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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Ans dem Stilfser Joch.

dessen Herz so schwer war, so zerstreut und teilnahmlos fanden. Nur die
kleine Edles fühlte es, daß der Bruder an einem großen Kummer litt, aber die
Ursache desselben konnte sie sich nicht klar machen. Zwar versuchte sie es, ihn
zärtlich zu befragen, aber da er nnr ausweichende Antworten gab, so suchte sie
nicht weiter nachzuforschen und nnr durch ihr liebenswürdiges Wesen die Wolken
von seiner Stirn zu verscheuchen. Harald aber, der die Schwester von Herzen
liebte "ut sich besonders zu ihr hingezogen fühlte, setzte sogar ihren Liebkosungen
bald eine Apathie entgegen, über welche das Mädchen sich tief grämte. Man
konnte zweifeln, ob dieser Gram nicht den ersten Keim zu ihrer Lungcnlrankheit
legte, während der sie wochenlang den Bruder nur auf Minuten zu sehen bekam
und sonst auf den Umgang mit der Tante beschränkt blieb.

In diesen Verhältnissen und Stimmungen war das erste Jahr vorüber¬
gegangen, seit Harald Stolberg, von seinen Künstlerfahrten zurückgekehrt, sich in
Berlin niedergelassen hatte. (Fälschung folgt.)




Literatur.

Schwedisches Märchenbuch von Z. TvpeliuS. Deutsch von Alma vou Podewils.
Wiesbaden, Bergmann, 1885.

Märchen von der Jugend und für die Jugend. Immer kommen Kinder als
die Helden drin vor, welche in Beziehung zu dem ganzen schönen Reiche der
Zwerge und Waldgeister und auch der lieben Engelein geraten; immer auch knüpft
sich an die ganze phantastische Geschichte, die gern im hellen Tageslichte der Wirk¬
lichkeit mit einer genrehnft treu geschilderten Kinderszene anfängt, um in dem süßen
Dämmer des Märchens sich zu verlieren, eine gute Lehre. Aber die Erzählungen
sind mit soviel Anmut, soviel konkreter Poesie vorgetragen, daß auch der Er¬
wachsene, wenn er sonst Kinder liebt, mit lächelndem Behagen diese Märchen lesen
wird. Manchmal freilich tritt die didaktische Absicht prosaisch nackt hervor; auch
die Gläubigkeit des Protestanten hätte ohne Schaden für die Moral und zum
Nutzen der Poesie diskreter bleiben können; anch schreitet in der einen oder andern
Geschichte der Dichter doch wohl über den geistigen Horizont des jugendlichen
Wesens hinaus. Im ganzen aber ist es ein liebenswürdiges Buch von einem edel
frommen, wahrhaft dichterischen Autor. Die Uebersetzung liest sich wie ein Original,
und sie war gewiß nicht leicht!





.
H. D.


Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig- -- Druck von Carl Marquart in Leipzig.
Ans dem Stilfser Joch.

dessen Herz so schwer war, so zerstreut und teilnahmlos fanden. Nur die
kleine Edles fühlte es, daß der Bruder an einem großen Kummer litt, aber die
Ursache desselben konnte sie sich nicht klar machen. Zwar versuchte sie es, ihn
zärtlich zu befragen, aber da er nnr ausweichende Antworten gab, so suchte sie
nicht weiter nachzuforschen und nnr durch ihr liebenswürdiges Wesen die Wolken
von seiner Stirn zu verscheuchen. Harald aber, der die Schwester von Herzen
liebte »ut sich besonders zu ihr hingezogen fühlte, setzte sogar ihren Liebkosungen
bald eine Apathie entgegen, über welche das Mädchen sich tief grämte. Man
konnte zweifeln, ob dieser Gram nicht den ersten Keim zu ihrer Lungcnlrankheit
legte, während der sie wochenlang den Bruder nur auf Minuten zu sehen bekam
und sonst auf den Umgang mit der Tante beschränkt blieb.

In diesen Verhältnissen und Stimmungen war das erste Jahr vorüber¬
gegangen, seit Harald Stolberg, von seinen Künstlerfahrten zurückgekehrt, sich in
Berlin niedergelassen hatte. (Fälschung folgt.)




Literatur.

Schwedisches Märchenbuch von Z. TvpeliuS. Deutsch von Alma vou Podewils.
Wiesbaden, Bergmann, 1885.

Märchen von der Jugend und für die Jugend. Immer kommen Kinder als
die Helden drin vor, welche in Beziehung zu dem ganzen schönen Reiche der
Zwerge und Waldgeister und auch der lieben Engelein geraten; immer auch knüpft
sich an die ganze phantastische Geschichte, die gern im hellen Tageslichte der Wirk¬
lichkeit mit einer genrehnft treu geschilderten Kinderszene anfängt, um in dem süßen
Dämmer des Märchens sich zu verlieren, eine gute Lehre. Aber die Erzählungen
sind mit soviel Anmut, soviel konkreter Poesie vorgetragen, daß auch der Er¬
wachsene, wenn er sonst Kinder liebt, mit lächelndem Behagen diese Märchen lesen
wird. Manchmal freilich tritt die didaktische Absicht prosaisch nackt hervor; auch
die Gläubigkeit des Protestanten hätte ohne Schaden für die Moral und zum
Nutzen der Poesie diskreter bleiben können; anch schreitet in der einen oder andern
Geschichte der Dichter doch wohl über den geistigen Horizont des jugendlichen
Wesens hinaus. Im ganzen aber ist es ein liebenswürdiges Buch von einem edel
frommen, wahrhaft dichterischen Autor. Die Uebersetzung liest sich wie ein Original,
und sie war gewiß nicht leicht!





.
H. D.


Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig- — Druck von Carl Marquart in Leipzig.
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[0120] Ans dem Stilfser Joch. dessen Herz so schwer war, so zerstreut und teilnahmlos fanden. Nur die kleine Edles fühlte es, daß der Bruder an einem großen Kummer litt, aber die Ursache desselben konnte sie sich nicht klar machen. Zwar versuchte sie es, ihn zärtlich zu befragen, aber da er nnr ausweichende Antworten gab, so suchte sie nicht weiter nachzuforschen und nnr durch ihr liebenswürdiges Wesen die Wolken von seiner Stirn zu verscheuchen. Harald aber, der die Schwester von Herzen liebte »ut sich besonders zu ihr hingezogen fühlte, setzte sogar ihren Liebkosungen bald eine Apathie entgegen, über welche das Mädchen sich tief grämte. Man konnte zweifeln, ob dieser Gram nicht den ersten Keim zu ihrer Lungcnlrankheit legte, während der sie wochenlang den Bruder nur auf Minuten zu sehen bekam und sonst auf den Umgang mit der Tante beschränkt blieb. In diesen Verhältnissen und Stimmungen war das erste Jahr vorüber¬ gegangen, seit Harald Stolberg, von seinen Künstlerfahrten zurückgekehrt, sich in Berlin niedergelassen hatte. (Fälschung folgt.) Literatur. Schwedisches Märchenbuch von Z. TvpeliuS. Deutsch von Alma vou Podewils. Wiesbaden, Bergmann, 1885. Märchen von der Jugend und für die Jugend. Immer kommen Kinder als die Helden drin vor, welche in Beziehung zu dem ganzen schönen Reiche der Zwerge und Waldgeister und auch der lieben Engelein geraten; immer auch knüpft sich an die ganze phantastische Geschichte, die gern im hellen Tageslichte der Wirk¬ lichkeit mit einer genrehnft treu geschilderten Kinderszene anfängt, um in dem süßen Dämmer des Märchens sich zu verlieren, eine gute Lehre. Aber die Erzählungen sind mit soviel Anmut, soviel konkreter Poesie vorgetragen, daß auch der Er¬ wachsene, wenn er sonst Kinder liebt, mit lächelndem Behagen diese Märchen lesen wird. Manchmal freilich tritt die didaktische Absicht prosaisch nackt hervor; auch die Gläubigkeit des Protestanten hätte ohne Schaden für die Moral und zum Nutzen der Poesie diskreter bleiben können; anch schreitet in der einen oder andern Geschichte der Dichter doch wohl über den geistigen Horizont des jugendlichen Wesens hinaus. Im ganzen aber ist es ein liebenswürdiges Buch von einem edel frommen, wahrhaft dichterischen Autor. Die Uebersetzung liest sich wie ein Original, und sie war gewiß nicht leicht! . H. D. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig- — Druck von Carl Marquart in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/120>, abgerufen am 15.01.2025.