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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine perle.
Ronia" von Rob/re Waldmüller (Ed. Duboc). (Fortschung.)

u hältst mich vielleicht für fühllos, Florida, sagte Giuseppe, und
meinst, ich könne mich nicht in deine Lage hineindenken, meinst,
ich vermöge mir nicht vorzustellen, was es heißt, einen Vater zu
verlassen, dessen ganzes Leben eine Kette kummervoller Tage ge¬
wesen ist und der hinieden nichts ihm wirklich teures mehr be¬
sitzt, als sein Kind, seine Florida, seinen Abgott, seinen Augapfel, das Labsal
seiner Seele!

O wär' ich das doch!

Du bist es, rief Giuseppe, des bin ich gewiß. Kann jemand dir nahe
sein, ohne von deiner himmlischen Herzensgüte durchwärmt zu werdeu, ohne von
deinem Wesen, Geliebte, so segensreiches, so Heiligendes, so unaussprechlich
Beglückendes in fich aufzunehmen, daß endlich die Sonne selbst mit allen ihren
lebenspendenden Strahlen ihm entbehrlicher scheint als deine Nähe? Wenn mich
schon in so kurzer Zeit dein Zauber so völlig verwandelt, so unauflöslich an
dich gefesselt hat, wie muß er erst ihm, der dich einst auf seinen Knieen schau¬
kelte, der dich aus dem Kinde zur Jungfrau erblühen sah, dem du endlich alles
ersetztest -- Gattin, Herrscherfreude, Hoffnung auf das Wiedcrcmbrechen einer
ruhmvollen Zeit --, wie muß jeuer Zauber erst ihm zur Daseinsbediugung, zur
seelischen Lebenslust geworden sein!

Und dennoch willst du mich von ihm losreißen! jammerte Florida; o ver¬
traue doch, wie ich es thue, auf die Hilfe von oben!

Sie wird nur denen, rief Giuseppe, die selbst durch vollen Aufwand der
ehren von oben verliehenen Kräfte sich solcher Hilfe wert erweisen. Gut, hier
stelle ich dich auf deine Fiiße. Es war vielleicht ein Schein von Gewaltsam¬
keit, dessen ich mich schuldig machte, als ich dich auf die Arme nahm. Verzeihe
mir's. Ich übe keinen Zwang. schreite mir frei zur Seite -- er raffte seinen




Um eine perle.
Ronia» von Rob/re Waldmüller (Ed. Duboc). (Fortschung.)

u hältst mich vielleicht für fühllos, Florida, sagte Giuseppe, und
meinst, ich könne mich nicht in deine Lage hineindenken, meinst,
ich vermöge mir nicht vorzustellen, was es heißt, einen Vater zu
verlassen, dessen ganzes Leben eine Kette kummervoller Tage ge¬
wesen ist und der hinieden nichts ihm wirklich teures mehr be¬
sitzt, als sein Kind, seine Florida, seinen Abgott, seinen Augapfel, das Labsal
seiner Seele!

O wär' ich das doch!

Du bist es, rief Giuseppe, des bin ich gewiß. Kann jemand dir nahe
sein, ohne von deiner himmlischen Herzensgüte durchwärmt zu werdeu, ohne von
deinem Wesen, Geliebte, so segensreiches, so Heiligendes, so unaussprechlich
Beglückendes in fich aufzunehmen, daß endlich die Sonne selbst mit allen ihren
lebenspendenden Strahlen ihm entbehrlicher scheint als deine Nähe? Wenn mich
schon in so kurzer Zeit dein Zauber so völlig verwandelt, so unauflöslich an
dich gefesselt hat, wie muß er erst ihm, der dich einst auf seinen Knieen schau¬
kelte, der dich aus dem Kinde zur Jungfrau erblühen sah, dem du endlich alles
ersetztest — Gattin, Herrscherfreude, Hoffnung auf das Wiedcrcmbrechen einer
ruhmvollen Zeit —, wie muß jeuer Zauber erst ihm zur Daseinsbediugung, zur
seelischen Lebenslust geworden sein!

Und dennoch willst du mich von ihm losreißen! jammerte Florida; o ver¬
traue doch, wie ich es thue, auf die Hilfe von oben!

Sie wird nur denen, rief Giuseppe, die selbst durch vollen Aufwand der
ehren von oben verliehenen Kräfte sich solcher Hilfe wert erweisen. Gut, hier
stelle ich dich auf deine Fiiße. Es war vielleicht ein Schein von Gewaltsam¬
keit, dessen ich mich schuldig machte, als ich dich auf die Arme nahm. Verzeihe
mir's. Ich übe keinen Zwang. schreite mir frei zur Seite — er raffte seinen


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[0324] [Abbildung] Um eine perle. Ronia» von Rob/re Waldmüller (Ed. Duboc). (Fortschung.) u hältst mich vielleicht für fühllos, Florida, sagte Giuseppe, und meinst, ich könne mich nicht in deine Lage hineindenken, meinst, ich vermöge mir nicht vorzustellen, was es heißt, einen Vater zu verlassen, dessen ganzes Leben eine Kette kummervoller Tage ge¬ wesen ist und der hinieden nichts ihm wirklich teures mehr be¬ sitzt, als sein Kind, seine Florida, seinen Abgott, seinen Augapfel, das Labsal seiner Seele! O wär' ich das doch! Du bist es, rief Giuseppe, des bin ich gewiß. Kann jemand dir nahe sein, ohne von deiner himmlischen Herzensgüte durchwärmt zu werdeu, ohne von deinem Wesen, Geliebte, so segensreiches, so Heiligendes, so unaussprechlich Beglückendes in fich aufzunehmen, daß endlich die Sonne selbst mit allen ihren lebenspendenden Strahlen ihm entbehrlicher scheint als deine Nähe? Wenn mich schon in so kurzer Zeit dein Zauber so völlig verwandelt, so unauflöslich an dich gefesselt hat, wie muß er erst ihm, der dich einst auf seinen Knieen schau¬ kelte, der dich aus dem Kinde zur Jungfrau erblühen sah, dem du endlich alles ersetztest — Gattin, Herrscherfreude, Hoffnung auf das Wiedcrcmbrechen einer ruhmvollen Zeit —, wie muß jeuer Zauber erst ihm zur Daseinsbediugung, zur seelischen Lebenslust geworden sein! Und dennoch willst du mich von ihm losreißen! jammerte Florida; o ver¬ traue doch, wie ich es thue, auf die Hilfe von oben! Sie wird nur denen, rief Giuseppe, die selbst durch vollen Aufwand der ehren von oben verliehenen Kräfte sich solcher Hilfe wert erweisen. Gut, hier stelle ich dich auf deine Fiiße. Es war vielleicht ein Schein von Gewaltsam¬ keit, dessen ich mich schuldig machte, als ich dich auf die Arme nahm. Verzeihe mir's. Ich übe keinen Zwang. schreite mir frei zur Seite — er raffte seinen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/324>, abgerufen am 22.07.2024.