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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Der neue Unfallversicherungsentwurf.

le Grundzüge eines Gesetzes über Unfallversicherung sind von der
Reichsregierung neu ausgearbeitet, den Bundesregierungen mit¬
geteilt und auch durch die Presse veröffentlicht worden. Als
wir im 30. Heft der vorjährigen Grenzboten die "soziale Gesetz¬
gebung" besprachen, erlaubten wir uns einige Andeutungen zu
geben über die nach Lage der Dinge wünschenswerte Neugestaltung des frag¬
lichen Gesetzes. Wir freuen uns, konstatiren zu können, daß in den wesentlichsten
Punkten der neue Entwurf mit unsern damals geäußerten Wünschen überein¬
stimmt. Der Reichszuschuß ist fallen gelassen. Die Ausschließung der Privat¬
versicherung aber ist aufrecht erhalten. Was die Organisationsfrage betrifft,
so ist die eigentliche verwaltende Thätigkeit den Organen der zu bildenden Berufs¬
genossenschaften gelassen worden. Zugleich aber soll ein Reichsversicherungsamt
als zentrale Behörde geschaffen werden, welche die Beaufsichtigung des ganzen
Betriebes übernimmt und dadurch dessen Einheit und Gesetzmäßigkeit sichert.
Auf diese Weise gewinnt die Institution, welche nach den Organisationsvor-
schlägen des letzten Entwurfs eine etwas molluskenartige Natur angenommen
hatte, gleichsam einen Rückgrat, durch welchen der weit sich ausdehnende Körper
einen festen Halt bekommt.

In einer Beziehung haben wir bei unsrer damaligen Besprechung uns
getäuscht. Wir drückten die Hoffnung aus, daß einem solchen neuen EntWurfe
gegenüber die liberalen Parteien den bis dahin von ihnen begünstigten Gedanken
einer Aufrechthaltung der Privatversichernngsgesellschaften nicht weiter festhalten
würden. Kaum ist aber der neue Entwurf erschienen, so tritt die National¬
zeitung in einem -- wir hoffen, nicht aus nationalliberaler, sondern nur aus
sezessionistischer Feder herrührenden -- Artikel mit Lebhaftigkeit auch ihm wieder


GreuBotm I. 1884. 21


Der neue Unfallversicherungsentwurf.

le Grundzüge eines Gesetzes über Unfallversicherung sind von der
Reichsregierung neu ausgearbeitet, den Bundesregierungen mit¬
geteilt und auch durch die Presse veröffentlicht worden. Als
wir im 30. Heft der vorjährigen Grenzboten die „soziale Gesetz¬
gebung" besprachen, erlaubten wir uns einige Andeutungen zu
geben über die nach Lage der Dinge wünschenswerte Neugestaltung des frag¬
lichen Gesetzes. Wir freuen uns, konstatiren zu können, daß in den wesentlichsten
Punkten der neue Entwurf mit unsern damals geäußerten Wünschen überein¬
stimmt. Der Reichszuschuß ist fallen gelassen. Die Ausschließung der Privat¬
versicherung aber ist aufrecht erhalten. Was die Organisationsfrage betrifft,
so ist die eigentliche verwaltende Thätigkeit den Organen der zu bildenden Berufs¬
genossenschaften gelassen worden. Zugleich aber soll ein Reichsversicherungsamt
als zentrale Behörde geschaffen werden, welche die Beaufsichtigung des ganzen
Betriebes übernimmt und dadurch dessen Einheit und Gesetzmäßigkeit sichert.
Auf diese Weise gewinnt die Institution, welche nach den Organisationsvor-
schlägen des letzten Entwurfs eine etwas molluskenartige Natur angenommen
hatte, gleichsam einen Rückgrat, durch welchen der weit sich ausdehnende Körper
einen festen Halt bekommt.

In einer Beziehung haben wir bei unsrer damaligen Besprechung uns
getäuscht. Wir drückten die Hoffnung aus, daß einem solchen neuen EntWurfe
gegenüber die liberalen Parteien den bis dahin von ihnen begünstigten Gedanken
einer Aufrechthaltung der Privatversichernngsgesellschaften nicht weiter festhalten
würden. Kaum ist aber der neue Entwurf erschienen, so tritt die National¬
zeitung in einem — wir hoffen, nicht aus nationalliberaler, sondern nur aus
sezessionistischer Feder herrührenden — Artikel mit Lebhaftigkeit auch ihm wieder


GreuBotm I. 1884. 21
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[0171] [Abbildung] Der neue Unfallversicherungsentwurf. le Grundzüge eines Gesetzes über Unfallversicherung sind von der Reichsregierung neu ausgearbeitet, den Bundesregierungen mit¬ geteilt und auch durch die Presse veröffentlicht worden. Als wir im 30. Heft der vorjährigen Grenzboten die „soziale Gesetz¬ gebung" besprachen, erlaubten wir uns einige Andeutungen zu geben über die nach Lage der Dinge wünschenswerte Neugestaltung des frag¬ lichen Gesetzes. Wir freuen uns, konstatiren zu können, daß in den wesentlichsten Punkten der neue Entwurf mit unsern damals geäußerten Wünschen überein¬ stimmt. Der Reichszuschuß ist fallen gelassen. Die Ausschließung der Privat¬ versicherung aber ist aufrecht erhalten. Was die Organisationsfrage betrifft, so ist die eigentliche verwaltende Thätigkeit den Organen der zu bildenden Berufs¬ genossenschaften gelassen worden. Zugleich aber soll ein Reichsversicherungsamt als zentrale Behörde geschaffen werden, welche die Beaufsichtigung des ganzen Betriebes übernimmt und dadurch dessen Einheit und Gesetzmäßigkeit sichert. Auf diese Weise gewinnt die Institution, welche nach den Organisationsvor- schlägen des letzten Entwurfs eine etwas molluskenartige Natur angenommen hatte, gleichsam einen Rückgrat, durch welchen der weit sich ausdehnende Körper einen festen Halt bekommt. In einer Beziehung haben wir bei unsrer damaligen Besprechung uns getäuscht. Wir drückten die Hoffnung aus, daß einem solchen neuen EntWurfe gegenüber die liberalen Parteien den bis dahin von ihnen begünstigten Gedanken einer Aufrechthaltung der Privatversichernngsgesellschaften nicht weiter festhalten würden. Kaum ist aber der neue Entwurf erschienen, so tritt die National¬ zeitung in einem — wir hoffen, nicht aus nationalliberaler, sondern nur aus sezessionistischer Feder herrührenden — Artikel mit Lebhaftigkeit auch ihm wieder GreuBotm I. 1884. 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/171>, abgerufen am 27.06.2024.