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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Auf der Leiter des Glücks.
N Robert Valdmüller (Ld. Duboc). ovelle von(Fortsetzung,)

ehe Tage später kehrte Frau von Mockritz aus dem Seebade zurück.
Sie gehörte zu jenen distinguirten Erscheinungen, bei denen so¬
viel schöner Anstand und soviel wohlthuender Weltschliff das erste
Wort haben, daß mir sehr anspruchsvolle Gemüter die Frage
auswerfen: Hat diese liebenswürdige Person auch Herz?
Solcher Superiorität gegenüber hätten weder Frau Anna noch der Fa¬
brikant, wenn sie wegen des lange vorenthaltenen Konsenses etwa zu Schmölle"
geneigt gewesen wären, sich zu behaupten vermocht. Möglich, daß dies Bewußt¬
sein keinem von beiden deutlich wurde. Jedenfalls betrat Frau von Mockritz
an der Seite ihrer rosigen und wie immer herzgewinnend zutraulichen Tochter
die Villa Anna nicht sobald, als auch schon eitel Freude und Befriedigung sich
des alten Ehepaares bemächtigten und das letzte nnßmntigc Wölkchen in Dunst
aufging.

Daß Berthold nicht zu Hause war, um seinen Antrag endlich mündlich
wiederholen zu können, that jetzt nichts zur Sache. Im Gegenteil. Wenn das
Herkommen beobachtet werden sollte, so war ja das Haus der Frau von Mockritz
der Ort, wo er "im Geleit seines lieben Herrn Baders" seine Werbung anzu¬
bringen hatte. Das konnte nun am nächsten Vormittage geschehen -- etwa um
die Zeit des zweiten Frühstücks, prcizisirte Frau von Mockritz die Audienzstunde.
In einem Nebcnzimmergespräch streifte Frau von Mockritz dann noch flüchtig
den "verdrießlichen Vorfall mit den Hunden," eine Geschichte, die bis in das
Winkelblättchen des Seebades gedrungen sei, und über die Frau von Mockritz
ihrer Hermione deun auch den Text gelesen habe. Schon die Vormittags¬
visiten, sagte sie, wären ohne Zweifel besser unterblieben. Aber, mon äisu!
es ist freilich einem natürlich empfindenden Mädchen zu verzeihe", wenn sie




Auf der Leiter des Glücks.
N Robert Valdmüller (Ld. Duboc). ovelle von(Fortsetzung,)

ehe Tage später kehrte Frau von Mockritz aus dem Seebade zurück.
Sie gehörte zu jenen distinguirten Erscheinungen, bei denen so¬
viel schöner Anstand und soviel wohlthuender Weltschliff das erste
Wort haben, daß mir sehr anspruchsvolle Gemüter die Frage
auswerfen: Hat diese liebenswürdige Person auch Herz?
Solcher Superiorität gegenüber hätten weder Frau Anna noch der Fa¬
brikant, wenn sie wegen des lange vorenthaltenen Konsenses etwa zu Schmölle»
geneigt gewesen wären, sich zu behaupten vermocht. Möglich, daß dies Bewußt¬
sein keinem von beiden deutlich wurde. Jedenfalls betrat Frau von Mockritz
an der Seite ihrer rosigen und wie immer herzgewinnend zutraulichen Tochter
die Villa Anna nicht sobald, als auch schon eitel Freude und Befriedigung sich
des alten Ehepaares bemächtigten und das letzte nnßmntigc Wölkchen in Dunst
aufging.

Daß Berthold nicht zu Hause war, um seinen Antrag endlich mündlich
wiederholen zu können, that jetzt nichts zur Sache. Im Gegenteil. Wenn das
Herkommen beobachtet werden sollte, so war ja das Haus der Frau von Mockritz
der Ort, wo er „im Geleit seines lieben Herrn Baders" seine Werbung anzu¬
bringen hatte. Das konnte nun am nächsten Vormittage geschehen — etwa um
die Zeit des zweiten Frühstücks, prcizisirte Frau von Mockritz die Audienzstunde.
In einem Nebcnzimmergespräch streifte Frau von Mockritz dann noch flüchtig
den „verdrießlichen Vorfall mit den Hunden," eine Geschichte, die bis in das
Winkelblättchen des Seebades gedrungen sei, und über die Frau von Mockritz
ihrer Hermione deun auch den Text gelesen habe. Schon die Vormittags¬
visiten, sagte sie, wären ohne Zweifel besser unterblieben. Aber, mon äisu!
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[0368] [Abbildung] Auf der Leiter des Glücks. N Robert Valdmüller (Ld. Duboc). ovelle von(Fortsetzung,) ehe Tage später kehrte Frau von Mockritz aus dem Seebade zurück. Sie gehörte zu jenen distinguirten Erscheinungen, bei denen so¬ viel schöner Anstand und soviel wohlthuender Weltschliff das erste Wort haben, daß mir sehr anspruchsvolle Gemüter die Frage auswerfen: Hat diese liebenswürdige Person auch Herz? Solcher Superiorität gegenüber hätten weder Frau Anna noch der Fa¬ brikant, wenn sie wegen des lange vorenthaltenen Konsenses etwa zu Schmölle» geneigt gewesen wären, sich zu behaupten vermocht. Möglich, daß dies Bewußt¬ sein keinem von beiden deutlich wurde. Jedenfalls betrat Frau von Mockritz an der Seite ihrer rosigen und wie immer herzgewinnend zutraulichen Tochter die Villa Anna nicht sobald, als auch schon eitel Freude und Befriedigung sich des alten Ehepaares bemächtigten und das letzte nnßmntigc Wölkchen in Dunst aufging. Daß Berthold nicht zu Hause war, um seinen Antrag endlich mündlich wiederholen zu können, that jetzt nichts zur Sache. Im Gegenteil. Wenn das Herkommen beobachtet werden sollte, so war ja das Haus der Frau von Mockritz der Ort, wo er „im Geleit seines lieben Herrn Baders" seine Werbung anzu¬ bringen hatte. Das konnte nun am nächsten Vormittage geschehen — etwa um die Zeit des zweiten Frühstücks, prcizisirte Frau von Mockritz die Audienzstunde. In einem Nebcnzimmergespräch streifte Frau von Mockritz dann noch flüchtig den „verdrießlichen Vorfall mit den Hunden," eine Geschichte, die bis in das Winkelblättchen des Seebades gedrungen sei, und über die Frau von Mockritz ihrer Hermione deun auch den Text gelesen habe. Schon die Vormittags¬ visiten, sagte sie, wären ohne Zweifel besser unterblieben. Aber, mon äisu! es ist freilich einem natürlich empfindenden Mädchen zu verzeihe», wenn sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/368>, abgerufen am 27.06.2024.