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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Neue Dichtungen von Richard voß.

Hans Spriuginklecs und eines das des unbekannten Meisters L, B. Im ganzen
dürfte Burgkmair etwa 160. Schäufelein 70, Springinklee 5 und der Meister
L, B, ebenfalls nur eine kleine Anzahl geliefert haben, Burgkmair und Schäufe¬
lein sind am leichtesten auseinanderzuhalten. Burgkmair liebte hohe schlanke
Gestalten; die Schäufeleins sind untersetzt, ihre Köpfe sind im Vergleich zu den
Körpern zu groß. Auch die Frauenideale beider stehen in schroffem Gegensatze.
Die Frauen Burgkmairs sind schlank gewachsen und üppig, mit einem sinnlichen
Zuge um den Mund, der uns an die Frauen Lionardo da Vineis erinnert.
Die Schäufeleins sind klein, bnsenlos, mit stark hervortretendem Leibe, für uns
eher abstoßend als angenehm; ihr Auge ist zwar groß, aber nichtssagend, die
Stirn zurückliegend, die Nase stumpf und dick. Schwerer sind Springinklee und
der Meister L. B. zu unterscheiden.

Wie in die Ausgabe des "Theuerdank" von 1517 nicht alle Holzstöcke,
welche ursprünglich dafür gearbeitet waren, aufgenommen worden, so enthält
auch die Ausgabe des "Weißkunig" von 1775 durchaus nicht alles, was eigent¬
lich in dieselbe gehört. Schon zur Zeit des Kaisers Maximilian wurden von
den Holzstöcken einige Abdrücke genommen. Drei solche Bücher, welche die
Holzschnitte ohne Text enthalten, sind erhalten. Zwei werden in Wien, eins
in Dresden aufbewahrt. In ihnen befinden sich 26V Holzschnitte, also 13 mehr
als in der Ausgabe von 1775, zu denen die Stöcke 1775 nicht mehr aufge¬
funden werden konnten. Ein weiterer sehr schöner Burgkmairscher Holzschnitt,
der ursprünglich für den "Weißkunig" bestimmt war, hat sich in verschiedne
andre Augsburger Drucke verirrt. Es ist ein Entwurf von dem in der Aus¬
gabe von 1775 befindlichen Schäufeleinschen Blatt "Wie der Jung Weißkunig
und die Jung Kunigin jedes des andern sein sprach lernt." Der Kaiser sitzt
in Unterredung mit der Kaiserin im Garten an einem Springbrunnen; in:
Hintergrunde lustwandeln zwei Paare. An der Thüre der Mauer steht das
Zeichen H. B. (Schluß folgt.)




Neue Dichtungen von Richard voß.

u einer Bibliothek, für welche man demnächst einen eignen Saal
brauchen wird, ist die Literatur über unsre klassische Dichtung und
alle Kultnrcrscheinungen der klassischen Periode angeschwollen
nach allen Richtungen sind die Nachwirkungen dieser Periode er--
örtert, nur ein Buch ist noch ungeschrieben: das, welches von
den schädlichen Einflüssen der klassischen Tradition handelt, Wir denken damit


Neue Dichtungen von Richard voß.

Hans Spriuginklecs und eines das des unbekannten Meisters L, B. Im ganzen
dürfte Burgkmair etwa 160. Schäufelein 70, Springinklee 5 und der Meister
L, B, ebenfalls nur eine kleine Anzahl geliefert haben, Burgkmair und Schäufe¬
lein sind am leichtesten auseinanderzuhalten. Burgkmair liebte hohe schlanke
Gestalten; die Schäufeleins sind untersetzt, ihre Köpfe sind im Vergleich zu den
Körpern zu groß. Auch die Frauenideale beider stehen in schroffem Gegensatze.
Die Frauen Burgkmairs sind schlank gewachsen und üppig, mit einem sinnlichen
Zuge um den Mund, der uns an die Frauen Lionardo da Vineis erinnert.
Die Schäufeleins sind klein, bnsenlos, mit stark hervortretendem Leibe, für uns
eher abstoßend als angenehm; ihr Auge ist zwar groß, aber nichtssagend, die
Stirn zurückliegend, die Nase stumpf und dick. Schwerer sind Springinklee und
der Meister L. B. zu unterscheiden.

Wie in die Ausgabe des „Theuerdank" von 1517 nicht alle Holzstöcke,
welche ursprünglich dafür gearbeitet waren, aufgenommen worden, so enthält
auch die Ausgabe des „Weißkunig" von 1775 durchaus nicht alles, was eigent¬
lich in dieselbe gehört. Schon zur Zeit des Kaisers Maximilian wurden von
den Holzstöcken einige Abdrücke genommen. Drei solche Bücher, welche die
Holzschnitte ohne Text enthalten, sind erhalten. Zwei werden in Wien, eins
in Dresden aufbewahrt. In ihnen befinden sich 26V Holzschnitte, also 13 mehr
als in der Ausgabe von 1775, zu denen die Stöcke 1775 nicht mehr aufge¬
funden werden konnten. Ein weiterer sehr schöner Burgkmairscher Holzschnitt,
der ursprünglich für den „Weißkunig" bestimmt war, hat sich in verschiedne
andre Augsburger Drucke verirrt. Es ist ein Entwurf von dem in der Aus¬
gabe von 1775 befindlichen Schäufeleinschen Blatt „Wie der Jung Weißkunig
und die Jung Kunigin jedes des andern sein sprach lernt." Der Kaiser sitzt
in Unterredung mit der Kaiserin im Garten an einem Springbrunnen; in:
Hintergrunde lustwandeln zwei Paare. An der Thüre der Mauer steht das
Zeichen H. B. (Schluß folgt.)




Neue Dichtungen von Richard voß.

u einer Bibliothek, für welche man demnächst einen eignen Saal
brauchen wird, ist die Literatur über unsre klassische Dichtung und
alle Kultnrcrscheinungen der klassischen Periode angeschwollen
nach allen Richtungen sind die Nachwirkungen dieser Periode er--
örtert, nur ein Buch ist noch ungeschrieben: das, welches von
den schädlichen Einflüssen der klassischen Tradition handelt, Wir denken damit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/151>, abgerufen am 27.06.2024.