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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Die proportionale Verufsklasfenwahl.
Ein Mittel zur Abwehr der sozialistischen Bewegung.
Von Ludwig von Hirschfeld. (Schluß.)
ü.

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MKHer Gedanke, die politischen Gruppen eines Landes nach Ma߬
gabe ihrer durch die Wahl zu Tage tretenden numerischen Stärke
an der Gesetzgebung zu beteiligen, ist nicht neu. Er ist schon
im vorigen Jahrhundert aufgetaucht, indem der Herzog von
Richmond in einer Sitzung vom 3. Juni 1780 den Antrag
stellte, ein allgemeines Wahlrecht dadurch zu begründen, daß alle groß-
britannischen Unterthanen (ausgenommen Kinder, Geisteskranke und Verbrecher)
ihre Stimmen abgeben und diese Stimmen durch die Zahl der damaligen
658 Sitze dividirt werden sollten. Der Quotient dieser Rechnung sollte als¬
dann für die Ermittelung der Repräsentanten des Volles die Grundlage bilden.
Dieser damals einstimmig abgekehrte Vorschlag hat später den Ausgangspunkt
mannichfacher Versuche zur Begründung eines analogen Systems abgegeben.
Sein Prinzip hat in der Wahlgesetzgebung einiger Staaten, wie Dänemark,
Italien und Schweizer Kantonen, soweit Eingang gefunden, daß dort für die
Wahl einzelner gesetzgeberischen Faktoren (in Dänemark des Reichsrath, in Italien
gewisser größeren Wahlbezirke) teilweise das System des Wahlquotienten, teilweise
das der unvollständigen Liste oder der beschränkten Stimmabgabe angenommen
wurde. Das französische Listeuskrutinium bezweckt gleichfalls die Abschaffung
Privilegirter Majvritätsgruppen und strebt eine Berücksichtigung der bisher un-
vertretenen Minderheiten an. Die verschiedenartigen Theorien und Vorschläge,
welche alle auf dasselbe Ziel hinauslaufen, sind in einer umfänglichen Literatur


Grenzvoten IV. 188S, Is


Die proportionale Verufsklasfenwahl.
Ein Mittel zur Abwehr der sozialistischen Bewegung.
Von Ludwig von Hirschfeld. (Schluß.)
ü.

l^-^zM
MKHer Gedanke, die politischen Gruppen eines Landes nach Ma߬
gabe ihrer durch die Wahl zu Tage tretenden numerischen Stärke
an der Gesetzgebung zu beteiligen, ist nicht neu. Er ist schon
im vorigen Jahrhundert aufgetaucht, indem der Herzog von
Richmond in einer Sitzung vom 3. Juni 1780 den Antrag
stellte, ein allgemeines Wahlrecht dadurch zu begründen, daß alle groß-
britannischen Unterthanen (ausgenommen Kinder, Geisteskranke und Verbrecher)
ihre Stimmen abgeben und diese Stimmen durch die Zahl der damaligen
658 Sitze dividirt werden sollten. Der Quotient dieser Rechnung sollte als¬
dann für die Ermittelung der Repräsentanten des Volles die Grundlage bilden.
Dieser damals einstimmig abgekehrte Vorschlag hat später den Ausgangspunkt
mannichfacher Versuche zur Begründung eines analogen Systems abgegeben.
Sein Prinzip hat in der Wahlgesetzgebung einiger Staaten, wie Dänemark,
Italien und Schweizer Kantonen, soweit Eingang gefunden, daß dort für die
Wahl einzelner gesetzgeberischen Faktoren (in Dänemark des Reichsrath, in Italien
gewisser größeren Wahlbezirke) teilweise das System des Wahlquotienten, teilweise
das der unvollständigen Liste oder der beschränkten Stimmabgabe angenommen
wurde. Das französische Listeuskrutinium bezweckt gleichfalls die Abschaffung
Privilegirter Majvritätsgruppen und strebt eine Berücksichtigung der bisher un-
vertretenen Minderheiten an. Die verschiedenartigen Theorien und Vorschläge,
welche alle auf dasselbe Ziel hinauslaufen, sind in einer umfänglichen Literatur


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[0121] [Abbildung] Die proportionale Verufsklasfenwahl. Ein Mittel zur Abwehr der sozialistischen Bewegung. Von Ludwig von Hirschfeld. (Schluß.) ü. l^-^zM MKHer Gedanke, die politischen Gruppen eines Landes nach Ma߬ gabe ihrer durch die Wahl zu Tage tretenden numerischen Stärke an der Gesetzgebung zu beteiligen, ist nicht neu. Er ist schon im vorigen Jahrhundert aufgetaucht, indem der Herzog von Richmond in einer Sitzung vom 3. Juni 1780 den Antrag stellte, ein allgemeines Wahlrecht dadurch zu begründen, daß alle groß- britannischen Unterthanen (ausgenommen Kinder, Geisteskranke und Verbrecher) ihre Stimmen abgeben und diese Stimmen durch die Zahl der damaligen 658 Sitze dividirt werden sollten. Der Quotient dieser Rechnung sollte als¬ dann für die Ermittelung der Repräsentanten des Volles die Grundlage bilden. Dieser damals einstimmig abgekehrte Vorschlag hat später den Ausgangspunkt mannichfacher Versuche zur Begründung eines analogen Systems abgegeben. Sein Prinzip hat in der Wahlgesetzgebung einiger Staaten, wie Dänemark, Italien und Schweizer Kantonen, soweit Eingang gefunden, daß dort für die Wahl einzelner gesetzgeberischen Faktoren (in Dänemark des Reichsrath, in Italien gewisser größeren Wahlbezirke) teilweise das System des Wahlquotienten, teilweise das der unvollständigen Liste oder der beschränkten Stimmabgabe angenommen wurde. Das französische Listeuskrutinium bezweckt gleichfalls die Abschaffung Privilegirter Majvritätsgruppen und strebt eine Berücksichtigung der bisher un- vertretenen Minderheiten an. Die verschiedenartigen Theorien und Vorschläge, welche alle auf dasselbe Ziel hinauslaufen, sind in einer umfänglichen Literatur Grenzvoten IV. 188S, Is

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/121>, abgerufen am 15.01.2025.