Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.Notizen. Verständnis für die Erhabenheit, Reinheit und Uneigennützigkeit der christlichen Sollen wir diesen Prozeß beklagen? Wir meinen nicht. Der Islam ist keine Nur für die Europäer, namentlich für die Erforscher Afrikas, hat sich die Der Weg nach Chartum. Die folgenden Mitteilungen werden willkommen Korosko, ungefähr in der Mitte zwischen Assuan, am ersten, und Wadi Notizen. Verständnis für die Erhabenheit, Reinheit und Uneigennützigkeit der christlichen Sollen wir diesen Prozeß beklagen? Wir meinen nicht. Der Islam ist keine Nur für die Europäer, namentlich für die Erforscher Afrikas, hat sich die Der Weg nach Chartum. Die folgenden Mitteilungen werden willkommen Korosko, ungefähr in der Mitte zwischen Assuan, am ersten, und Wadi <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0484" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155367"/> <fw type="header" place="top"> Notizen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1951" prev="#ID_1950"> Verständnis für die Erhabenheit, Reinheit und Uneigennützigkeit der christlichen<lb/> Lehre und Moral schwer fällt oder ganz abgeht, während ihr sinnliches Wesen sie<lb/> recht wohl für den Islam eignet, der ja die Freuden der Welt in potenzirtein<lb/> Maße in den Himmel verpflanzt. So ist es nicht überraschend, daß die katho¬<lb/> lischen und protestantischen Missionäre unter den Negern im Becken des Rio Grande<lb/> keine Geschäfte von Belang machen, während die Apostel des Islam bereits den<lb/> größten Teil des bekannten westlichen Sudan für ihren Glauben erobert haben.<lb/> „Vielleicht ist, sagt der Verfasser unsers Riesenwerkes, die Zeit nicht mehr fern,<lb/> in welcher nicht nur Nordafrika, sondern mich die größere Hälfte des Südens dieses<lb/> Erdteils die Lehre Muhameds angenommen haben wird."</p><lb/> <p xml:id="ID_1952"> Sollen wir diesen Prozeß beklagen? Wir meinen nicht. Der Islam ist keine<lb/> so hehre und tiefe Religion wie das Christentum, aber immerhin ist nicht in Ab¬<lb/> rede zu stellen, daß er veredelnd auf die Negerstämme wirkt, die ihn annehmen,<lb/> und daß mit den muslimischen Glaubensboten eine höhere Bildung, menschlicheres<lb/> Empfinden und sittlicher Geist neben Industrie, Handel und besserer Regierungs¬<lb/> weise bei den heidnischen Völkerschaften ihren Einzug halten. „Wir sehen, wie<lb/> Stämme, die auf dem tiefsten Niveau der Kultur stehen, dadurch allmählich zu sitt¬<lb/> samen, aufgeklärten und wohlhabenden Menschen werden. Der Aberglaube und die<lb/> scheußlichen Gewohnheiten ihrer Tyrannen, welche nicht selten Hekatomben von<lb/> Leichen der Laune eines Moments zum Opfer brachten, verschwinden, und mehr ge¬<lb/> setzliche, gerechtere Sitten und Bräuche greifen Platz. Wie würdig stehen die Fullahs<lb/> mit ihrer ernsten, strengen Lebensanschauung den vergnügungssüchtigen, halb tie¬<lb/> rischen Nigritiern gegenüber!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1953"> Nur für die Europäer, namentlich für die Erforscher Afrikas, hat sich die<lb/> Situation infolge des Umsichgreifens des Islam im Sudan weniger erfreulich ge¬<lb/> staltet als früher; denn der mnhamcdcinische Neger ist dem in sein Land eindrin¬<lb/> genden Christen gegenüber unstreitig fanatischer und mißtrauischer als der durch<lb/> Geschenke leicht freundlich zu stimmende heidnische, und nur ganz ausnahmsweise<lb/> werden Europäer in solchen streng islamitischen Ländern von der Bevölkerung wohl<lb/> aufgenommen werden.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Der Weg nach Chartum.</head> <p xml:id="ID_1954"> Die folgenden Mitteilungen werden willkommen<lb/> sein, da sie die Situation im Sudan und die letzten dortigen Vorfälle, die Reise<lb/> Gordons, die Modalitäten der Wegschaffung der in Chartum wohnenden Europäer<lb/> n. dergl. beleuchte». Die genannte Stadt ist das Zentrum des gesamten Handels<lb/> und Verkehrs auf den beiden großen Zwillingsstrvmen des Sudan, dem Bachr el<lb/> Abiad oder weißen Nil und dem Bachr el Azrak oder blauen Nil. Von diesem<lb/> Zentrum aus gehen zwei Hauptstraßen aus Jnnerafrika nach der Außenwelt- eine<lb/> stromabwärts nach Berber und von da nach Sncikin am Roten Meere, und eine,<lb/> welche zunächst dem Flusse weiter bis nach Abu Hamed folgt, dann die Atmnr-<lb/> Wüste durchschneidet und zuletzt von Korosko wieder am Nile hinführt. Die letztere<lb/> vermeidet die vier Katarakte und die nach Westen gehende große Windung des<lb/> Stromes zwischen Korosko und Berber.</p><lb/> <p xml:id="ID_1955" next="#ID_1956"> Korosko, ungefähr in der Mitte zwischen Assuan, am ersten, und Wadi<lb/> Halfa, am zweiten Katarakt des Nil, gelegen, ist nur eine Gruppe ärmlicher Lehm¬<lb/> hütten auf einem weitgedehnten Sand- und Staubfelde, der lediglich das unablässige<lb/> Ankommen und Abgehen von Karawanen einiges Leben verleiht. Doch ist es<lb/> keineswegs ohne malerische Reize, denn am Wasser befinden sich üppige Palmen¬<lb/> haine und im Süden besäumt ein Felsenwall die Wüste, der namentlich des Abends</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0484]
Notizen.
Verständnis für die Erhabenheit, Reinheit und Uneigennützigkeit der christlichen
Lehre und Moral schwer fällt oder ganz abgeht, während ihr sinnliches Wesen sie
recht wohl für den Islam eignet, der ja die Freuden der Welt in potenzirtein
Maße in den Himmel verpflanzt. So ist es nicht überraschend, daß die katho¬
lischen und protestantischen Missionäre unter den Negern im Becken des Rio Grande
keine Geschäfte von Belang machen, während die Apostel des Islam bereits den
größten Teil des bekannten westlichen Sudan für ihren Glauben erobert haben.
„Vielleicht ist, sagt der Verfasser unsers Riesenwerkes, die Zeit nicht mehr fern,
in welcher nicht nur Nordafrika, sondern mich die größere Hälfte des Südens dieses
Erdteils die Lehre Muhameds angenommen haben wird."
Sollen wir diesen Prozeß beklagen? Wir meinen nicht. Der Islam ist keine
so hehre und tiefe Religion wie das Christentum, aber immerhin ist nicht in Ab¬
rede zu stellen, daß er veredelnd auf die Negerstämme wirkt, die ihn annehmen,
und daß mit den muslimischen Glaubensboten eine höhere Bildung, menschlicheres
Empfinden und sittlicher Geist neben Industrie, Handel und besserer Regierungs¬
weise bei den heidnischen Völkerschaften ihren Einzug halten. „Wir sehen, wie
Stämme, die auf dem tiefsten Niveau der Kultur stehen, dadurch allmählich zu sitt¬
samen, aufgeklärten und wohlhabenden Menschen werden. Der Aberglaube und die
scheußlichen Gewohnheiten ihrer Tyrannen, welche nicht selten Hekatomben von
Leichen der Laune eines Moments zum Opfer brachten, verschwinden, und mehr ge¬
setzliche, gerechtere Sitten und Bräuche greifen Platz. Wie würdig stehen die Fullahs
mit ihrer ernsten, strengen Lebensanschauung den vergnügungssüchtigen, halb tie¬
rischen Nigritiern gegenüber!"
Nur für die Europäer, namentlich für die Erforscher Afrikas, hat sich die
Situation infolge des Umsichgreifens des Islam im Sudan weniger erfreulich ge¬
staltet als früher; denn der mnhamcdcinische Neger ist dem in sein Land eindrin¬
genden Christen gegenüber unstreitig fanatischer und mißtrauischer als der durch
Geschenke leicht freundlich zu stimmende heidnische, und nur ganz ausnahmsweise
werden Europäer in solchen streng islamitischen Ländern von der Bevölkerung wohl
aufgenommen werden.
Der Weg nach Chartum. Die folgenden Mitteilungen werden willkommen
sein, da sie die Situation im Sudan und die letzten dortigen Vorfälle, die Reise
Gordons, die Modalitäten der Wegschaffung der in Chartum wohnenden Europäer
n. dergl. beleuchte». Die genannte Stadt ist das Zentrum des gesamten Handels
und Verkehrs auf den beiden großen Zwillingsstrvmen des Sudan, dem Bachr el
Abiad oder weißen Nil und dem Bachr el Azrak oder blauen Nil. Von diesem
Zentrum aus gehen zwei Hauptstraßen aus Jnnerafrika nach der Außenwelt- eine
stromabwärts nach Berber und von da nach Sncikin am Roten Meere, und eine,
welche zunächst dem Flusse weiter bis nach Abu Hamed folgt, dann die Atmnr-
Wüste durchschneidet und zuletzt von Korosko wieder am Nile hinführt. Die letztere
vermeidet die vier Katarakte und die nach Westen gehende große Windung des
Stromes zwischen Korosko und Berber.
Korosko, ungefähr in der Mitte zwischen Assuan, am ersten, und Wadi
Halfa, am zweiten Katarakt des Nil, gelegen, ist nur eine Gruppe ärmlicher Lehm¬
hütten auf einem weitgedehnten Sand- und Staubfelde, der lediglich das unablässige
Ankommen und Abgehen von Karawanen einiges Leben verleiht. Doch ist es
keineswegs ohne malerische Reize, denn am Wasser befinden sich üppige Palmen¬
haine und im Süden besäumt ein Felsenwall die Wüste, der namentlich des Abends
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