Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal."Reise nach dem Schicksal" der Vertraute (des ältere" französischen Dramas) M. Reck er. Fromme Wünsche in akademischen Angelegenheiten. inverstcmden: die Pietät ist eine Tugend, die ihren Besitzer ziert „Reise nach dem Schicksal" der Vertraute (des ältere» französischen Dramas) M. Reck er. Fromme Wünsche in akademischen Angelegenheiten. inverstcmden: die Pietät ist eine Tugend, die ihren Besitzer ziert <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195708"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1100" prev="#ID_1099"> „Reise nach dem Schicksal" der Vertraute (des ältere» französischen Dramas)<lb/> eine überaus wichtige Rolle. Franzos hat obendrein in schlauer Weise diese<lb/> letztere Geschichte dem „Realisten" Tarbcscu in den Mund gelegt und so von<lb/> dem Standpunkte eines ganz bestimmten Charakters ans die Sache dargestellt,<lb/> die Dissonanz aber hat er dadurch doch nicht verdeckt. Ein künstlerischer Realist<lb/> ist Franzos keineswegs. Seine Gestalten sowohl wie seine Fabeln sind viel zu<lb/> sehr konstruirt, sein Geist viel zu spekulativ angelegt, als daß man ihn zu den<lb/> realistischen, aus der unmittelbar gegenwärtigen Fülle des Lebens schöpfenden<lb/> Dichtern zählen dürfte.</p><lb/> <note type="byline"> M. Reck er.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Fromme Wünsche in akademischen Angelegenheiten.</head><lb/> <p xml:id="ID_1101" next="#ID_1102"> inverstcmden: die Pietät ist eine Tugend, die ihren Besitzer ziert<lb/> und ehrt. Wiederum einverstanden: sie haben ihre großen Ver¬<lb/> dienste, unsre Universitäten und Fakultäten; wer wollte das be-<lb/> streiten, ja wer hielte das noch des Hervorhebens und Betonens<lb/> für bedürftig? Und zum drittenmale einverstanden: auch die<lb/> akademische Freiheit und Selbständigkeit hat ihren Wert und gewisse Seiten,<lb/> nach denen sie berechtigt erscheint. Aber ebenso sicher ist, daß die Gerechtigkeit<lb/> und Billigkeit gleichermaßen Tugenden sind, welche den Menschen gut zu Ge¬<lb/> sichte stehen, daß die Pietät nicht an schwachen Angen leiden darf, die nur die<lb/> hellsten Stellen an ihrem Gegenstände sehen und nicht auch die dunkeln gewahr<lb/> werden, daß ferner einige Züge in der Physiognomie unsrer Hochschulen, wenn<lb/> sie beseitigt würden, ihrer Schönheit keineswegs Eintrag thun, vielmehr dieselbe<lb/> wesentlich erhöhen würden, und daß namentlich die akademische Freiheit und<lb/> Unabhängigkeit selbst in der beschränkten Gestalt, in der sie aus dem Mittel¬<lb/> alter in unsre Zeit hereinragt, ohne Schaden weiter gekürzt werden könnte, da<lb/> sie Zustände herbeigeführt hat, welche sie in mehr als einer Beziehung als ihr<lb/> Gegenteil, als Knechtschaft und Abhängigkeit der jüngeren Dozenten von den<lb/> älteren, vorzüglich von den großen Lichtern, die wie Gebieter in den Fakultäten<lb/> schalten und verfügen, erscheinen läßt. Wir haben Fakultäten, in denen ein<lb/> egoistischer Zünftlergeist regiert, Prvfesforenpäpfte, welche auf Berufungen und<lb/> Beförderungen nicht bloß an einer Universität, sondern an mehreren zugleich<lb/> unerfreulichen, unbilligen und für die Wissenschaft schädlichen Einfluß üben. Wir</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0319]
„Reise nach dem Schicksal" der Vertraute (des ältere» französischen Dramas)
eine überaus wichtige Rolle. Franzos hat obendrein in schlauer Weise diese
letztere Geschichte dem „Realisten" Tarbcscu in den Mund gelegt und so von
dem Standpunkte eines ganz bestimmten Charakters ans die Sache dargestellt,
die Dissonanz aber hat er dadurch doch nicht verdeckt. Ein künstlerischer Realist
ist Franzos keineswegs. Seine Gestalten sowohl wie seine Fabeln sind viel zu
sehr konstruirt, sein Geist viel zu spekulativ angelegt, als daß man ihn zu den
realistischen, aus der unmittelbar gegenwärtigen Fülle des Lebens schöpfenden
Dichtern zählen dürfte.
M. Reck er.
Fromme Wünsche in akademischen Angelegenheiten.
inverstcmden: die Pietät ist eine Tugend, die ihren Besitzer ziert
und ehrt. Wiederum einverstanden: sie haben ihre großen Ver¬
dienste, unsre Universitäten und Fakultäten; wer wollte das be-
streiten, ja wer hielte das noch des Hervorhebens und Betonens
für bedürftig? Und zum drittenmale einverstanden: auch die
akademische Freiheit und Selbständigkeit hat ihren Wert und gewisse Seiten,
nach denen sie berechtigt erscheint. Aber ebenso sicher ist, daß die Gerechtigkeit
und Billigkeit gleichermaßen Tugenden sind, welche den Menschen gut zu Ge¬
sichte stehen, daß die Pietät nicht an schwachen Angen leiden darf, die nur die
hellsten Stellen an ihrem Gegenstände sehen und nicht auch die dunkeln gewahr
werden, daß ferner einige Züge in der Physiognomie unsrer Hochschulen, wenn
sie beseitigt würden, ihrer Schönheit keineswegs Eintrag thun, vielmehr dieselbe
wesentlich erhöhen würden, und daß namentlich die akademische Freiheit und
Unabhängigkeit selbst in der beschränkten Gestalt, in der sie aus dem Mittel¬
alter in unsre Zeit hereinragt, ohne Schaden weiter gekürzt werden könnte, da
sie Zustände herbeigeführt hat, welche sie in mehr als einer Beziehung als ihr
Gegenteil, als Knechtschaft und Abhängigkeit der jüngeren Dozenten von den
älteren, vorzüglich von den großen Lichtern, die wie Gebieter in den Fakultäten
schalten und verfügen, erscheinen läßt. Wir haben Fakultäten, in denen ein
egoistischer Zünftlergeist regiert, Prvfesforenpäpfte, welche auf Berufungen und
Beförderungen nicht bloß an einer Universität, sondern an mehreren zugleich
unerfreulichen, unbilligen und für die Wissenschaft schädlichen Einfluß üben. Wir
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