Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Schriftstellerelend.

n den letzten Tagen des Jahres 1882 erschoß ein Berliner Journalist
seine Frau und dann sich selbst, weil er den Mut verloren hatte,
den Kampf um das tägliche Brot fortzusetzen. Der Fall wurde
der Anlaß zu mancherlei Äußerungen über die Stellung des
Schriftstellers, besonders des Tngesschriftstellers in Deutschland,
Wahrend aber die meisten Zeitungen nur allgemeine, mehr oder minder resignirte
Betrachtungen anstellten, forderte der "Düsseldorfer Anzeiger" energisch zur
Selbsthilfe auf und bezeichnete als einziges Rettungsmittel "die enge Verbindung
Wer Zettungsverlcger und Redakteure zur gemeinsamen Wahrung ihrer be¬
rechtigten Interessen zum eignen Vorteil und zum Vorteil von vielen tausend
Schriftstellern, sowie von Millionen Lesern, für die das Beste als geistige
Wahrung acht zu gut ist," Der Verfasser dieses Artikels. Redakteur Gustav
^Piethoff. hat es auch bei jener Anregung, auf welche nichts gefolgt zu sein
abeime als hie und da eine halbe Zustimmung, nicht wollen bewenden lassen.
^">e von ihm unter dem Titel Die Großmacht Presse und das deutsche
^chriftstellerelend. Ein Wort an alle Zeitungsverleger und Literaten
Deutschlands (Düsseldorf, Felix Vagel. 1883), herausgegebene (uns erst jetzt
die Hände gefallene) Schrift beschäftigt sich mit demselben Thema. Seine
"""schlage enthält das "Zur Einleitung" überschriebene Kapitel; daran reihen
M) als Belegstücke und Exkurse mehr als zwanzig Artikel, die zum Teil
^er zum erstenmal gedruckt zu sein scheinen, zum größern Teile dem eignen
Platte des Verfassers oder andern entnommen sind. Erschöpfung des ganzen
Stoffes lag, wie er ausdrücklich bemerkt, nicht in seiner Absicht: er wollte "zur
ofnng einer brennenden Frage anreizen, und andeuten, daß auch etwas ge¬
schehe" wird"; auch bittet er, die kleine Schrift, "welche neben den laufenden
und bekanntlich störenden Berufsgeschäften zusammengestellt wurde, nicht auf
'dren schriftstellerischen Wert zu prüfen." Diese Rücksicht wollen wir gern
nehmen, wir wissen, wie wenig die zersplitternde und aufreibende Thätigkeit eines
Zeitungsredakteurs einer Arbeit förderlich ist, die Sammlung erheischt. Dabei
würm wir aber nicht verschweigen, daß etwas wie ein "verbindender Text"
Mischen den Artikeln, Andeutungen, wie er selbst sich zu den Aufsätzen aus
fremder Feder stellt, für die Sache nützlich gewesen sein würden, und daß dafür
unsrer Meinung nach mancherlei hätte wegbleiben können. Das Kapitel über
Ichnftstellernde F^nen z, B, enthält zwar sehr viel Wahres und Treffendes,
°>e Charakteristik der Frau von Hillern und ihrer abgeschmackten Romane und
Dramen ist ganz ergötzlich; aber eine Note unter dem Texte zeigt, daß der


Grenzboten I, 1384, 38
Das Schriftstellerelend.

n den letzten Tagen des Jahres 1882 erschoß ein Berliner Journalist
seine Frau und dann sich selbst, weil er den Mut verloren hatte,
den Kampf um das tägliche Brot fortzusetzen. Der Fall wurde
der Anlaß zu mancherlei Äußerungen über die Stellung des
Schriftstellers, besonders des Tngesschriftstellers in Deutschland,
Wahrend aber die meisten Zeitungen nur allgemeine, mehr oder minder resignirte
Betrachtungen anstellten, forderte der „Düsseldorfer Anzeiger" energisch zur
Selbsthilfe auf und bezeichnete als einziges Rettungsmittel „die enge Verbindung
Wer Zettungsverlcger und Redakteure zur gemeinsamen Wahrung ihrer be¬
rechtigten Interessen zum eignen Vorteil und zum Vorteil von vielen tausend
Schriftstellern, sowie von Millionen Lesern, für die das Beste als geistige
Wahrung acht zu gut ist," Der Verfasser dieses Artikels. Redakteur Gustav
^Piethoff. hat es auch bei jener Anregung, auf welche nichts gefolgt zu sein
abeime als hie und da eine halbe Zustimmung, nicht wollen bewenden lassen.
^">e von ihm unter dem Titel Die Großmacht Presse und das deutsche
^chriftstellerelend. Ein Wort an alle Zeitungsverleger und Literaten
Deutschlands (Düsseldorf, Felix Vagel. 1883), herausgegebene (uns erst jetzt
die Hände gefallene) Schrift beschäftigt sich mit demselben Thema. Seine
"«"schlage enthält das „Zur Einleitung" überschriebene Kapitel; daran reihen
M) als Belegstücke und Exkurse mehr als zwanzig Artikel, die zum Teil
^er zum erstenmal gedruckt zu sein scheinen, zum größern Teile dem eignen
Platte des Verfassers oder andern entnommen sind. Erschöpfung des ganzen
Stoffes lag, wie er ausdrücklich bemerkt, nicht in seiner Absicht: er wollte „zur
ofnng einer brennenden Frage anreizen, und andeuten, daß auch etwas ge¬
schehe» wird"; auch bittet er, die kleine Schrift, „welche neben den laufenden
und bekanntlich störenden Berufsgeschäften zusammengestellt wurde, nicht auf
'dren schriftstellerischen Wert zu prüfen." Diese Rücksicht wollen wir gern
nehmen, wir wissen, wie wenig die zersplitternde und aufreibende Thätigkeit eines
Zeitungsredakteurs einer Arbeit förderlich ist, die Sammlung erheischt. Dabei
würm wir aber nicht verschweigen, daß etwas wie ein „verbindender Text"
Mischen den Artikeln, Andeutungen, wie er selbst sich zu den Aufsätzen aus
fremder Feder stellt, für die Sache nützlich gewesen sein würden, und daß dafür
unsrer Meinung nach mancherlei hätte wegbleiben können. Das Kapitel über
Ichnftstellernde F^nen z, B, enthält zwar sehr viel Wahres und Treffendes,
°>e Charakteristik der Frau von Hillern und ihrer abgeschmackten Romane und
Dramen ist ganz ergötzlich; aber eine Note unter dem Texte zeigt, daß der


Grenzboten I, 1384, 38
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0307" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155190"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das Schriftstellerelend.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1237" next="#ID_1238"> n den letzten Tagen des Jahres 1882 erschoß ein Berliner Journalist<lb/>
seine Frau und dann sich selbst, weil er den Mut verloren hatte,<lb/>
den Kampf um das tägliche Brot fortzusetzen.  Der Fall wurde<lb/>
der Anlaß zu mancherlei Äußerungen über die Stellung des<lb/>
Schriftstellers, besonders des Tngesschriftstellers in Deutschland,<lb/>
Wahrend aber die meisten Zeitungen nur allgemeine, mehr oder minder resignirte<lb/>
Betrachtungen anstellten, forderte der &#x201E;Düsseldorfer Anzeiger" energisch zur<lb/>
Selbsthilfe auf und bezeichnete als einziges Rettungsmittel &#x201E;die enge Verbindung<lb/>
Wer Zettungsverlcger und Redakteure zur gemeinsamen Wahrung ihrer be¬<lb/>
rechtigten Interessen zum eignen Vorteil und zum Vorteil von vielen tausend<lb/>
Schriftstellern, sowie von Millionen Lesern, für die das Beste als geistige<lb/>
Wahrung acht zu gut ist," Der Verfasser dieses Artikels. Redakteur Gustav<lb/>
^Piethoff. hat es auch bei jener Anregung, auf welche nichts gefolgt zu sein<lb/>
abeime als hie und da eine halbe Zustimmung, nicht wollen bewenden lassen.<lb/>
^"&gt;e von ihm unter dem Titel Die Großmacht Presse und das deutsche<lb/>
^chriftstellerelend.  Ein Wort an alle Zeitungsverleger und Literaten<lb/>
Deutschlands (Düsseldorf, Felix Vagel. 1883), herausgegebene (uns erst jetzt<lb/>
die Hände gefallene) Schrift beschäftigt sich mit demselben Thema. Seine<lb/>
"«"schlage enthält das &#x201E;Zur Einleitung" überschriebene Kapitel; daran reihen<lb/>
M) als Belegstücke und Exkurse mehr als zwanzig Artikel, die zum Teil<lb/>
^er zum erstenmal gedruckt zu sein scheinen, zum größern Teile dem eignen<lb/>
Platte des Verfassers oder andern entnommen sind.  Erschöpfung des ganzen<lb/>
Stoffes lag, wie er ausdrücklich bemerkt, nicht in seiner Absicht: er wollte &#x201E;zur<lb/>
ofnng einer brennenden Frage anreizen, und andeuten, daß auch etwas ge¬<lb/>
schehe» wird"; auch bittet er, die kleine Schrift, &#x201E;welche neben den laufenden<lb/>
und bekanntlich störenden Berufsgeschäften zusammengestellt wurde, nicht auf<lb/>
'dren schriftstellerischen Wert zu prüfen."  Diese Rücksicht wollen wir gern<lb/>
nehmen, wir wissen, wie wenig die zersplitternde und aufreibende Thätigkeit eines<lb/>
Zeitungsredakteurs einer Arbeit förderlich ist, die Sammlung erheischt. Dabei<lb/>
würm wir aber nicht verschweigen, daß etwas wie ein &#x201E;verbindender Text"<lb/>
Mischen den Artikeln, Andeutungen, wie er selbst sich zu den Aufsätzen aus<lb/>
fremder Feder stellt, für die Sache nützlich gewesen sein würden, und daß dafür<lb/>
unsrer Meinung nach mancherlei hätte wegbleiben können. Das Kapitel über<lb/>
Ichnftstellernde F^nen z, B, enthält zwar sehr viel Wahres und Treffendes,<lb/>
°&gt;e Charakteristik der Frau von Hillern und ihrer abgeschmackten Romane und<lb/>
Dramen ist ganz ergötzlich; aber eine Note unter dem Texte zeigt, daß der</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I, 1384, 38</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0307] Das Schriftstellerelend. n den letzten Tagen des Jahres 1882 erschoß ein Berliner Journalist seine Frau und dann sich selbst, weil er den Mut verloren hatte, den Kampf um das tägliche Brot fortzusetzen. Der Fall wurde der Anlaß zu mancherlei Äußerungen über die Stellung des Schriftstellers, besonders des Tngesschriftstellers in Deutschland, Wahrend aber die meisten Zeitungen nur allgemeine, mehr oder minder resignirte Betrachtungen anstellten, forderte der „Düsseldorfer Anzeiger" energisch zur Selbsthilfe auf und bezeichnete als einziges Rettungsmittel „die enge Verbindung Wer Zettungsverlcger und Redakteure zur gemeinsamen Wahrung ihrer be¬ rechtigten Interessen zum eignen Vorteil und zum Vorteil von vielen tausend Schriftstellern, sowie von Millionen Lesern, für die das Beste als geistige Wahrung acht zu gut ist," Der Verfasser dieses Artikels. Redakteur Gustav ^Piethoff. hat es auch bei jener Anregung, auf welche nichts gefolgt zu sein abeime als hie und da eine halbe Zustimmung, nicht wollen bewenden lassen. ^">e von ihm unter dem Titel Die Großmacht Presse und das deutsche ^chriftstellerelend. Ein Wort an alle Zeitungsverleger und Literaten Deutschlands (Düsseldorf, Felix Vagel. 1883), herausgegebene (uns erst jetzt die Hände gefallene) Schrift beschäftigt sich mit demselben Thema. Seine "«"schlage enthält das „Zur Einleitung" überschriebene Kapitel; daran reihen M) als Belegstücke und Exkurse mehr als zwanzig Artikel, die zum Teil ^er zum erstenmal gedruckt zu sein scheinen, zum größern Teile dem eignen Platte des Verfassers oder andern entnommen sind. Erschöpfung des ganzen Stoffes lag, wie er ausdrücklich bemerkt, nicht in seiner Absicht: er wollte „zur ofnng einer brennenden Frage anreizen, und andeuten, daß auch etwas ge¬ schehe» wird"; auch bittet er, die kleine Schrift, „welche neben den laufenden und bekanntlich störenden Berufsgeschäften zusammengestellt wurde, nicht auf 'dren schriftstellerischen Wert zu prüfen." Diese Rücksicht wollen wir gern nehmen, wir wissen, wie wenig die zersplitternde und aufreibende Thätigkeit eines Zeitungsredakteurs einer Arbeit förderlich ist, die Sammlung erheischt. Dabei würm wir aber nicht verschweigen, daß etwas wie ein „verbindender Text" Mischen den Artikeln, Andeutungen, wie er selbst sich zu den Aufsätzen aus fremder Feder stellt, für die Sache nützlich gewesen sein würden, und daß dafür unsrer Meinung nach mancherlei hätte wegbleiben können. Das Kapitel über Ichnftstellernde F^nen z, B, enthält zwar sehr viel Wahres und Treffendes, °>e Charakteristik der Frau von Hillern und ihrer abgeschmackten Romane und Dramen ist ganz ergötzlich; aber eine Note unter dem Texte zeigt, daß der Grenzboten I, 1384, 38

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/307
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/307>, abgerufen am 27.06.2024.