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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Ein Vorläufer Lassalles.

ist mit einigen Fischern, welche eine Fischotter gefangen haben, und zwei Figuren,
die zusehen." In Mailand befand sich ein Bild von Jan van Eyck, auf welchem
ein Kaufmann in halber Figur dargestellt war, der mit seinem Faktor Ab¬
rechnung hält. Dieses Bild trug die Jahreszahl 1440.

Wir können demnach mit Hilfe von literarischen Zeugnissen die Anfänge
der Genre- und Landschaftsmalerei in den Niederlanden auf das Haupt der
niederländischen Malerei, auf Jan van Eyck, zurückführe", wenn auch die Zahl
der eigentlichen Genrebilder, welche aus dem fünfzehnten Jahrhunderte auf uns
gekommen sind, eine sehr beschränkte ist. Häufiger sind die Kupferstiche mit
sittcnbildlichen Darstellungen, was sich zum Teil daraus erklären mag, daß
dieselben den Verwüstungen durch die Religionskriege und dem Bildersturm
leichter entgangen sind als die Gemälde, welche zu jener Zeit meist auf Eichen¬
holz gemalt waren.




Gin Vorläufer Lassalles.
von Georg Adler. (Schluß.)

enden wir uns zu Weitlings Sozialstaat. Der Zweck des Staates
ist das Wohl aller. Dieses kann, nach Weitlings Prinzip, nur
verwirklicht werden, wenn jeder dieselben Genüsse haben kann wie
der andre, wenn jeder seine Fähigkeiten ebenso entwickeln kann
wie der andre. Daher muß eine wahrhaft gute Gesellschafts¬
organisation die Freiheit der Begierde jedes Einzelnen und die Harmonie der
Begierden aller verbürgen. Die Garantien hierfür ebenso wie für die fort¬
währende Vervollkommnung der Gemeinschaft soll sein Sozialstaat bieten,
welcher, so wie er vorgeschlagen wird, bereits heute durchgeführt werden könne.

Von den Begierden geht Weitling aus. Er teilt dieselben in drei Haupt¬
klassen: 1. Begierden des Erwerbs. Die Befriedigung derselben heißt: Erwerb,
Lohn. Besitz u. s. w. 2. Begierden des Genusses. Ihre Befriedigung heißt:
Gesundheit. Wohlstand, Ehre u. s. w. 3. Begierden des Wissens. Ihre Be¬
friedigung heißt: Verstand, Gelehrsamkeit, Talent u. s. w. Von diesen drei
Arten von Begierden entspringt eine aus der andern. Denn der Mensch kann
nichts genießen, was er nicht schon hat, und nichts haben, ohne zu wissen, wo
und wie er es bekommt. Demnach ist die Begierde des Wissens die Haupt-


Ein Vorläufer Lassalles.

ist mit einigen Fischern, welche eine Fischotter gefangen haben, und zwei Figuren,
die zusehen." In Mailand befand sich ein Bild von Jan van Eyck, auf welchem
ein Kaufmann in halber Figur dargestellt war, der mit seinem Faktor Ab¬
rechnung hält. Dieses Bild trug die Jahreszahl 1440.

Wir können demnach mit Hilfe von literarischen Zeugnissen die Anfänge
der Genre- und Landschaftsmalerei in den Niederlanden auf das Haupt der
niederländischen Malerei, auf Jan van Eyck, zurückführe», wenn auch die Zahl
der eigentlichen Genrebilder, welche aus dem fünfzehnten Jahrhunderte auf uns
gekommen sind, eine sehr beschränkte ist. Häufiger sind die Kupferstiche mit
sittcnbildlichen Darstellungen, was sich zum Teil daraus erklären mag, daß
dieselben den Verwüstungen durch die Religionskriege und dem Bildersturm
leichter entgangen sind als die Gemälde, welche zu jener Zeit meist auf Eichen¬
holz gemalt waren.




Gin Vorläufer Lassalles.
von Georg Adler. (Schluß.)

enden wir uns zu Weitlings Sozialstaat. Der Zweck des Staates
ist das Wohl aller. Dieses kann, nach Weitlings Prinzip, nur
verwirklicht werden, wenn jeder dieselben Genüsse haben kann wie
der andre, wenn jeder seine Fähigkeiten ebenso entwickeln kann
wie der andre. Daher muß eine wahrhaft gute Gesellschafts¬
organisation die Freiheit der Begierde jedes Einzelnen und die Harmonie der
Begierden aller verbürgen. Die Garantien hierfür ebenso wie für die fort¬
währende Vervollkommnung der Gemeinschaft soll sein Sozialstaat bieten,
welcher, so wie er vorgeschlagen wird, bereits heute durchgeführt werden könne.

Von den Begierden geht Weitling aus. Er teilt dieselben in drei Haupt¬
klassen: 1. Begierden des Erwerbs. Die Befriedigung derselben heißt: Erwerb,
Lohn. Besitz u. s. w. 2. Begierden des Genusses. Ihre Befriedigung heißt:
Gesundheit. Wohlstand, Ehre u. s. w. 3. Begierden des Wissens. Ihre Be¬
friedigung heißt: Verstand, Gelehrsamkeit, Talent u. s. w. Von diesen drei
Arten von Begierden entspringt eine aus der andern. Denn der Mensch kann
nichts genießen, was er nicht schon hat, und nichts haben, ohne zu wissen, wo
und wie er es bekommt. Demnach ist die Begierde des Wissens die Haupt-


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[0254] Ein Vorläufer Lassalles. ist mit einigen Fischern, welche eine Fischotter gefangen haben, und zwei Figuren, die zusehen." In Mailand befand sich ein Bild von Jan van Eyck, auf welchem ein Kaufmann in halber Figur dargestellt war, der mit seinem Faktor Ab¬ rechnung hält. Dieses Bild trug die Jahreszahl 1440. Wir können demnach mit Hilfe von literarischen Zeugnissen die Anfänge der Genre- und Landschaftsmalerei in den Niederlanden auf das Haupt der niederländischen Malerei, auf Jan van Eyck, zurückführe», wenn auch die Zahl der eigentlichen Genrebilder, welche aus dem fünfzehnten Jahrhunderte auf uns gekommen sind, eine sehr beschränkte ist. Häufiger sind die Kupferstiche mit sittcnbildlichen Darstellungen, was sich zum Teil daraus erklären mag, daß dieselben den Verwüstungen durch die Religionskriege und dem Bildersturm leichter entgangen sind als die Gemälde, welche zu jener Zeit meist auf Eichen¬ holz gemalt waren. Gin Vorläufer Lassalles. von Georg Adler. (Schluß.) enden wir uns zu Weitlings Sozialstaat. Der Zweck des Staates ist das Wohl aller. Dieses kann, nach Weitlings Prinzip, nur verwirklicht werden, wenn jeder dieselben Genüsse haben kann wie der andre, wenn jeder seine Fähigkeiten ebenso entwickeln kann wie der andre. Daher muß eine wahrhaft gute Gesellschafts¬ organisation die Freiheit der Begierde jedes Einzelnen und die Harmonie der Begierden aller verbürgen. Die Garantien hierfür ebenso wie für die fort¬ währende Vervollkommnung der Gemeinschaft soll sein Sozialstaat bieten, welcher, so wie er vorgeschlagen wird, bereits heute durchgeführt werden könne. Von den Begierden geht Weitling aus. Er teilt dieselben in drei Haupt¬ klassen: 1. Begierden des Erwerbs. Die Befriedigung derselben heißt: Erwerb, Lohn. Besitz u. s. w. 2. Begierden des Genusses. Ihre Befriedigung heißt: Gesundheit. Wohlstand, Ehre u. s. w. 3. Begierden des Wissens. Ihre Be¬ friedigung heißt: Verstand, Gelehrsamkeit, Talent u. s. w. Von diesen drei Arten von Begierden entspringt eine aus der andern. Denn der Mensch kann nichts genießen, was er nicht schon hat, und nichts haben, ohne zu wissen, wo und wie er es bekommt. Demnach ist die Begierde des Wissens die Haupt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/254>, abgerufen am 27.06.2024.