Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.Die Staatssprache in Gsterreich. danke einer administrativen Zweiteilung Böhmens ist dortzulande schon seit zehn Besondre Kennzeichnung verdient die Art, wie die Redner der Majorität Die Redner der Minorität fehlten zum Teil darin, daß sie sich durch die Zum Schlusse wurden alle Anträge abgelehnt, der Wurmbrandsche, aber Die Staatssprache in Gsterreich. danke einer administrativen Zweiteilung Böhmens ist dortzulande schon seit zehn Besondre Kennzeichnung verdient die Art, wie die Redner der Majorität Die Redner der Minorität fehlten zum Teil darin, daß sie sich durch die Zum Schlusse wurden alle Anträge abgelehnt, der Wurmbrandsche, aber <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0335" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155218"/> <fw type="header" place="top"> Die Staatssprache in Gsterreich.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1380" prev="#ID_1379"> danke einer administrativen Zweiteilung Böhmens ist dortzulande schon seit zehn<lb/> Jahren populär gewesen, die Abgeordneten haben diesem wie dem der Ab-<lb/> stinenzpvlitik bisher wicdcrstcmden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1381"> Besondre Kennzeichnung verdient die Art, wie die Redner der Majorität<lb/> sich mit der Frage der Rückwirkung der Sprachwirren auf das Heer abfand.<lb/> Daß die Armeesprache deutsch ist — unbeschadet des Verkehrs der untern Vor¬<lb/> gesetzten mit der Mannschaft —, konnten sie nicht leugnen, und ebensowenig,<lb/> daß die Nationalisirung des Schulwesens bald eine» Mangel an deutschsprechenden<lb/> Unteroffizieren zur Folge haben muß; so thaten sie denn, als ob das Auf¬<lb/> werfen dieser Frage eine Einmischung in die innern Angelegenheiten der Armee,<lb/> ein Eingriff in die Prärogative des obersten Kriegsherrn sei. Wie hinfällig<lb/> muß es um eine Sache stehen, die mit solchen Kunststücken verteidigt wird!<lb/> In der That entsinnen wir uns keiner bedeutenderen Debatte im österreichischen<lb/> Parlamente, die von der Rechten auf einem so niedrigen Niveau gehalten<lb/> worden wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_1382"> Die Redner der Minorität fehlten zum Teil darin, daß sie sich durch die<lb/> Gegner von dem eigentlichen Felde weglocken ließen. Das Ereignis der ganze»<lb/> Verhandlung war eine Rede des Hofrath Licnbacher. Alles vereinigte sich, um<lb/> sein Eintreten für die deutsche Sache im höchsten Grade wertvoll zu machen.<lb/> Eine anerkannte Autorität in juristischen und politischen Fragen, Mitglied des<lb/> obersten Gerichtshofes, durch und durch konservativ, bisher Verbündeter der<lb/> Majorität, erklärte er sich, ohne von seinen Überzeugungen das mindeste zu<lb/> opfern, mit einer Entschiedenheit gegen den Majoritätsantrag, welche umso ein¬<lb/> schneidender wirkte, als er sich streng an die Sache hielt und sie mit voller<lb/> Ruhe erörterte. Die Gegner im Hanse wußten auch soviel wie nichts auf seine<lb/> Vorhaltungen zu erwiedern, und die Parteipresse glaubt genug gethan zu haben.<lb/> Wenn sie ihn einen unverbesserlichen Zentralisier, heißt. Sichtlich unangenehm<lb/> war es auch, daß ein Rnmäne aus der Bukowina, Professor Tomaszuk, vom<lb/> österreichischen und vom Standpunkte seiner Nationalität aus mit soviel Wärme<lb/> die Staatssprache verteidigte, welche in seiner Heimat gegen die Polonisirung<lb/> ichützt. Glänzende Reden hielten noch Pierer und Sturm.</p><lb/> <p xml:id="ID_1383" next="#ID_1384"> Zum Schlusse wurden alle Anträge abgelehnt, der Wurmbrandsche, aber<lb/> auch die einfache und die verschiednen motivirten Tagesordnungen. Die Rechte<lb/> ist mit diesem Ergebnisse sehr unzufrieden; sie hat mit aller Anstrengung kein<lb/> Votum gegen die Staatssprache zuwege bringen können, sie sieht die Bundes¬<lb/> genossenschaft gelockert, da ein Teil der Klerikalen mit der Linken stimmte, ein<lb/> andrer sich wenigstens der Abstimmung enthielt; sie fürchtet über kurz oder lang<lb/> die Mehrheit zu verlieren. Aus denselben Gründen ist die Linke befriedigt.<lb/> Dergleichen Betrachtungen und Berechnungen werden meistens nur vom parla¬<lb/> mentarischen Gesichtspunkt aus angestellt. Darüber hinaus ist es von unschätz¬<lb/> barer Bedeutung, daß aus den noch so gewundenen und umwundenen Reden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0335]
Die Staatssprache in Gsterreich.
danke einer administrativen Zweiteilung Böhmens ist dortzulande schon seit zehn
Jahren populär gewesen, die Abgeordneten haben diesem wie dem der Ab-
stinenzpvlitik bisher wicdcrstcmden.
Besondre Kennzeichnung verdient die Art, wie die Redner der Majorität
sich mit der Frage der Rückwirkung der Sprachwirren auf das Heer abfand.
Daß die Armeesprache deutsch ist — unbeschadet des Verkehrs der untern Vor¬
gesetzten mit der Mannschaft —, konnten sie nicht leugnen, und ebensowenig,
daß die Nationalisirung des Schulwesens bald eine» Mangel an deutschsprechenden
Unteroffizieren zur Folge haben muß; so thaten sie denn, als ob das Auf¬
werfen dieser Frage eine Einmischung in die innern Angelegenheiten der Armee,
ein Eingriff in die Prärogative des obersten Kriegsherrn sei. Wie hinfällig
muß es um eine Sache stehen, die mit solchen Kunststücken verteidigt wird!
In der That entsinnen wir uns keiner bedeutenderen Debatte im österreichischen
Parlamente, die von der Rechten auf einem so niedrigen Niveau gehalten
worden wäre.
Die Redner der Minorität fehlten zum Teil darin, daß sie sich durch die
Gegner von dem eigentlichen Felde weglocken ließen. Das Ereignis der ganze»
Verhandlung war eine Rede des Hofrath Licnbacher. Alles vereinigte sich, um
sein Eintreten für die deutsche Sache im höchsten Grade wertvoll zu machen.
Eine anerkannte Autorität in juristischen und politischen Fragen, Mitglied des
obersten Gerichtshofes, durch und durch konservativ, bisher Verbündeter der
Majorität, erklärte er sich, ohne von seinen Überzeugungen das mindeste zu
opfern, mit einer Entschiedenheit gegen den Majoritätsantrag, welche umso ein¬
schneidender wirkte, als er sich streng an die Sache hielt und sie mit voller
Ruhe erörterte. Die Gegner im Hanse wußten auch soviel wie nichts auf seine
Vorhaltungen zu erwiedern, und die Parteipresse glaubt genug gethan zu haben.
Wenn sie ihn einen unverbesserlichen Zentralisier, heißt. Sichtlich unangenehm
war es auch, daß ein Rnmäne aus der Bukowina, Professor Tomaszuk, vom
österreichischen und vom Standpunkte seiner Nationalität aus mit soviel Wärme
die Staatssprache verteidigte, welche in seiner Heimat gegen die Polonisirung
ichützt. Glänzende Reden hielten noch Pierer und Sturm.
Zum Schlusse wurden alle Anträge abgelehnt, der Wurmbrandsche, aber
auch die einfache und die verschiednen motivirten Tagesordnungen. Die Rechte
ist mit diesem Ergebnisse sehr unzufrieden; sie hat mit aller Anstrengung kein
Votum gegen die Staatssprache zuwege bringen können, sie sieht die Bundes¬
genossenschaft gelockert, da ein Teil der Klerikalen mit der Linken stimmte, ein
andrer sich wenigstens der Abstimmung enthielt; sie fürchtet über kurz oder lang
die Mehrheit zu verlieren. Aus denselben Gründen ist die Linke befriedigt.
Dergleichen Betrachtungen und Berechnungen werden meistens nur vom parla¬
mentarischen Gesichtspunkt aus angestellt. Darüber hinaus ist es von unschätz¬
barer Bedeutung, daß aus den noch so gewundenen und umwundenen Reden
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