob, gerechtfertigt. Als in Athen das Spiel fortgesetzt
wurde und die dortige Regierung nichts dagegen that, ging dem Sultan die
Geduld aus. Er berief zunächst seinen Gesandte" am griechische" Hofe ub,
schloß seine Häfen für die griechische" Schiffe, wies die griechische" Unterthanen
ans der Türkei ans, sandte eine Flotte in die griechischen Gewässer und stellte
am 6. Dezember in Athen ein Ultimatum, während gleichzeitig ein türkisches
Heer an der Grenze von Thessalien zusammengezogen wurde, das Omar Pascha
führen sollte. Der Ausbruch des Krieges unterblieb indes, indem auf Preußens
Vorschlag in Paris eine Konferenz zusammentrat, welche die Forderung der
Türken guthieß und den Griechen weitere Unterstützung der .Kreter untersagte.
Zwar weigerte man sich in Athen, diesem Verbote zu gehorchen, aber jetzt fehlte
es zu einem Kriege an dem, was nach Montecuculi dreimal dazu nötig ist.
Der Staatssäckel war leer, und als man eine Anleihe aufschrieb, die hundert
Millionen hineinführen sollte, zeichnete die großgriechische Idee, welche den
ganzen Lärm angerichtet und betrieben hatte, nicht mehr als etwa den tausendsten
Teil, worauf die Sache natürlich im Sande verlief. Viel Geschrei und wenig
Wolle! Besser fuhren die Griechen, als sie sich, nachdem sie 1878 bei der


teils deshalb, weil sein Charakter nicht zur großgriechischeu Idee Paßte, Sei»
Nachfolger Georg war dazu auch nicht recht geeignet, hatte aber zunächst das
Glück, daß bald nach seinem Regierungsantritte England das Protektorat über
die Republik der ionischen Jnseln aufgab und deren Vereinigung mit dem König¬
reiche Hellas gestattete. Diese Morgcngnbe empfahl den neuen Regenten un^
svmehr, als man sie als Beginn einer Reihe weiterer Vergrößerungen betrachtete.
Da diese aber ausblieben, sank das Ansehen des Königs bei den Parteien, welche
das Land beunruhigten, bald, und ein Regiment der Volksvertretung mit häufigen
Miuisterwcchscln führte eine Verwirrung herbei, die an Anarchie grenzte. Von
Verbesserung des tiefgesunkenen Kredits, von Ordnung der Verwaltung konnte
unter solche« Umständen nicht die Rede sein. Auch lagen derartige Maßregel»
den Parteien viel weniger am Herzen als die großgriechische Idee. Ein Rund¬
schreiben, in welchem die Schntzmächte zur Regelung der Finanzen aufforderten,
blieb fruchtlos, obwohl darin deren Einschreiben angedroht war. Die Griechen
glaubten besseres zu thun zu haben. In Kreta war im August 1866 el» Auf¬
stand gegen die Pforte ausgebrochen, und eine Delegirtcnversammlung der Griechen
dieser Insel hatte Georg zum König ausgerufen. Ohne Verzug trat in Athen
ein Komitee zusammen, forderte zu Geldbeiträge» für die Insurgenten ans und.
sandte ih»e» Freischaaren zum Kampfe zu. Die Regierung zog an der Grenze
von Thessalien und Epirus Truppe» zusammen und verlangte bei den Mächte»
Verwendung bei dem Sultan für die Ansprüche der Rebellen. Dieses Verlangen
blieb erfolglos, vielmehr nahmen die Mächte eine wohlwollende Stellung zur
Pforte ein, verhinderten dieselbe nicht, den Aufstand der Kreter zu bekämpfen
und fanden die Beschwerde», die der Divan über die Unterstützung der letztern
durch Griechenland erhob, gerechtfertigt. Als in Athen das Spiel fortgesetzt
wurde und die dortige Regierung nichts dagegen that, ging dem Sultan die
Geduld aus. Er berief zunächst seinen Gesandte» am griechische» Hofe ub,
schloß seine Häfen für die griechische» Schiffe, wies die griechische» Unterthanen
ans der Türkei ans, sandte eine Flotte in die griechischen Gewässer und stellte
am 6. Dezember in Athen ein Ultimatum, während gleichzeitig ein türkisches
Heer an der Grenze von Thessalien zusammengezogen wurde, das Omar Pascha
führen sollte. Der Ausbruch des Krieges unterblieb indes, indem auf Preußens
Vorschlag in Paris eine Konferenz zusammentrat, welche die Forderung der
Türken guthieß und den Griechen weitere Unterstützung der .Kreter untersagte.
Zwar weigerte man sich in Athen, diesem Verbote zu gehorchen, aber jetzt fehlte
es zu einem Kriege an dem, was nach Montecuculi dreimal dazu nötig ist.
Der Staatssäckel war leer, und als man eine Anleihe aufschrieb, die hundert
Millionen hineinführen sollte, zeichnete die großgriechische Idee, welche den
ganzen Lärm angerichtet und betrieben hatte, nicht mehr als etwa den tausendsten
Teil, worauf die Sache natürlich im Sande verlief. Viel Geschrei und wenig
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/430>, abgerufen am 05.02.2025.