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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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An der Heilquelle.

ersönliche Angelegenheiten mit sachlichen zu vermischen ist immer
ein Zeichen von schlechtem Geschmack; wo diese Vermischung Un¬
klarheit oder falsche Beurteilung zur Folge hat, ist sie obendrein
gewissenlos. Dieser unanfechtbaren Wahrheit eingedenk, würden
wir lieber ohne Vorrede zur Besprechung des neuen Spielhcigenschen
Buches schreiten, wenn die Angelegenheit, um die es sich handelt, nicht gerade
durch die Beimischung persönlicher Momente eine gesteigerte Sachlichkeit gewönne.
Sie gipfelt nämlich -- wirklich sehr sachlich und von ziemlich allgemeinem
Interesse -- in der Frage, ob es einem Autor erlaubt sei, seinein durchaus
maßvoll und frei von aller Gehässigkeit schreibenden Rezensenten nicht mit
Gründen, sondern mit einem moralischen Fußtritt zu antworten. Nicht als ob
der Rezensent unter allen Umständen eine Antwort verlangte. Es würde ja
immer eine Überhebung in der Voraussetzung liegen, daß seine Kritik das ästhe¬
tische Gewissen des Autors so energisch aufgeregt habe, um eine Beruhigung,
sei es durch Abwehr, sei es durch eignen Angriff, notwendig zu machen. Der
ehrliche Kritiker will seinem Autor um keinen Preis die Lust am Schaffen ver¬
kümmern; er will ihm sagen, wie er, nach seiner Meinung, die Sache angreifen
müsse, um noch Besseres zu schaffen. Dazu gehört vor allem, daß der Autor,
und der poetische ganz besonders, sich seinen Gleichmut, die seelische Harmonie
bewahre, was ganz unmöglich wäre, wenn er sich mit jedem seiner Rezensenten
in Auseinandersetzungen einlassen wollte. Und dann: es ist auch für den Rezen¬
senten eben nicht erquicklich, eine Besprechung, die nur als augenblickliches An¬
regungsmittel Bedeutung und Reiz besitzt, nun mit oder ohne Grazie w wlimtura.
ausgedehnt zu sehen.

Es liegt somit lediglich beim Autor, ob er aus seinem Gleichmut heraus¬
treten will, wenn eine Besprechung aus irgendeinem, vielleicht ganz nebensäch¬
lichen Grunde seine Aufmerksamkeit in ungewöhnlicher Weise erregt hat. Tritt
er aber einmal heraus und antwortet, so sollte doch der Ton der Antwort,
mindestens was die allgemeine Form des Ausdrucks und die Urbanität der
Polemik betrifft, im Interesse der guten Sache einigermaßen dem des Angriffs
entsprechen.

Und nun der Sachverhalt. Durch die Besprechung des "Uhlenhcms" in
diesen Blättern hat sich Spielhagen verletzt gefühlt. Eine gänzliche Nichtbeach¬
tung derselben hat er für unzweckmäßig gehalten -- weshalb, wissen wir nicht.
Nun lag es ja wohl sehr nahe, einen sachlich oder formell ungehörigen Inhalt
der Rezension mit dem ganzen Übergewicht, das ihm sein berühmter Name gab,


An der Heilquelle.

ersönliche Angelegenheiten mit sachlichen zu vermischen ist immer
ein Zeichen von schlechtem Geschmack; wo diese Vermischung Un¬
klarheit oder falsche Beurteilung zur Folge hat, ist sie obendrein
gewissenlos. Dieser unanfechtbaren Wahrheit eingedenk, würden
wir lieber ohne Vorrede zur Besprechung des neuen Spielhcigenschen
Buches schreiten, wenn die Angelegenheit, um die es sich handelt, nicht gerade
durch die Beimischung persönlicher Momente eine gesteigerte Sachlichkeit gewönne.
Sie gipfelt nämlich — wirklich sehr sachlich und von ziemlich allgemeinem
Interesse — in der Frage, ob es einem Autor erlaubt sei, seinein durchaus
maßvoll und frei von aller Gehässigkeit schreibenden Rezensenten nicht mit
Gründen, sondern mit einem moralischen Fußtritt zu antworten. Nicht als ob
der Rezensent unter allen Umständen eine Antwort verlangte. Es würde ja
immer eine Überhebung in der Voraussetzung liegen, daß seine Kritik das ästhe¬
tische Gewissen des Autors so energisch aufgeregt habe, um eine Beruhigung,
sei es durch Abwehr, sei es durch eignen Angriff, notwendig zu machen. Der
ehrliche Kritiker will seinem Autor um keinen Preis die Lust am Schaffen ver¬
kümmern; er will ihm sagen, wie er, nach seiner Meinung, die Sache angreifen
müsse, um noch Besseres zu schaffen. Dazu gehört vor allem, daß der Autor,
und der poetische ganz besonders, sich seinen Gleichmut, die seelische Harmonie
bewahre, was ganz unmöglich wäre, wenn er sich mit jedem seiner Rezensenten
in Auseinandersetzungen einlassen wollte. Und dann: es ist auch für den Rezen¬
senten eben nicht erquicklich, eine Besprechung, die nur als augenblickliches An¬
regungsmittel Bedeutung und Reiz besitzt, nun mit oder ohne Grazie w wlimtura.
ausgedehnt zu sehen.

Es liegt somit lediglich beim Autor, ob er aus seinem Gleichmut heraus¬
treten will, wenn eine Besprechung aus irgendeinem, vielleicht ganz nebensäch¬
lichen Grunde seine Aufmerksamkeit in ungewöhnlicher Weise erregt hat. Tritt
er aber einmal heraus und antwortet, so sollte doch der Ton der Antwort,
mindestens was die allgemeine Form des Ausdrucks und die Urbanität der
Polemik betrifft, im Interesse der guten Sache einigermaßen dem des Angriffs
entsprechen.

Und nun der Sachverhalt. Durch die Besprechung des „Uhlenhcms" in
diesen Blättern hat sich Spielhagen verletzt gefühlt. Eine gänzliche Nichtbeach¬
tung derselben hat er für unzweckmäßig gehalten — weshalb, wissen wir nicht.
Nun lag es ja wohl sehr nahe, einen sachlich oder formell ungehörigen Inhalt
der Rezension mit dem ganzen Übergewicht, das ihm sein berühmter Name gab,


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[0379] An der Heilquelle. ersönliche Angelegenheiten mit sachlichen zu vermischen ist immer ein Zeichen von schlechtem Geschmack; wo diese Vermischung Un¬ klarheit oder falsche Beurteilung zur Folge hat, ist sie obendrein gewissenlos. Dieser unanfechtbaren Wahrheit eingedenk, würden wir lieber ohne Vorrede zur Besprechung des neuen Spielhcigenschen Buches schreiten, wenn die Angelegenheit, um die es sich handelt, nicht gerade durch die Beimischung persönlicher Momente eine gesteigerte Sachlichkeit gewönne. Sie gipfelt nämlich — wirklich sehr sachlich und von ziemlich allgemeinem Interesse — in der Frage, ob es einem Autor erlaubt sei, seinein durchaus maßvoll und frei von aller Gehässigkeit schreibenden Rezensenten nicht mit Gründen, sondern mit einem moralischen Fußtritt zu antworten. Nicht als ob der Rezensent unter allen Umständen eine Antwort verlangte. Es würde ja immer eine Überhebung in der Voraussetzung liegen, daß seine Kritik das ästhe¬ tische Gewissen des Autors so energisch aufgeregt habe, um eine Beruhigung, sei es durch Abwehr, sei es durch eignen Angriff, notwendig zu machen. Der ehrliche Kritiker will seinem Autor um keinen Preis die Lust am Schaffen ver¬ kümmern; er will ihm sagen, wie er, nach seiner Meinung, die Sache angreifen müsse, um noch Besseres zu schaffen. Dazu gehört vor allem, daß der Autor, und der poetische ganz besonders, sich seinen Gleichmut, die seelische Harmonie bewahre, was ganz unmöglich wäre, wenn er sich mit jedem seiner Rezensenten in Auseinandersetzungen einlassen wollte. Und dann: es ist auch für den Rezen¬ senten eben nicht erquicklich, eine Besprechung, die nur als augenblickliches An¬ regungsmittel Bedeutung und Reiz besitzt, nun mit oder ohne Grazie w wlimtura. ausgedehnt zu sehen. Es liegt somit lediglich beim Autor, ob er aus seinem Gleichmut heraus¬ treten will, wenn eine Besprechung aus irgendeinem, vielleicht ganz nebensäch¬ lichen Grunde seine Aufmerksamkeit in ungewöhnlicher Weise erregt hat. Tritt er aber einmal heraus und antwortet, so sollte doch der Ton der Antwort, mindestens was die allgemeine Form des Ausdrucks und die Urbanität der Polemik betrifft, im Interesse der guten Sache einigermaßen dem des Angriffs entsprechen. Und nun der Sachverhalt. Durch die Besprechung des „Uhlenhcms" in diesen Blättern hat sich Spielhagen verletzt gefühlt. Eine gänzliche Nichtbeach¬ tung derselben hat er für unzweckmäßig gehalten — weshalb, wissen wir nicht. Nun lag es ja wohl sehr nahe, einen sachlich oder formell ungehörigen Inhalt der Rezension mit dem ganzen Übergewicht, das ihm sein berühmter Name gab,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/379>, abgerufen am 15.01.2025.