Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Um eine perle.
Roman von Robert Waldmüller (Ed. Duboc). (Fortsetzung.)

in Morgengrauen bewegte sich die Kavalkade denn nun lang¬
samen Schrittes durch die von uralten Zypressen umsäumte
Straße, welche von der Porta Vescovile, an dem hochgelegenen
Aussichtspunkte -- der jetzigen Terrasse des Giardino Giusti --
vorüber, nach dem ältesten Teile der erinnerungsreichen Stadt
sührt, nach dem Castel San Pietro. Ein Veroneser Hakenschütze stand auf
dem Posten, ein blutjunges, schmuckes Bürschchen, dem die schöne Reiterin
so sehr ins Auge stach, daß er am liebsten selbst ihr aus dem Sattel geholfen
hätte. Principe Buonacolsi, legitimirte sich mit würdevoller Hoheit der Alte-

^ voLt.ro xig-ohre, grüßte der Schütze.

Lazzaro hob Florida aus dem Sattel, und Vater und Tochter begaben
sich Hügelauf. Hier hatte in grauer Borzeit das Capitol Veronas gestanden,
und der alte Buonacolsi belebte in seiner anschaulichen Schilderung des ihm
durch genaue Aufrisse bis ins Einzelne bekannten Ortes den längst mit andern
Baulichkeiten bedeckten Hügel in solchem Grade, daß selbst seine nur erst zer¬
streut ihm zuhörende Tochter die Römerzeit wie in einem farbenbunten Bilde
vor Augen zu haben glaubte. Nicht minder hatte er im Kopfe, was gegen
Plutarchs Annahme sprach, bei Vercelli habe Marius die Cimbern aufs Haupt
geschlagen, statt bei Tomba vor den Thoren Veronas, und auch hier gewann
alles durch die wenigstens scheinbare Sicherheit der örtlichen Nachweise Leben
und Bewegung. In großen Zügen stellte er dann die staunenswerte kriegerische
Bedeutung des Marius, dieses herrischen, aber in seinem rastlosen Thatendrange
bewundernswerter Charakters fest, begleitete ihn nach Aqua Sextiä im römischen
Gallien, wo Marius in zweitägiger Schlacht die mit den Teutonen verbun¬
denen Cimbern vernichtete; folgte ihm auf der Flucht nach Afrika, wo Marius




Um eine perle.
Roman von Robert Waldmüller (Ed. Duboc). (Fortsetzung.)

in Morgengrauen bewegte sich die Kavalkade denn nun lang¬
samen Schrittes durch die von uralten Zypressen umsäumte
Straße, welche von der Porta Vescovile, an dem hochgelegenen
Aussichtspunkte — der jetzigen Terrasse des Giardino Giusti —
vorüber, nach dem ältesten Teile der erinnerungsreichen Stadt
sührt, nach dem Castel San Pietro. Ein Veroneser Hakenschütze stand auf
dem Posten, ein blutjunges, schmuckes Bürschchen, dem die schöne Reiterin
so sehr ins Auge stach, daß er am liebsten selbst ihr aus dem Sattel geholfen
hätte. Principe Buonacolsi, legitimirte sich mit würdevoller Hoheit der Alte-

^ voLt.ro xig-ohre, grüßte der Schütze.

Lazzaro hob Florida aus dem Sattel, und Vater und Tochter begaben
sich Hügelauf. Hier hatte in grauer Borzeit das Capitol Veronas gestanden,
und der alte Buonacolsi belebte in seiner anschaulichen Schilderung des ihm
durch genaue Aufrisse bis ins Einzelne bekannten Ortes den längst mit andern
Baulichkeiten bedeckten Hügel in solchem Grade, daß selbst seine nur erst zer¬
streut ihm zuhörende Tochter die Römerzeit wie in einem farbenbunten Bilde
vor Augen zu haben glaubte. Nicht minder hatte er im Kopfe, was gegen
Plutarchs Annahme sprach, bei Vercelli habe Marius die Cimbern aufs Haupt
geschlagen, statt bei Tomba vor den Thoren Veronas, und auch hier gewann
alles durch die wenigstens scheinbare Sicherheit der örtlichen Nachweise Leben
und Bewegung. In großen Zügen stellte er dann die staunenswerte kriegerische
Bedeutung des Marius, dieses herrischen, aber in seinem rastlosen Thatendrange
bewundernswerter Charakters fest, begleitete ihn nach Aqua Sextiä im römischen
Gallien, wo Marius in zweitägiger Schlacht die mit den Teutonen verbun¬
denen Cimbern vernichtete; folgte ihm auf der Flucht nach Afrika, wo Marius


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0697" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195373"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341841_194675/figures/grenzboten_341841_194675_195373_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Um eine perle.<lb/><note type="byline"> Roman von Robert Waldmüller (Ed. Duboc).</note> (Fortsetzung.)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2667"> in Morgengrauen bewegte sich die Kavalkade denn nun lang¬<lb/>
samen Schrittes durch die von uralten Zypressen umsäumte<lb/>
Straße, welche von der Porta Vescovile, an dem hochgelegenen<lb/>
Aussichtspunkte &#x2014; der jetzigen Terrasse des Giardino Giusti &#x2014;<lb/>
vorüber, nach dem ältesten Teile der erinnerungsreichen Stadt<lb/>
sührt, nach dem Castel San Pietro. Ein Veroneser Hakenschütze stand auf<lb/>
dem Posten, ein blutjunges, schmuckes Bürschchen, dem die schöne Reiterin<lb/>
so sehr ins Auge stach, daß er am liebsten selbst ihr aus dem Sattel geholfen<lb/>
hätte. Principe Buonacolsi, legitimirte sich mit würdevoller Hoheit der Alte-</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2668"> ^ voLt.ro xig-ohre, grüßte der Schütze.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2669" next="#ID_2670"> Lazzaro hob Florida aus dem Sattel, und Vater und Tochter begaben<lb/>
sich Hügelauf. Hier hatte in grauer Borzeit das Capitol Veronas gestanden,<lb/>
und der alte Buonacolsi belebte in seiner anschaulichen Schilderung des ihm<lb/>
durch genaue Aufrisse bis ins Einzelne bekannten Ortes den längst mit andern<lb/>
Baulichkeiten bedeckten Hügel in solchem Grade, daß selbst seine nur erst zer¬<lb/>
streut ihm zuhörende Tochter die Römerzeit wie in einem farbenbunten Bilde<lb/>
vor Augen zu haben glaubte. Nicht minder hatte er im Kopfe, was gegen<lb/>
Plutarchs Annahme sprach, bei Vercelli habe Marius die Cimbern aufs Haupt<lb/>
geschlagen, statt bei Tomba vor den Thoren Veronas, und auch hier gewann<lb/>
alles durch die wenigstens scheinbare Sicherheit der örtlichen Nachweise Leben<lb/>
und Bewegung. In großen Zügen stellte er dann die staunenswerte kriegerische<lb/>
Bedeutung des Marius, dieses herrischen, aber in seinem rastlosen Thatendrange<lb/>
bewundernswerter Charakters fest, begleitete ihn nach Aqua Sextiä im römischen<lb/>
Gallien, wo Marius in zweitägiger Schlacht die mit den Teutonen verbun¬<lb/>
denen Cimbern vernichtete; folgte ihm auf der Flucht nach Afrika, wo Marius</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0697] [Abbildung] Um eine perle. Roman von Robert Waldmüller (Ed. Duboc). (Fortsetzung.) in Morgengrauen bewegte sich die Kavalkade denn nun lang¬ samen Schrittes durch die von uralten Zypressen umsäumte Straße, welche von der Porta Vescovile, an dem hochgelegenen Aussichtspunkte — der jetzigen Terrasse des Giardino Giusti — vorüber, nach dem ältesten Teile der erinnerungsreichen Stadt sührt, nach dem Castel San Pietro. Ein Veroneser Hakenschütze stand auf dem Posten, ein blutjunges, schmuckes Bürschchen, dem die schöne Reiterin so sehr ins Auge stach, daß er am liebsten selbst ihr aus dem Sattel geholfen hätte. Principe Buonacolsi, legitimirte sich mit würdevoller Hoheit der Alte- ^ voLt.ro xig-ohre, grüßte der Schütze. Lazzaro hob Florida aus dem Sattel, und Vater und Tochter begaben sich Hügelauf. Hier hatte in grauer Borzeit das Capitol Veronas gestanden, und der alte Buonacolsi belebte in seiner anschaulichen Schilderung des ihm durch genaue Aufrisse bis ins Einzelne bekannten Ortes den längst mit andern Baulichkeiten bedeckten Hügel in solchem Grade, daß selbst seine nur erst zer¬ streut ihm zuhörende Tochter die Römerzeit wie in einem farbenbunten Bilde vor Augen zu haben glaubte. Nicht minder hatte er im Kopfe, was gegen Plutarchs Annahme sprach, bei Vercelli habe Marius die Cimbern aufs Haupt geschlagen, statt bei Tomba vor den Thoren Veronas, und auch hier gewann alles durch die wenigstens scheinbare Sicherheit der örtlichen Nachweise Leben und Bewegung. In großen Zügen stellte er dann die staunenswerte kriegerische Bedeutung des Marius, dieses herrischen, aber in seinem rastlosen Thatendrange bewundernswerter Charakters fest, begleitete ihn nach Aqua Sextiä im römischen Gallien, wo Marius in zweitägiger Schlacht die mit den Teutonen verbun¬ denen Cimbern vernichtete; folgte ihm auf der Flucht nach Afrika, wo Marius

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/697
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/697>, abgerufen am 12.11.2024.