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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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An der Heilquelle.

zurückzuweisen, scharf, energisch, spottend -- wie es ihm gefiel und wie es am
treffendsten war. Aber doch zurückzuweisen. Statt dessen bildet er in seinem
neuen Buche eine Figur, einen dummdreistem, plump-unverschämten, moralisch
unsaubern Gesellen, einen or. Gamins, und ihn proklamirt er als -- Kritiker
der Grenzboten,

Dem gegenüber appelliren wir an die Gebildeten unter den Lesern, die sich
jener übel aufgenommenen Rezension des "Uhlenhans" noch erinnern. War sie
so voll von UnHöflichkeiten, von Plumpheiten und Dreistigkeiten gegen einen
berühmten Namen, daß ihr Autor mit einiger psychologischer Wahrscheinlichkeit
als Dr. Gamins abkonterfeit werden konnte? Nein, gewiß nicht. Aber sie wär
wohl überaus einfältig und thöricht, und die plumpe Unverschämtheit lag darin,
daß solch albernes Geschrei gegen einen Manu wie Spiclhageu erhoben wird,
der denn freilich gezwungen ist, sich dieses Gekläffs zu erwehren? Gezwungen?
Einer Besprechung gegenüber, deren Fehler nur in ihrer bodenlosen Dummheit
besteht, über die ja doch jedermann sofort klar sein muß! Heißt das nicht, mit
Kanonen nach Sperlingen schießen? Und kann ein Mann von Spielhagens
geistiger Anspannung von einer einfachen Albernheit so lebhaft und nachhaltig
erregt werden, daß er nach Jahr und Tag noch so leidenschaftlich darauf reagirt?
Nein, gewiß nicht. So ist also der Grund für diese auffallende Form der Ent¬
gegnung ganz unauffindbar! Oder, wenn denn irgend etwas in der Besprechung
sein künstlerisches Selbstgefühl ernsthaft verletzt hat, wir fragen wie obeir
Wer hält es mit Spielhagen für erlaubt, einem unbequemen, aber maßvollen
Rezensenten nicht mit Gründen, sondern mit einem moralischen Fußtritt zu ant¬
worten?

Wir bewundern Spielhagens großes Talent aufrichtig; das ist der Grund,
weshalb uns seine Fehler nicht gleichgiltig lassen. Und wir werden unbehelligt
durch seinen wenig geschmackvolle" Ausfall nach wie vor seinem Talent auf¬
richtige Teilnahme, seinen Werken Lob oder Tadel, je nachdem, entgegenbringen.
Und zwar, nach bestem Gewissen, maßvoll und schonend. Denn wir wissen, daß
in Fällen wie dieser, wo ein gutgemeinter Angriff mit einem verletzenden er¬
widert wird, der Gutmeiucnde die Aufgabe hat, nun auch noch der Besonnene
zu sein und sich und den Gegner aus der bedenklichen Nähe zu entfernen, aus
der ihnen das Versinken in kleindenkende Gehässigkeit droht. Und nun w
rnsclias rss.

Der erste Eindruck, den wir von der neuen Novelle Spielhagens haben,*)
ist der eines farbenreichen, lebhaft bewegten Bildes, das in vielfach sich kreuzenden
Beziehungen die Fäden der Handlung kraus durcheinander geflochten zeigt.
Jedermann kennt ja die graziöse Leichtigkeit, die natürliche Ungezwungenheit,
mit der Spielhagen seine Personen in die Handlung einführt, die Vielseitigkeit



*) An der Heilquelle. Novelle von Fr. Spielhagen. Leipzig, L. Swackmann, 188S.
An der Heilquelle.

zurückzuweisen, scharf, energisch, spottend — wie es ihm gefiel und wie es am
treffendsten war. Aber doch zurückzuweisen. Statt dessen bildet er in seinem
neuen Buche eine Figur, einen dummdreistem, plump-unverschämten, moralisch
unsaubern Gesellen, einen or. Gamins, und ihn proklamirt er als — Kritiker
der Grenzboten,

Dem gegenüber appelliren wir an die Gebildeten unter den Lesern, die sich
jener übel aufgenommenen Rezension des „Uhlenhans" noch erinnern. War sie
so voll von UnHöflichkeiten, von Plumpheiten und Dreistigkeiten gegen einen
berühmten Namen, daß ihr Autor mit einiger psychologischer Wahrscheinlichkeit
als Dr. Gamins abkonterfeit werden konnte? Nein, gewiß nicht. Aber sie wär
wohl überaus einfältig und thöricht, und die plumpe Unverschämtheit lag darin,
daß solch albernes Geschrei gegen einen Manu wie Spiclhageu erhoben wird,
der denn freilich gezwungen ist, sich dieses Gekläffs zu erwehren? Gezwungen?
Einer Besprechung gegenüber, deren Fehler nur in ihrer bodenlosen Dummheit
besteht, über die ja doch jedermann sofort klar sein muß! Heißt das nicht, mit
Kanonen nach Sperlingen schießen? Und kann ein Mann von Spielhagens
geistiger Anspannung von einer einfachen Albernheit so lebhaft und nachhaltig
erregt werden, daß er nach Jahr und Tag noch so leidenschaftlich darauf reagirt?
Nein, gewiß nicht. So ist also der Grund für diese auffallende Form der Ent¬
gegnung ganz unauffindbar! Oder, wenn denn irgend etwas in der Besprechung
sein künstlerisches Selbstgefühl ernsthaft verletzt hat, wir fragen wie obeir
Wer hält es mit Spielhagen für erlaubt, einem unbequemen, aber maßvollen
Rezensenten nicht mit Gründen, sondern mit einem moralischen Fußtritt zu ant¬
worten?

Wir bewundern Spielhagens großes Talent aufrichtig; das ist der Grund,
weshalb uns seine Fehler nicht gleichgiltig lassen. Und wir werden unbehelligt
durch seinen wenig geschmackvolle» Ausfall nach wie vor seinem Talent auf¬
richtige Teilnahme, seinen Werken Lob oder Tadel, je nachdem, entgegenbringen.
Und zwar, nach bestem Gewissen, maßvoll und schonend. Denn wir wissen, daß
in Fällen wie dieser, wo ein gutgemeinter Angriff mit einem verletzenden er¬
widert wird, der Gutmeiucnde die Aufgabe hat, nun auch noch der Besonnene
zu sein und sich und den Gegner aus der bedenklichen Nähe zu entfernen, aus
der ihnen das Versinken in kleindenkende Gehässigkeit droht. Und nun w
rnsclias rss.

Der erste Eindruck, den wir von der neuen Novelle Spielhagens haben,*)
ist der eines farbenreichen, lebhaft bewegten Bildes, das in vielfach sich kreuzenden
Beziehungen die Fäden der Handlung kraus durcheinander geflochten zeigt.
Jedermann kennt ja die graziöse Leichtigkeit, die natürliche Ungezwungenheit,
mit der Spielhagen seine Personen in die Handlung einführt, die Vielseitigkeit



*) An der Heilquelle. Novelle von Fr. Spielhagen. Leipzig, L. Swackmann, 188S.
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[0380] An der Heilquelle. zurückzuweisen, scharf, energisch, spottend — wie es ihm gefiel und wie es am treffendsten war. Aber doch zurückzuweisen. Statt dessen bildet er in seinem neuen Buche eine Figur, einen dummdreistem, plump-unverschämten, moralisch unsaubern Gesellen, einen or. Gamins, und ihn proklamirt er als — Kritiker der Grenzboten, Dem gegenüber appelliren wir an die Gebildeten unter den Lesern, die sich jener übel aufgenommenen Rezension des „Uhlenhans" noch erinnern. War sie so voll von UnHöflichkeiten, von Plumpheiten und Dreistigkeiten gegen einen berühmten Namen, daß ihr Autor mit einiger psychologischer Wahrscheinlichkeit als Dr. Gamins abkonterfeit werden konnte? Nein, gewiß nicht. Aber sie wär wohl überaus einfältig und thöricht, und die plumpe Unverschämtheit lag darin, daß solch albernes Geschrei gegen einen Manu wie Spiclhageu erhoben wird, der denn freilich gezwungen ist, sich dieses Gekläffs zu erwehren? Gezwungen? Einer Besprechung gegenüber, deren Fehler nur in ihrer bodenlosen Dummheit besteht, über die ja doch jedermann sofort klar sein muß! Heißt das nicht, mit Kanonen nach Sperlingen schießen? Und kann ein Mann von Spielhagens geistiger Anspannung von einer einfachen Albernheit so lebhaft und nachhaltig erregt werden, daß er nach Jahr und Tag noch so leidenschaftlich darauf reagirt? Nein, gewiß nicht. So ist also der Grund für diese auffallende Form der Ent¬ gegnung ganz unauffindbar! Oder, wenn denn irgend etwas in der Besprechung sein künstlerisches Selbstgefühl ernsthaft verletzt hat, wir fragen wie obeir Wer hält es mit Spielhagen für erlaubt, einem unbequemen, aber maßvollen Rezensenten nicht mit Gründen, sondern mit einem moralischen Fußtritt zu ant¬ worten? Wir bewundern Spielhagens großes Talent aufrichtig; das ist der Grund, weshalb uns seine Fehler nicht gleichgiltig lassen. Und wir werden unbehelligt durch seinen wenig geschmackvolle» Ausfall nach wie vor seinem Talent auf¬ richtige Teilnahme, seinen Werken Lob oder Tadel, je nachdem, entgegenbringen. Und zwar, nach bestem Gewissen, maßvoll und schonend. Denn wir wissen, daß in Fällen wie dieser, wo ein gutgemeinter Angriff mit einem verletzenden er¬ widert wird, der Gutmeiucnde die Aufgabe hat, nun auch noch der Besonnene zu sein und sich und den Gegner aus der bedenklichen Nähe zu entfernen, aus der ihnen das Versinken in kleindenkende Gehässigkeit droht. Und nun w rnsclias rss. Der erste Eindruck, den wir von der neuen Novelle Spielhagens haben,*) ist der eines farbenreichen, lebhaft bewegten Bildes, das in vielfach sich kreuzenden Beziehungen die Fäden der Handlung kraus durcheinander geflochten zeigt. Jedermann kennt ja die graziöse Leichtigkeit, die natürliche Ungezwungenheit, mit der Spielhagen seine Personen in die Handlung einführt, die Vielseitigkeit *) An der Heilquelle. Novelle von Fr. Spielhagen. Leipzig, L. Swackmann, 188S.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/380>, abgerufen am 15.01.2025.