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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Auf der Leiter des Glücks.
Robort Waldmüller (Gd. Duboc). Novelle von
Erstes Aapitel.

eilige Leute sind der Meinung, daß sie dort stehen, wo sie eigent¬
lich stehen sollten. Ich kannte in Rom einen Maler, der eine
Leidenschaft für das Verfertiger von Damenhüten hatte. Das
wäre mein Beruf gewesen! pflegte er zu seufzen; ihr lobt meine
Bilder, aber der Schwerpunkt meiner Begabung liegt anderswo.
Ich kannte in London einen Dichter. Mehrere seiner Bücher mußten jährlich
neu aufgelegt werden. Er lebte in lauter Poesie. Bei alledem, pflegte er zu
sagen, habe ich meinen Beruf verfehlt. Ich darf in gar keine Handelszeituug
blicken. Dieses Hin- und Herfluten von Erzeugnissen des menschlichen Fleißes!
Dieses Kommen und Gehen der Schiffe unter den Flaggen aller denkbaren
Nationen! Dieser rastlose, weltumspannende Verkehr! Kaufmann hätte ich werden
müssen. Es ist eine Sünde und Schande um das Festgeber im Ergreifen der
Lebensthätigkeit. Ich kannte in Paris einen beliebten Arzt. Er hatte ein
Landhaus unweit der Marne. Sein Obstgarten erfreute sich unter den Pomo-
lvgen eines sehr günstigen Rufes, mehr fast noch unter den kleinen Barfüßlern
der Umgegend. Aber selten erntete er mehr als ein winziges Bruchteil seiner
Lese. Er war, wie er selbst zu klagen Pflegte, auf den sogenannten Zehnten
gesetzt. Als ich einst zufällig bei einem solchen Ausplündern seines Gartens
dazugekommen und so glücklich gewesen war, einen der kecksten Schlingel zu er¬
wischen, hielt mein Freund ihm eine Strafpredigt, schenkte ihm dann aber zu
dem Raube, der aus beiden Hosentaschen herausguckte, noch einen saftigen Pfirsich.
Dieser Menschenfreund hatte die fixe Idee, in ihm sei der Welt ein Kriminalist
ersten Ranges verloren gegangen.

Wenn diese drei Sonderlinge nach ihrer Meinung nicht auf dem rechten
Platze im Leben standen, so hatte das Ehepaar, von welchem in den nachfolgenden




Auf der Leiter des Glücks.
Robort Waldmüller (Gd. Duboc). Novelle von
Erstes Aapitel.

eilige Leute sind der Meinung, daß sie dort stehen, wo sie eigent¬
lich stehen sollten. Ich kannte in Rom einen Maler, der eine
Leidenschaft für das Verfertiger von Damenhüten hatte. Das
wäre mein Beruf gewesen! pflegte er zu seufzen; ihr lobt meine
Bilder, aber der Schwerpunkt meiner Begabung liegt anderswo.
Ich kannte in London einen Dichter. Mehrere seiner Bücher mußten jährlich
neu aufgelegt werden. Er lebte in lauter Poesie. Bei alledem, pflegte er zu
sagen, habe ich meinen Beruf verfehlt. Ich darf in gar keine Handelszeituug
blicken. Dieses Hin- und Herfluten von Erzeugnissen des menschlichen Fleißes!
Dieses Kommen und Gehen der Schiffe unter den Flaggen aller denkbaren
Nationen! Dieser rastlose, weltumspannende Verkehr! Kaufmann hätte ich werden
müssen. Es ist eine Sünde und Schande um das Festgeber im Ergreifen der
Lebensthätigkeit. Ich kannte in Paris einen beliebten Arzt. Er hatte ein
Landhaus unweit der Marne. Sein Obstgarten erfreute sich unter den Pomo-
lvgen eines sehr günstigen Rufes, mehr fast noch unter den kleinen Barfüßlern
der Umgegend. Aber selten erntete er mehr als ein winziges Bruchteil seiner
Lese. Er war, wie er selbst zu klagen Pflegte, auf den sogenannten Zehnten
gesetzt. Als ich einst zufällig bei einem solchen Ausplündern seines Gartens
dazugekommen und so glücklich gewesen war, einen der kecksten Schlingel zu er¬
wischen, hielt mein Freund ihm eine Strafpredigt, schenkte ihm dann aber zu
dem Raube, der aus beiden Hosentaschen herausguckte, noch einen saftigen Pfirsich.
Dieser Menschenfreund hatte die fixe Idee, in ihm sei der Welt ein Kriminalist
ersten Ranges verloren gegangen.

Wenn diese drei Sonderlinge nach ihrer Meinung nicht auf dem rechten
Platze im Leben standen, so hatte das Ehepaar, von welchem in den nachfolgenden


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[0053] [Abbildung] Auf der Leiter des Glücks. Robort Waldmüller (Gd. Duboc). Novelle von Erstes Aapitel. eilige Leute sind der Meinung, daß sie dort stehen, wo sie eigent¬ lich stehen sollten. Ich kannte in Rom einen Maler, der eine Leidenschaft für das Verfertiger von Damenhüten hatte. Das wäre mein Beruf gewesen! pflegte er zu seufzen; ihr lobt meine Bilder, aber der Schwerpunkt meiner Begabung liegt anderswo. Ich kannte in London einen Dichter. Mehrere seiner Bücher mußten jährlich neu aufgelegt werden. Er lebte in lauter Poesie. Bei alledem, pflegte er zu sagen, habe ich meinen Beruf verfehlt. Ich darf in gar keine Handelszeituug blicken. Dieses Hin- und Herfluten von Erzeugnissen des menschlichen Fleißes! Dieses Kommen und Gehen der Schiffe unter den Flaggen aller denkbaren Nationen! Dieser rastlose, weltumspannende Verkehr! Kaufmann hätte ich werden müssen. Es ist eine Sünde und Schande um das Festgeber im Ergreifen der Lebensthätigkeit. Ich kannte in Paris einen beliebten Arzt. Er hatte ein Landhaus unweit der Marne. Sein Obstgarten erfreute sich unter den Pomo- lvgen eines sehr günstigen Rufes, mehr fast noch unter den kleinen Barfüßlern der Umgegend. Aber selten erntete er mehr als ein winziges Bruchteil seiner Lese. Er war, wie er selbst zu klagen Pflegte, auf den sogenannten Zehnten gesetzt. Als ich einst zufällig bei einem solchen Ausplündern seines Gartens dazugekommen und so glücklich gewesen war, einen der kecksten Schlingel zu er¬ wischen, hielt mein Freund ihm eine Strafpredigt, schenkte ihm dann aber zu dem Raube, der aus beiden Hosentaschen herausguckte, noch einen saftigen Pfirsich. Dieser Menschenfreund hatte die fixe Idee, in ihm sei der Welt ein Kriminalist ersten Ranges verloren gegangen. Wenn diese drei Sonderlinge nach ihrer Meinung nicht auf dem rechten Platze im Leben standen, so hatte das Ehepaar, von welchem in den nachfolgenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/53>, abgerufen am 03.07.2024.