Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Literatur. wärtige Politik der wiirtembergischen Stände bezeichnet werden. Bon diesen S picken nunsbuch. Novellen in Versen aus dem. zwölften und dreizehnten Jahrhundert, übertragen von Wilhelm Hertz. Stuttgart, Gebrüder Kröner. 188". Wer Wilhelm Hertz den Dichter aus "Hugdietrichs Brautfahrt" und "Bruder Literatur. wärtige Politik der wiirtembergischen Stände bezeichnet werden. Bon diesen S picken nunsbuch. Novellen in Versen aus dem. zwölften und dreizehnten Jahrhundert, übertragen von Wilhelm Hertz. Stuttgart, Gebrüder Kröner. 188«. Wer Wilhelm Hertz den Dichter aus „Hugdietrichs Brautfahrt" und „Bruder <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0675" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197409"/> <fw type="header" place="top"> Literatur.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2396" prev="#ID_2395"> wärtige Politik der wiirtembergischen Stände bezeichnet werden. Bon diesen<lb/> Ständen hing in früheren Jahrhunderten gänzlich die Aufstellung der bewaffneten<lb/> Macht ab, und dadurch erhielten sie stets einen gewissen Einfluß nuf die Führung<lb/> der auswärtigen Politik. Kein Wunder, daß das Handeln und Rechten zwischen<lb/> Fürst und Landschaft nie ein Ende nahm. Um die Wende des achtzehnten Jahrhunderts<lb/> trat die Landschaft sogar in unmittelbare Verbindung mit auswärtigen Mächten,<lb/> unterhielt in Wien und Paris ganz wie der Fürst eigne diplomatische Vertreter,<lb/> die sich in den beiden Hauptstädten aufs grimmigste befehdeten, bis 1805 Friedrich<lb/> durch den Anschluß an Napoleon und die Annahme der Königswürde die Ver¬<lb/> fassung umstoßen und die ständischen Vorrechte für immer beseitigen konnte. Die<lb/> Darstellung dieses Jahrhunderte lang von beiden Seiten mit der größten Zähig¬<lb/> keit geführten Kampfes erklärt manche Vorgänge der neueren und neuesten würtem-<lb/> bergischen Geschichte, denn noch lange haben sich in der Auffassung des Militär-<lb/> und Steuerwesens die nltwürtembergischen Ueberlieferungen erhalten. — Wir sehen<lb/> dem Inhalte der weiteren Hefte mit großem Interesse entgegen.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> S picken nunsbuch. Novellen in Versen aus dem. zwölften und dreizehnten Jahrhundert,<lb/> übertragen von Wilhelm Hertz. Stuttgart, Gebrüder Kröner. 188«.</head><lb/> <p xml:id="ID_2397"> Wer Wilhelm Hertz den Dichter aus „Hugdietrichs Brautfahrt" und „Bruder<lb/> Rausch" kennen gelernt, wer sich mit dem Uebersetzer von Gottfrieds „Tristan und<lb/> Isolde" befreundet hat, jenen« Uebersetzer, dem es zum erstenmale gelang, den<lb/> Wohllaut, das Leben, den freien Fluß, die leuchtende Schönheit des mittelalterlichen<lb/> Originals im neuhochdeutschen annähernd wiederzugeben, der wird auch das neue,<lb/> reizend ausgestattete „Spiclmannsbuch" desselben willkommen heißen. Hertz versteht<lb/> es wie wenige, das Lebensfähige, noch unmittelbar Poetisch Wirkende aus den mittel¬<lb/> alterlichen Dichtungen herauszuheben und in der Wiedererzählung wahrhaft zu<lb/> beleben, er ordnet das wissenschaftliche Interesse, das kleine Kreise an den Schätzen<lb/> altfranzösischer und mittelhochdeutscher Poesie zu nehmen vermögen, den, Interesse<lb/> unter, das bei glücklicher Auswahl, glücklicher und wirksamer Bearbeitung größere<lb/> Lesergruppen gewinnen werden. Anderseits ist der Dichter doch wiederum so<lb/> gründlich vertraut mit der Welt und der Zeit, aus der diese Dichtungen stammen,<lb/> so sicher in der Beherrschung dieser Stoffe, daß er me einen fremden Zug in die¬<lb/> selben hineintragen, ihnen nichts von ihrem eigensten Reize nehmen wird. Der<lb/> glücklichen Mischung des Dichters und des Philologen entspricht im Spielmcmusbuch<lb/> eine ebenso glückliche jugendlicher Lust, jugendlichen Behagens an den bunten, welt¬<lb/> frohen Abenteuern der Spielmannspoesie und reifer Kunst, welche auch die spröden<lb/> Elemente glücklich bewältigt. Der Sammlung sind eine Anzahl der von Hertz<lb/> früher bearbeiteten poetischen Erzählungen der Marie de France einverleibt; auch<lb/> die gleichfalls früher veröffentlichte Uebertragung des reizenden kleinen Romans von<lb/> „Aucassin und Nicolette" begrüßen wir hier mit Freuden wieder. Unter den völlig<lb/> neuen Stücken der Sammlung sind „Der bunte Zelter" von Huon dein Spielmanns¬<lb/> könig, „Der Tänzer unsrer lieben Frau," „Sankt Peter und der Spielmann" die<lb/> vortrefflichsten; bei den beiden erstem bemerkt Hertz, daß er „von jener größern<lb/> Freiheit Gebrauch gemacht habe, welche ein mittelalterlicher Uebersetzer unbedenklich<lb/> für sich zu beanspruchen Pflegte," da die wörtliche Wiedergabe geradezu ein Unrecht<lb/> gegen den redseligen alten Dichter gewesen wäre. Wenn wir das Buch allen<lb/> Freunden lebendiger und naiver Poesie empfehlen, so wollen wir doch ausdrücklich<lb/> hinzufügen, daß das „Spielmannsbnch" keine Gabe für junge Damen ist, die eben<lb/> aus der Pension kommen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0675]
Literatur.
wärtige Politik der wiirtembergischen Stände bezeichnet werden. Bon diesen
Ständen hing in früheren Jahrhunderten gänzlich die Aufstellung der bewaffneten
Macht ab, und dadurch erhielten sie stets einen gewissen Einfluß nuf die Führung
der auswärtigen Politik. Kein Wunder, daß das Handeln und Rechten zwischen
Fürst und Landschaft nie ein Ende nahm. Um die Wende des achtzehnten Jahrhunderts
trat die Landschaft sogar in unmittelbare Verbindung mit auswärtigen Mächten,
unterhielt in Wien und Paris ganz wie der Fürst eigne diplomatische Vertreter,
die sich in den beiden Hauptstädten aufs grimmigste befehdeten, bis 1805 Friedrich
durch den Anschluß an Napoleon und die Annahme der Königswürde die Ver¬
fassung umstoßen und die ständischen Vorrechte für immer beseitigen konnte. Die
Darstellung dieses Jahrhunderte lang von beiden Seiten mit der größten Zähig¬
keit geführten Kampfes erklärt manche Vorgänge der neueren und neuesten würtem-
bergischen Geschichte, denn noch lange haben sich in der Auffassung des Militär-
und Steuerwesens die nltwürtembergischen Ueberlieferungen erhalten. — Wir sehen
dem Inhalte der weiteren Hefte mit großem Interesse entgegen.
S picken nunsbuch. Novellen in Versen aus dem. zwölften und dreizehnten Jahrhundert,
übertragen von Wilhelm Hertz. Stuttgart, Gebrüder Kröner. 188«.
Wer Wilhelm Hertz den Dichter aus „Hugdietrichs Brautfahrt" und „Bruder
Rausch" kennen gelernt, wer sich mit dem Uebersetzer von Gottfrieds „Tristan und
Isolde" befreundet hat, jenen« Uebersetzer, dem es zum erstenmale gelang, den
Wohllaut, das Leben, den freien Fluß, die leuchtende Schönheit des mittelalterlichen
Originals im neuhochdeutschen annähernd wiederzugeben, der wird auch das neue,
reizend ausgestattete „Spiclmannsbuch" desselben willkommen heißen. Hertz versteht
es wie wenige, das Lebensfähige, noch unmittelbar Poetisch Wirkende aus den mittel¬
alterlichen Dichtungen herauszuheben und in der Wiedererzählung wahrhaft zu
beleben, er ordnet das wissenschaftliche Interesse, das kleine Kreise an den Schätzen
altfranzösischer und mittelhochdeutscher Poesie zu nehmen vermögen, den, Interesse
unter, das bei glücklicher Auswahl, glücklicher und wirksamer Bearbeitung größere
Lesergruppen gewinnen werden. Anderseits ist der Dichter doch wiederum so
gründlich vertraut mit der Welt und der Zeit, aus der diese Dichtungen stammen,
so sicher in der Beherrschung dieser Stoffe, daß er me einen fremden Zug in die¬
selben hineintragen, ihnen nichts von ihrem eigensten Reize nehmen wird. Der
glücklichen Mischung des Dichters und des Philologen entspricht im Spielmcmusbuch
eine ebenso glückliche jugendlicher Lust, jugendlichen Behagens an den bunten, welt¬
frohen Abenteuern der Spielmannspoesie und reifer Kunst, welche auch die spröden
Elemente glücklich bewältigt. Der Sammlung sind eine Anzahl der von Hertz
früher bearbeiteten poetischen Erzählungen der Marie de France einverleibt; auch
die gleichfalls früher veröffentlichte Uebertragung des reizenden kleinen Romans von
„Aucassin und Nicolette" begrüßen wir hier mit Freuden wieder. Unter den völlig
neuen Stücken der Sammlung sind „Der bunte Zelter" von Huon dein Spielmanns¬
könig, „Der Tänzer unsrer lieben Frau," „Sankt Peter und der Spielmann" die
vortrefflichsten; bei den beiden erstem bemerkt Hertz, daß er „von jener größern
Freiheit Gebrauch gemacht habe, welche ein mittelalterlicher Uebersetzer unbedenklich
für sich zu beanspruchen Pflegte," da die wörtliche Wiedergabe geradezu ein Unrecht
gegen den redseligen alten Dichter gewesen wäre. Wenn wir das Buch allen
Freunden lebendiger und naiver Poesie empfehlen, so wollen wir doch ausdrücklich
hinzufügen, daß das „Spielmannsbnch" keine Gabe für junge Damen ist, die eben
aus der Pension kommen.
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