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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Analekten zur Geschichte der neueren deutschen Kunst.

Auch die kunsthistorischen Studien können nur dann zu wertvollen Re¬
sultaten gelangen, wenn man, wie dies bei der politischen Geschichte schon längst
der Fall ist, den mühevollen, aber sichern Weg der Einzelforschung betritt und
vor allem darnach trachtet, sich in den Besitz aller einschlägigen Quellen zu
setzen. Denn daß authentische Äußerungen der Künstler über ihren Bildungs¬
gang und ihre Bestrebungen wertvoller für die Kunstgeschichte sind, als die
ästhetischen Urteile selbst des trefflichsten Kritikers, bedarf wohl kaum des Be¬
weises. Wir können uns daher nur darüber freuen, daß auch auf kunstgeschicht-
lichen Gebiete durch die Veröffentlichung von Briefen, Tagebüchern und Memoiren
die Summe unsrer Kenntnisse von Tag zu Tag zunimmt, und daß wenigstens
die hervorragenden Künstler einer monographischen Behandlung gewürdigt werden.

Wenn jedoch die Erschließung der Quellen einen Nutzen haben soll, dann
müssen sich diejenigen, welche sich an die Aufgabe eiuer umfassenden Schilde¬
rung der neueren Kunst wagen, auch um die dargebotenen Schätze kümmern
und dürfen nicht mit souveräner Geringschätzung die Beiträge andrer beiseite
liegen lassen. In dieser Beziehung erhebt sich Reder wenig über seinen Mitarbeiter
Pecht. Denn die vor kurzem erschienene zweite Auflage seiner "Geschichte der
neueren deutschen Kunst" verrät eine ähnliche Vernachlässigung der neueren kunst¬
historischen Publikationen, wie sie Pechts Künstlerbiographien eigen ist.*)

Wir glaubten diese Bemerkungen vorausschicken zu müssen, um durch sie
den Standpunkt zu kennzeichnen, von dem aus wir im folgenden einige Find¬
linge zur Geschichte der neueren deutschen Kunst mitzuteilen gedenken. Es sind
nur bescheidene Beiträge, die wir zu liefern in der Lage sind, aber sie haben
den Vorzug der Authentizität und werden deshalb, wie wir hoffen, den
Freunden einer wirklich historisch verfahrenden Knnstbetrachtung nicht unwill¬
kommen sein.

1,. Ein vergessener Brief Ludwig Richters.

Unter all den Künstlern, welche durch ihre Schöpfungen die Wiedergeburt
der deutschen Kunst im Anfange unsers Jahrhunderts herbeigeführt haben, ist
keiner dem deutschen Volke so allgemein bekannt und wert geworden als Ludwig



*) Wir wollen diese Behauptung nicht unbewiesen lassen und einiges hervorheben, was
uns gerade im Gedächtnis ist. Vergeblich haben wir bei Reder eine Erwähnung der so
sorgsam gearbeiteten Biographien in Dvhmes "Kunst und Künstler des neunzehnten Jahr¬
hunderts" gesucht. Bei Reinhart wird jedermann auf das Buch von Otto Balsas, "Reinhart
und seine Kreise" (Leipzig, 1882), bei Cornelius auf Riegels Festschrift einen Hinweis er¬
warten. Für Führich (1883) kommen doch wohl seine Briefe aus Italien in erster Linie in
Betracht. Über Rauchs archäologische Studien und sein Bestreben, sich mit den antiken Bor¬
bildern vertraut zu macheu, hätten seine Briefe an C. A. Böttiger zu Rate gezogen werden
sollen. (Veröffentlicht von R. Boxbcrger in den Jahrbüchern der königl. Akademie gemeinnnütz.
Wissenschaften zu Erfurt, Heft XI.) Auch auf die vier Festreden von Julius Schmorr von
Carvlsfeld (Grenzboten 1382, I, S. 655 -- 662), die als eine Art von Programm der
Münchener Schule gelten können, hätte ein sorgsamer Forscher geachtet.
Analekten zur Geschichte der neueren deutschen Kunst.

Auch die kunsthistorischen Studien können nur dann zu wertvollen Re¬
sultaten gelangen, wenn man, wie dies bei der politischen Geschichte schon längst
der Fall ist, den mühevollen, aber sichern Weg der Einzelforschung betritt und
vor allem darnach trachtet, sich in den Besitz aller einschlägigen Quellen zu
setzen. Denn daß authentische Äußerungen der Künstler über ihren Bildungs¬
gang und ihre Bestrebungen wertvoller für die Kunstgeschichte sind, als die
ästhetischen Urteile selbst des trefflichsten Kritikers, bedarf wohl kaum des Be¬
weises. Wir können uns daher nur darüber freuen, daß auch auf kunstgeschicht-
lichen Gebiete durch die Veröffentlichung von Briefen, Tagebüchern und Memoiren
die Summe unsrer Kenntnisse von Tag zu Tag zunimmt, und daß wenigstens
die hervorragenden Künstler einer monographischen Behandlung gewürdigt werden.

Wenn jedoch die Erschließung der Quellen einen Nutzen haben soll, dann
müssen sich diejenigen, welche sich an die Aufgabe eiuer umfassenden Schilde¬
rung der neueren Kunst wagen, auch um die dargebotenen Schätze kümmern
und dürfen nicht mit souveräner Geringschätzung die Beiträge andrer beiseite
liegen lassen. In dieser Beziehung erhebt sich Reder wenig über seinen Mitarbeiter
Pecht. Denn die vor kurzem erschienene zweite Auflage seiner „Geschichte der
neueren deutschen Kunst" verrät eine ähnliche Vernachlässigung der neueren kunst¬
historischen Publikationen, wie sie Pechts Künstlerbiographien eigen ist.*)

Wir glaubten diese Bemerkungen vorausschicken zu müssen, um durch sie
den Standpunkt zu kennzeichnen, von dem aus wir im folgenden einige Find¬
linge zur Geschichte der neueren deutschen Kunst mitzuteilen gedenken. Es sind
nur bescheidene Beiträge, die wir zu liefern in der Lage sind, aber sie haben
den Vorzug der Authentizität und werden deshalb, wie wir hoffen, den
Freunden einer wirklich historisch verfahrenden Knnstbetrachtung nicht unwill¬
kommen sein.

1,. Ein vergessener Brief Ludwig Richters.

Unter all den Künstlern, welche durch ihre Schöpfungen die Wiedergeburt
der deutschen Kunst im Anfange unsers Jahrhunderts herbeigeführt haben, ist
keiner dem deutschen Volke so allgemein bekannt und wert geworden als Ludwig



*) Wir wollen diese Behauptung nicht unbewiesen lassen und einiges hervorheben, was
uns gerade im Gedächtnis ist. Vergeblich haben wir bei Reder eine Erwähnung der so
sorgsam gearbeiteten Biographien in Dvhmes „Kunst und Künstler des neunzehnten Jahr¬
hunderts" gesucht. Bei Reinhart wird jedermann auf das Buch von Otto Balsas, „Reinhart
und seine Kreise" (Leipzig, 1882), bei Cornelius auf Riegels Festschrift einen Hinweis er¬
warten. Für Führich (1883) kommen doch wohl seine Briefe aus Italien in erster Linie in
Betracht. Über Rauchs archäologische Studien und sein Bestreben, sich mit den antiken Bor¬
bildern vertraut zu macheu, hätten seine Briefe an C. A. Böttiger zu Rate gezogen werden
sollen. (Veröffentlicht von R. Boxbcrger in den Jahrbüchern der königl. Akademie gemeinnnütz.
Wissenschaften zu Erfurt, Heft XI.) Auch auf die vier Festreden von Julius Schmorr von
Carvlsfeld (Grenzboten 1382, I, S. 655 — 662), die als eine Art von Programm der
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/198>, abgerufen am 12.11.2024.