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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die Praxis der deutschen Feuerversicherungsgesellschaften.

der Polen und Tschechen doch eines deutlich hervortritt: sie hassen das Deutsche,
weil sie in demselben eine der stärksten Klammern, welche das österreichische
Staatsgebäude zusammenhalten, erkennen. Rieger nannte die Kaiserin Maria
Theresia eine achtungswerte Dame: das Wort Kaiserin wollte nicht über seine
Lippen. Das ist es! Der Kaiser von Österreich soll sich wieder in den König
von Ungarn und Böhmen (wozu vorläufig noch Galizien kommen würde) ver¬
wandeln und in einem Kriegsfalle von den getreuen Stände" der verschiednen
Länder Hilfe erbitten.




Die Praxis der deutschen jeuerversicherungsgesell-
schaften.

as Reskript des Reichskanzlers an die Oberpräsidenten vom 19.
März vorigen Jahres betreffs der Feuerversicherungsgesellschaften
hat die Kreise derselben in eine hochgradige Aufregung versetzt,
welche lebhaft an die der Drohnen im Bienenstock kurz vor dem
Tage der ihnen bevorstehenden Schlacht erinnert. Aber auch im
Volke ist das Bewußtsein der eminenten Bedeutung des Versicherungswesens
durch das Reskript geweckt worden, es hat den Sinn des Volkes auf Änderung
und Besserung der in diesem Geschäfte herrschenden Zustände hingelenkt.

Fast alle Gesellschaften haben teils einzeln für sich, teils im Verbände mit
Kolleginnen Repliken auf das Reskript erlassen und versucht, die ihnen darin
gemachten Vorwürfe der zu hohen Prämien und uicht koulanter Schadenregu-
liruug und des aus beiden Ursachen entspringenden hohen Gewinnes zu wider¬
legen. Mit wenig Glück, wie uns scheint. Der vom Reichskanzler be¬
tonte hohe Gewinn soll nach diesen Repliken ein schwerer Irrtum sein, und um
den geringen Nutzen zu beweisen, mit dem die Gesellschaften angeblich arbeiten,
suchen die Repliken die unlohnende" Resultate und die Verluste der kleinen Ge¬
sellschaften, anch die Kapitalverluste der bankerotten oder in Liquidation ge¬
gangenen Kompagnien mit den Gewinnen der großen Anstalten in einen Topf
zu werfen, um so den möglichst kleinen Durchschnitt zu erhalten. Ferner wird
mit ängstlicher Genauigkeit der Überschuß der Prämieneinnahmen und der Zinsen
der Reservefonds auseinander geklaubt, um die niedrigen Prämien und das un-
lohnende Geschäft aä youlos zu demonstriren. Letzteres ist ihnen nicht gelungen,
beide Methoden der Beweisführung sind falsch. Durch unrichtige Spekulationen
kann der mit dem lukrativsten Handelsartikel arbeitende Kcmfman" zu Grunde


Die Praxis der deutschen Feuerversicherungsgesellschaften.

der Polen und Tschechen doch eines deutlich hervortritt: sie hassen das Deutsche,
weil sie in demselben eine der stärksten Klammern, welche das österreichische
Staatsgebäude zusammenhalten, erkennen. Rieger nannte die Kaiserin Maria
Theresia eine achtungswerte Dame: das Wort Kaiserin wollte nicht über seine
Lippen. Das ist es! Der Kaiser von Österreich soll sich wieder in den König
von Ungarn und Böhmen (wozu vorläufig noch Galizien kommen würde) ver¬
wandeln und in einem Kriegsfalle von den getreuen Stände» der verschiednen
Länder Hilfe erbitten.




Die Praxis der deutschen jeuerversicherungsgesell-
schaften.

as Reskript des Reichskanzlers an die Oberpräsidenten vom 19.
März vorigen Jahres betreffs der Feuerversicherungsgesellschaften
hat die Kreise derselben in eine hochgradige Aufregung versetzt,
welche lebhaft an die der Drohnen im Bienenstock kurz vor dem
Tage der ihnen bevorstehenden Schlacht erinnert. Aber auch im
Volke ist das Bewußtsein der eminenten Bedeutung des Versicherungswesens
durch das Reskript geweckt worden, es hat den Sinn des Volkes auf Änderung
und Besserung der in diesem Geschäfte herrschenden Zustände hingelenkt.

Fast alle Gesellschaften haben teils einzeln für sich, teils im Verbände mit
Kolleginnen Repliken auf das Reskript erlassen und versucht, die ihnen darin
gemachten Vorwürfe der zu hohen Prämien und uicht koulanter Schadenregu-
liruug und des aus beiden Ursachen entspringenden hohen Gewinnes zu wider¬
legen. Mit wenig Glück, wie uns scheint. Der vom Reichskanzler be¬
tonte hohe Gewinn soll nach diesen Repliken ein schwerer Irrtum sein, und um
den geringen Nutzen zu beweisen, mit dem die Gesellschaften angeblich arbeiten,
suchen die Repliken die unlohnende» Resultate und die Verluste der kleinen Ge¬
sellschaften, anch die Kapitalverluste der bankerotten oder in Liquidation ge¬
gangenen Kompagnien mit den Gewinnen der großen Anstalten in einen Topf
zu werfen, um so den möglichst kleinen Durchschnitt zu erhalten. Ferner wird
mit ängstlicher Genauigkeit der Überschuß der Prämieneinnahmen und der Zinsen
der Reservefonds auseinander geklaubt, um die niedrigen Prämien und das un-
lohnende Geschäft aä youlos zu demonstriren. Letzteres ist ihnen nicht gelungen,
beide Methoden der Beweisführung sind falsch. Durch unrichtige Spekulationen
kann der mit dem lukrativsten Handelsartikel arbeitende Kcmfman» zu Grunde


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[0336] Die Praxis der deutschen Feuerversicherungsgesellschaften. der Polen und Tschechen doch eines deutlich hervortritt: sie hassen das Deutsche, weil sie in demselben eine der stärksten Klammern, welche das österreichische Staatsgebäude zusammenhalten, erkennen. Rieger nannte die Kaiserin Maria Theresia eine achtungswerte Dame: das Wort Kaiserin wollte nicht über seine Lippen. Das ist es! Der Kaiser von Österreich soll sich wieder in den König von Ungarn und Böhmen (wozu vorläufig noch Galizien kommen würde) ver¬ wandeln und in einem Kriegsfalle von den getreuen Stände» der verschiednen Länder Hilfe erbitten. Die Praxis der deutschen jeuerversicherungsgesell- schaften. as Reskript des Reichskanzlers an die Oberpräsidenten vom 19. März vorigen Jahres betreffs der Feuerversicherungsgesellschaften hat die Kreise derselben in eine hochgradige Aufregung versetzt, welche lebhaft an die der Drohnen im Bienenstock kurz vor dem Tage der ihnen bevorstehenden Schlacht erinnert. Aber auch im Volke ist das Bewußtsein der eminenten Bedeutung des Versicherungswesens durch das Reskript geweckt worden, es hat den Sinn des Volkes auf Änderung und Besserung der in diesem Geschäfte herrschenden Zustände hingelenkt. Fast alle Gesellschaften haben teils einzeln für sich, teils im Verbände mit Kolleginnen Repliken auf das Reskript erlassen und versucht, die ihnen darin gemachten Vorwürfe der zu hohen Prämien und uicht koulanter Schadenregu- liruug und des aus beiden Ursachen entspringenden hohen Gewinnes zu wider¬ legen. Mit wenig Glück, wie uns scheint. Der vom Reichskanzler be¬ tonte hohe Gewinn soll nach diesen Repliken ein schwerer Irrtum sein, und um den geringen Nutzen zu beweisen, mit dem die Gesellschaften angeblich arbeiten, suchen die Repliken die unlohnende» Resultate und die Verluste der kleinen Ge¬ sellschaften, anch die Kapitalverluste der bankerotten oder in Liquidation ge¬ gangenen Kompagnien mit den Gewinnen der großen Anstalten in einen Topf zu werfen, um so den möglichst kleinen Durchschnitt zu erhalten. Ferner wird mit ängstlicher Genauigkeit der Überschuß der Prämieneinnahmen und der Zinsen der Reservefonds auseinander geklaubt, um die niedrigen Prämien und das un- lohnende Geschäft aä youlos zu demonstriren. Letzteres ist ihnen nicht gelungen, beide Methoden der Beweisführung sind falsch. Durch unrichtige Spekulationen kann der mit dem lukrativsten Handelsartikel arbeitende Kcmfman» zu Grunde

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/336>, abgerufen am 24.08.2024.