Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.Gstpreußische Skizzen. i^. Land und Leute, er Süd- und Westdeutsche hält Ostpreußen für eine Art preußische" Nun muß man allerdings nicht den Ostpreußen fragen, wenn man über Ein Reisender von guter Art, noch einige Begründung haben mag, so ist es doch entschieden eine jeden Sinnes Himmelfahrt -- der Bauer den Pelz verwahrt; Gstpreußische Skizzen. i^. Land und Leute, er Süd- und Westdeutsche hält Ostpreußen für eine Art preußische» Nun muß man allerdings nicht den Ostpreußen fragen, wenn man über Ein Reisender von guter Art, noch einige Begründung haben mag, so ist es doch entschieden eine jeden Sinnes Himmelfahrt — der Bauer den Pelz verwahrt; <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0079" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195468"/> </div> <div n="1"> <head> Gstpreußische Skizzen.<lb/> i^. Land und Leute, </head><lb/> <p xml:id="ID_269"> er Süd- und Westdeutsche hält Ostpreußen für eine Art preußische»<lb/> Sibiriens, jedenfalls für ein rlltima lliulv der Zivilisation. Wenn<lb/> es anch nicht so arg ist wie die Ostpreußen scherzweise selbst<lb/> sagen: man glaube im übrigen Deutschland, auf den Straßen<lb/> vou Königsberg liefen die Eisbären herum — so ist man sicherlich<lb/> auch in den Kreisen gebildeter und wohlunterrichteter Leute der Meinung, unsre<lb/> Nordostmark sei ein trauriges, ödes, der Naturreize und des feineren Komforts<lb/> fast gänzlich, fröhlichen deutschen Lebensgenusses aber gänzlich entbehrendes Land,<lb/> dessen Klima den: russischen weit näher stehe als demjenigen der meisten Teile<lb/> Deutschlands, Vor allem hat sich die Vorstellung festgesetzt, das Land sei<lb/> vollständig flach und entbehre infolge dessen jeder Spur von schönen Fluß-<lb/> thälern und von stattlich sich darstellenden Höhenzügen. Ja auch an dem<lb/> Vorhandensein schöner Wälder scheint stark gezweifelt zu werden; ist es doch<lb/> dem Schreiber dieses selbst begegnet, daß ihn jemand fragte, ob es denn<lb/> in Ostpreußen einen andern als krüppelhaften Baumwuchs gebe. Es war<lb/> jedoch nicht schwer, diesem Herrn die Überzeugung beizubringen, daß er eine<lb/> Thorheit gesagt habe, indem man ihn darauf hinwies, daß doch selbst um das<lb/> Weiße Meer herum noch prachtvolle Wälder mit herrlichen Fichten- und<lb/> Birkenexemplaren vorkämen, und daß doch die Buche der eigentliche Charakter¬<lb/> baum der südlichen Ostsee sei. Daran, daß es in Ostpreußen noch andres Obst<lb/> als höchstens Schlehen und Heidelbeeren gebe, glaubt natürlich niemand.</p><lb/> <p xml:id="ID_270"> Nun muß man allerdings nicht den Ostpreußen fragen, wenn man über<lb/> die wirklichen Verhältnisse Ostpreußens reinen Wein eingeschenkt haben will.<lb/> Der Ostprcuße ist zwar sehr geneigt, die Rauhigkeit seines heimatlichen Klimas<lb/> anzuerkennen oder wohl gar noch zu übertreiben. Wenn der alte landes¬<lb/> übliche Spruch:</p><lb/> <quote> Ein Reisender von guter Art,<lb/> Der trägt den Pelz bis Himmelfahrt;<lb/> Doch ist er noch von dess'rer Sitt',<lb/> Nimmt er ihn bis Johanni mit —</quote><lb/> <p xml:id="ID_271" next="#ID_272"> noch einige Begründung haben mag, so ist es doch entschieden eine jeden Sinnes<lb/> entbehrende Übertreibung, wenn einige sagen:</p><lb/> <quote> Himmelfahrt — der Bauer den Pelz verwahrt;<lb/> Se. Johann — zieht er ihn wieder um.</quote><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0079]
Gstpreußische Skizzen.
i^. Land und Leute,
er Süd- und Westdeutsche hält Ostpreußen für eine Art preußische»
Sibiriens, jedenfalls für ein rlltima lliulv der Zivilisation. Wenn
es anch nicht so arg ist wie die Ostpreußen scherzweise selbst
sagen: man glaube im übrigen Deutschland, auf den Straßen
vou Königsberg liefen die Eisbären herum — so ist man sicherlich
auch in den Kreisen gebildeter und wohlunterrichteter Leute der Meinung, unsre
Nordostmark sei ein trauriges, ödes, der Naturreize und des feineren Komforts
fast gänzlich, fröhlichen deutschen Lebensgenusses aber gänzlich entbehrendes Land,
dessen Klima den: russischen weit näher stehe als demjenigen der meisten Teile
Deutschlands, Vor allem hat sich die Vorstellung festgesetzt, das Land sei
vollständig flach und entbehre infolge dessen jeder Spur von schönen Fluß-
thälern und von stattlich sich darstellenden Höhenzügen. Ja auch an dem
Vorhandensein schöner Wälder scheint stark gezweifelt zu werden; ist es doch
dem Schreiber dieses selbst begegnet, daß ihn jemand fragte, ob es denn
in Ostpreußen einen andern als krüppelhaften Baumwuchs gebe. Es war
jedoch nicht schwer, diesem Herrn die Überzeugung beizubringen, daß er eine
Thorheit gesagt habe, indem man ihn darauf hinwies, daß doch selbst um das
Weiße Meer herum noch prachtvolle Wälder mit herrlichen Fichten- und
Birkenexemplaren vorkämen, und daß doch die Buche der eigentliche Charakter¬
baum der südlichen Ostsee sei. Daran, daß es in Ostpreußen noch andres Obst
als höchstens Schlehen und Heidelbeeren gebe, glaubt natürlich niemand.
Nun muß man allerdings nicht den Ostpreußen fragen, wenn man über
die wirklichen Verhältnisse Ostpreußens reinen Wein eingeschenkt haben will.
Der Ostprcuße ist zwar sehr geneigt, die Rauhigkeit seines heimatlichen Klimas
anzuerkennen oder wohl gar noch zu übertreiben. Wenn der alte landes¬
übliche Spruch:
Ein Reisender von guter Art,
Der trägt den Pelz bis Himmelfahrt;
Doch ist er noch von dess'rer Sitt',
Nimmt er ihn bis Johanni mit —
noch einige Begründung haben mag, so ist es doch entschieden eine jeden Sinnes
entbehrende Übertreibung, wenn einige sagen:
Himmelfahrt — der Bauer den Pelz verwahrt;
Se. Johann — zieht er ihn wieder um.
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