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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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nur in Verbindung mit dem Slawentum gelehrt und daß Nußland stets als die
große Mutter der Slawen und auch der Wenden dargestellt werde.

So haben sich denn die angeblichen Thatsachen, mit denen jener Artikel
ein so gewaltiges Aufsehen hervorrief, als falsche Annahmen erwiesen, mögen sie
nun Eingebungen einer erhitzten Phantasie oder in böser Absicht ausgestreute
Erdichtungen gewesen sein. Für die Belehrung aber, die uns Jmmisch? Buch
über die Wenden der Lausitz, über ihren Dialekt, dem er den ersten Abschnitt
seiner Schrift widmet, und über ihre Geschieht spendet, wird ihm mancher dankbar
sein, weil es von großem Interesse ist, diese Enklave des Slawentums mitten
uuter deutscher Bevölkerung und mit deutsch-nntivualer Gesinnung näher kennen
zu lernen.

Freilich winde es bedenklich sein, wenn mitten im deutschen Lande ein
fremder Volksstamm mit nationaler Exklusivität seine Sonderbestrebungen aufrecht
erhielte und in diesen Sondcrintcrcssen künstlich verstärkt und unterstützt würde,
namentlich angesichts des immer höher emporwachsenden und alle Lebenskreise
sich dienstbar machenden Nationalitätsprinzips. Denn es könnten immerhin
in näherer oder fernerer Zukunft politische Verhältnisse eintreten, unter denen
die Angehörigen eines solchen isolirten Stammes dem allgemeinen Staatsganzen
gefährlich werden oder doch wenigstens nur nach innerm Kampfe und mit innerm
Widerstreben ihrer Pflicht gegen die Majorität des Volkes eingedenk sein
könnten, während ihre Sympathien vielleicht dem feindliche" Staate und seinem
stammverwandten Volke zugewandt wären. Aber die Bestrebungen um Erforschung
des Volkstums und der Geschichte der Wenden, "in Erhaltung und Belebung
ihrer Sprache, um Sicherung ihrer Sitten und ihrer althergebrachten Sittlichkeit
haben mit derartigen landesverräterischen Bestrebungen im Dienste des ein-
seitigen Nationalitätsprinzips nichts gemein.




Fabrik- und Hausindustrie.

chon oft ist die Frage erörtert worden, wie man sich die Ge¬
staltung der gewerblichen Unternehmungsformen in der Zukunft
zu denken habe. Daß die Fabrik das Kleinhandwerk nicht voll¬
ständig entbehrlich machen kann, ist eine selbstverständliche Sache,
und die Gewerbezähluug von 1876 -- die Ergebnisse der Bernfs-
zcihlnng von 1882 nach dieser Richtung liegen noch nicht vor -- hat denn auch


Grenzboten II. 1885, 24

nur in Verbindung mit dem Slawentum gelehrt und daß Nußland stets als die
große Mutter der Slawen und auch der Wenden dargestellt werde.

So haben sich denn die angeblichen Thatsachen, mit denen jener Artikel
ein so gewaltiges Aufsehen hervorrief, als falsche Annahmen erwiesen, mögen sie
nun Eingebungen einer erhitzten Phantasie oder in böser Absicht ausgestreute
Erdichtungen gewesen sein. Für die Belehrung aber, die uns Jmmisch? Buch
über die Wenden der Lausitz, über ihren Dialekt, dem er den ersten Abschnitt
seiner Schrift widmet, und über ihre Geschieht spendet, wird ihm mancher dankbar
sein, weil es von großem Interesse ist, diese Enklave des Slawentums mitten
uuter deutscher Bevölkerung und mit deutsch-nntivualer Gesinnung näher kennen
zu lernen.

Freilich winde es bedenklich sein, wenn mitten im deutschen Lande ein
fremder Volksstamm mit nationaler Exklusivität seine Sonderbestrebungen aufrecht
erhielte und in diesen Sondcrintcrcssen künstlich verstärkt und unterstützt würde,
namentlich angesichts des immer höher emporwachsenden und alle Lebenskreise
sich dienstbar machenden Nationalitätsprinzips. Denn es könnten immerhin
in näherer oder fernerer Zukunft politische Verhältnisse eintreten, unter denen
die Angehörigen eines solchen isolirten Stammes dem allgemeinen Staatsganzen
gefährlich werden oder doch wenigstens nur nach innerm Kampfe und mit innerm
Widerstreben ihrer Pflicht gegen die Majorität des Volkes eingedenk sein
könnten, während ihre Sympathien vielleicht dem feindliche» Staate und seinem
stammverwandten Volke zugewandt wären. Aber die Bestrebungen um Erforschung
des Volkstums und der Geschichte der Wenden, »in Erhaltung und Belebung
ihrer Sprache, um Sicherung ihrer Sitten und ihrer althergebrachten Sittlichkeit
haben mit derartigen landesverräterischen Bestrebungen im Dienste des ein-
seitigen Nationalitätsprinzips nichts gemein.




Fabrik- und Hausindustrie.

chon oft ist die Frage erörtert worden, wie man sich die Ge¬
staltung der gewerblichen Unternehmungsformen in der Zukunft
zu denken habe. Daß die Fabrik das Kleinhandwerk nicht voll¬
ständig entbehrlich machen kann, ist eine selbstverständliche Sache,
und die Gewerbezähluug von 1876 — die Ergebnisse der Bernfs-
zcihlnng von 1882 nach dieser Richtung liegen noch nicht vor — hat denn auch


Grenzboten II. 1885, 24
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[0190] nur in Verbindung mit dem Slawentum gelehrt und daß Nußland stets als die große Mutter der Slawen und auch der Wenden dargestellt werde. So haben sich denn die angeblichen Thatsachen, mit denen jener Artikel ein so gewaltiges Aufsehen hervorrief, als falsche Annahmen erwiesen, mögen sie nun Eingebungen einer erhitzten Phantasie oder in böser Absicht ausgestreute Erdichtungen gewesen sein. Für die Belehrung aber, die uns Jmmisch? Buch über die Wenden der Lausitz, über ihren Dialekt, dem er den ersten Abschnitt seiner Schrift widmet, und über ihre Geschieht spendet, wird ihm mancher dankbar sein, weil es von großem Interesse ist, diese Enklave des Slawentums mitten uuter deutscher Bevölkerung und mit deutsch-nntivualer Gesinnung näher kennen zu lernen. Freilich winde es bedenklich sein, wenn mitten im deutschen Lande ein fremder Volksstamm mit nationaler Exklusivität seine Sonderbestrebungen aufrecht erhielte und in diesen Sondcrintcrcssen künstlich verstärkt und unterstützt würde, namentlich angesichts des immer höher emporwachsenden und alle Lebenskreise sich dienstbar machenden Nationalitätsprinzips. Denn es könnten immerhin in näherer oder fernerer Zukunft politische Verhältnisse eintreten, unter denen die Angehörigen eines solchen isolirten Stammes dem allgemeinen Staatsganzen gefährlich werden oder doch wenigstens nur nach innerm Kampfe und mit innerm Widerstreben ihrer Pflicht gegen die Majorität des Volkes eingedenk sein könnten, während ihre Sympathien vielleicht dem feindliche» Staate und seinem stammverwandten Volke zugewandt wären. Aber die Bestrebungen um Erforschung des Volkstums und der Geschichte der Wenden, »in Erhaltung und Belebung ihrer Sprache, um Sicherung ihrer Sitten und ihrer althergebrachten Sittlichkeit haben mit derartigen landesverräterischen Bestrebungen im Dienste des ein- seitigen Nationalitätsprinzips nichts gemein. Fabrik- und Hausindustrie. chon oft ist die Frage erörtert worden, wie man sich die Ge¬ staltung der gewerblichen Unternehmungsformen in der Zukunft zu denken habe. Daß die Fabrik das Kleinhandwerk nicht voll¬ ständig entbehrlich machen kann, ist eine selbstverständliche Sache, und die Gewerbezähluug von 1876 — die Ergebnisse der Bernfs- zcihlnng von 1882 nach dieser Richtung liegen noch nicht vor — hat denn auch Grenzboten II. 1885, 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/190>, abgerufen am 22.07.2024.