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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Arabische Kriegführung.

jener Gaben innewerden, welche sich nicht durch Lernen erwerben lassen? Wohl
ihnen, wenn sie Resignation genug besitzen, Zeichenlehrer oder Photographen
zu werden und nur in den Freistunden der göttlichen Kunst zu stöhnen! Das
Eine wird niemand in Abrede stellen können, daß die Akademien Pflanzstätten
des Künstlerproletariats sind -- und es braucht hier nicht von neuem hervor¬
gehoben zu werden, ein wie gefährliches Ferment in der heutigen Gesellschaft
die Menschen bilden, welche nicht etwa durch ihre Leistungen, sondern durch
ihre "Bildung" sich zu unerfüllbaren Ansprüchen an das Leben berechtigt
glauben.

Fragen wir uns nur, was die Welt dazu sagen würde, wenn jemand die
Gründung von Staatsschulen für Dichter, wenn er Staatsaufträge forderte,
damit Epiker und Dramatiker zu leben hätten. Und die Poesie gehört doch
nicht minder zu unsern höchsten Gütern, dient ebenso zu unsrer Erhebung und
Erbauung wie die bildende Kunst. Der förmlichen Züchtung bedürfen aber
beide nicht.




Arabische Kriegführung.

encral Graham hat die ihm an Zahl weit überlegenen Scharen
Osman Dignas bei demselben El Teb geschlagen, wo zwei Wochen
vorher Baker Paschas Ägypter dem Ansturme der arabischen
Wüstenkricger schmachvoll unterlagen und zum großen Teile nieder¬
gehauen wurden. Den Rebellen des Sudan ist damit eine Lektion
erteilt worden, und England hat seine Prestige wiederhergestellt. Wie weit, muß
die Zukunft lehren. Für jetzt hat der Sieger nicht wagen können, weiter als
bis Tokar vorzurücken, und nach den letzten Telegrammen hat er sich wieder
nach Trinkitat und von da zur See nach Suakim zurückgezogen, in dessen Nähe
Osman Digna feine Leute zu sammeln bemüht ist.

Auf der Ebene von Teb haben Gegner ihre Kräfte miteinander gemessen,
die so ziemlich in allen Stücken von einander verschieden waren. Auf der einen
Seite focht eine verhältnismäßig kleine Schar britischer Soldaten, die aber
wohlgeübt und mit den besten Waffen versehen waren, und denen auch der
Dampf und die Elektrizität als Kriegswerkzeuge zur Verfügung standen. Ans
der andern Seite sah man einen Schwarm von Halbwilden sich tummeln, mus¬
limische Fanatiker, Leute ohne militärische Zucht und Übung, großenteils nur
mit dem historischen Speer und Schild ihrer Rasse ausgerüstet, die sich in der


Grenzboten I. 1884. 78
Arabische Kriegführung.

jener Gaben innewerden, welche sich nicht durch Lernen erwerben lassen? Wohl
ihnen, wenn sie Resignation genug besitzen, Zeichenlehrer oder Photographen
zu werden und nur in den Freistunden der göttlichen Kunst zu stöhnen! Das
Eine wird niemand in Abrede stellen können, daß die Akademien Pflanzstätten
des Künstlerproletariats sind — und es braucht hier nicht von neuem hervor¬
gehoben zu werden, ein wie gefährliches Ferment in der heutigen Gesellschaft
die Menschen bilden, welche nicht etwa durch ihre Leistungen, sondern durch
ihre „Bildung" sich zu unerfüllbaren Ansprüchen an das Leben berechtigt
glauben.

Fragen wir uns nur, was die Welt dazu sagen würde, wenn jemand die
Gründung von Staatsschulen für Dichter, wenn er Staatsaufträge forderte,
damit Epiker und Dramatiker zu leben hätten. Und die Poesie gehört doch
nicht minder zu unsern höchsten Gütern, dient ebenso zu unsrer Erhebung und
Erbauung wie die bildende Kunst. Der förmlichen Züchtung bedürfen aber
beide nicht.




Arabische Kriegführung.

encral Graham hat die ihm an Zahl weit überlegenen Scharen
Osman Dignas bei demselben El Teb geschlagen, wo zwei Wochen
vorher Baker Paschas Ägypter dem Ansturme der arabischen
Wüstenkricger schmachvoll unterlagen und zum großen Teile nieder¬
gehauen wurden. Den Rebellen des Sudan ist damit eine Lektion
erteilt worden, und England hat seine Prestige wiederhergestellt. Wie weit, muß
die Zukunft lehren. Für jetzt hat der Sieger nicht wagen können, weiter als
bis Tokar vorzurücken, und nach den letzten Telegrammen hat er sich wieder
nach Trinkitat und von da zur See nach Suakim zurückgezogen, in dessen Nähe
Osman Digna feine Leute zu sammeln bemüht ist.

Auf der Ebene von Teb haben Gegner ihre Kräfte miteinander gemessen,
die so ziemlich in allen Stücken von einander verschieden waren. Auf der einen
Seite focht eine verhältnismäßig kleine Schar britischer Soldaten, die aber
wohlgeübt und mit den besten Waffen versehen waren, und denen auch der
Dampf und die Elektrizität als Kriegswerkzeuge zur Verfügung standen. Ans
der andern Seite sah man einen Schwarm von Halbwilden sich tummeln, mus¬
limische Fanatiker, Leute ohne militärische Zucht und Übung, großenteils nur
mit dem historischen Speer und Schild ihrer Rasse ausgerüstet, die sich in der


Grenzboten I. 1884. 78
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[0627] Arabische Kriegführung. jener Gaben innewerden, welche sich nicht durch Lernen erwerben lassen? Wohl ihnen, wenn sie Resignation genug besitzen, Zeichenlehrer oder Photographen zu werden und nur in den Freistunden der göttlichen Kunst zu stöhnen! Das Eine wird niemand in Abrede stellen können, daß die Akademien Pflanzstätten des Künstlerproletariats sind — und es braucht hier nicht von neuem hervor¬ gehoben zu werden, ein wie gefährliches Ferment in der heutigen Gesellschaft die Menschen bilden, welche nicht etwa durch ihre Leistungen, sondern durch ihre „Bildung" sich zu unerfüllbaren Ansprüchen an das Leben berechtigt glauben. Fragen wir uns nur, was die Welt dazu sagen würde, wenn jemand die Gründung von Staatsschulen für Dichter, wenn er Staatsaufträge forderte, damit Epiker und Dramatiker zu leben hätten. Und die Poesie gehört doch nicht minder zu unsern höchsten Gütern, dient ebenso zu unsrer Erhebung und Erbauung wie die bildende Kunst. Der förmlichen Züchtung bedürfen aber beide nicht. Arabische Kriegführung. encral Graham hat die ihm an Zahl weit überlegenen Scharen Osman Dignas bei demselben El Teb geschlagen, wo zwei Wochen vorher Baker Paschas Ägypter dem Ansturme der arabischen Wüstenkricger schmachvoll unterlagen und zum großen Teile nieder¬ gehauen wurden. Den Rebellen des Sudan ist damit eine Lektion erteilt worden, und England hat seine Prestige wiederhergestellt. Wie weit, muß die Zukunft lehren. Für jetzt hat der Sieger nicht wagen können, weiter als bis Tokar vorzurücken, und nach den letzten Telegrammen hat er sich wieder nach Trinkitat und von da zur See nach Suakim zurückgezogen, in dessen Nähe Osman Digna feine Leute zu sammeln bemüht ist. Auf der Ebene von Teb haben Gegner ihre Kräfte miteinander gemessen, die so ziemlich in allen Stücken von einander verschieden waren. Auf der einen Seite focht eine verhältnismäßig kleine Schar britischer Soldaten, die aber wohlgeübt und mit den besten Waffen versehen waren, und denen auch der Dampf und die Elektrizität als Kriegswerkzeuge zur Verfügung standen. Ans der andern Seite sah man einen Schwarm von Halbwilden sich tummeln, mus¬ limische Fanatiker, Leute ohne militärische Zucht und Übung, großenteils nur mit dem historischen Speer und Schild ihrer Rasse ausgerüstet, die sich in der Grenzboten I. 1884. 78

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/627>, abgerufen am 27.06.2024.