Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Auf der Leiter des Glücks.

Nicht mehr und nicht weniger.

Und dabei bleibt es.

Dabei bleibt es.

Das heißt: um eine Audienz wirst dn jetzt einkommen müssen.

Um mich zu bedanken? Hin.

Das ist nun einmal nicht anders, Kaspar Benedikt.

Ich habe lange keinen Frack angelegt.

Wir werden einen neuen beim Schneider bestellen.

Wohl gar beim Hofschneider! El, el.

Natürlich! Nur keine altmodischen Fracks!

Es ist zum Lachen! brummte der Fabrikant, aber er lachte keineswegs.




Viertes Aapitel.

Es war ein entzückendes Frühjahr, aber nirgends hatte der Mai eine solche
Fülle von Duft und Farbenschmelz dem Boden entlockt als in dem Garten der
berühmten Villa.

In der That, wenn die Villa für ihre Besitzer auch gar eigenartige Fesseln
mit sich brachte, ihr Erbauer hatte alles aufgeboten, um sie so vollkommen wie
möglich herzustellen; an ihm lag es nicht, wenn noch etwas zu wünschen übrig
bleiben sollte.

Dies Etwas wäre, wenn es überhaupt zur Sprache hätte kommen dürfen,
wohl gerade gegen das Übermaß desjenigen gerichtet gewesen, wofür der Architekt
.prämiirt worden war: gegen die Vollkommenheit seiner Schöpfung. Den Winter
über hatte man diese Vollkommenheit im Innern des Hauses als etwas die
Persönlichkeit einigermaßen Bevormundendes empfunden oder doch dunkel geahnt.
Jetzt kam im Garten etwas Verwandtes zur Geltung. Das kleinste Fleckchen
war mit unübertrefflichem Geschick einem bestimmten Zwecke dienstbar gemacht.
Dort durften die Bäume nur eine gewisse Höhe erreichen, damit auf die Sonnen¬
uhr kein Schatten falle. Hier mußte ihr Blätterschmuck in solcher Weise ge¬
bändigt werden, daß die kleine Kanone Mittags dnrch den Strahl des Brenn¬
glases an sonnenhellen Tagen unfehlbar abgebrannt werde. Die Boskets hatte
aus Gefälligkeit gegen den Erbauer der Hofgärtner des regierenden Herrn
eigenhändig gepflanzt. Die Farbe derselben, wie sie im Laufe des Jahres wechselt,
war bei der Auswahl der Laubhölzer mit einer Feinheit der Berechnung abge¬
stimmt worden, daß von einer musikalischen Durchlaucht, die den Garten mit
ihrem Besuch beehrt hatte, die Wirkung in ihrer hellen Heiterkeit einer Haydnschen
Symphonie verglichen worden war. Der Boden erfreute sich allerorten genau
derjenigen Mischung, in welcher die für ihn vorgeschriebenen Pflanzen sich zu
ihrer höchsten Schönheit entwickeln sollten, und auch hier war wie in eineni


Auf der Leiter des Glücks.

Nicht mehr und nicht weniger.

Und dabei bleibt es.

Dabei bleibt es.

Das heißt: um eine Audienz wirst dn jetzt einkommen müssen.

Um mich zu bedanken? Hin.

Das ist nun einmal nicht anders, Kaspar Benedikt.

Ich habe lange keinen Frack angelegt.

Wir werden einen neuen beim Schneider bestellen.

Wohl gar beim Hofschneider! El, el.

Natürlich! Nur keine altmodischen Fracks!

Es ist zum Lachen! brummte der Fabrikant, aber er lachte keineswegs.




Viertes Aapitel.

Es war ein entzückendes Frühjahr, aber nirgends hatte der Mai eine solche
Fülle von Duft und Farbenschmelz dem Boden entlockt als in dem Garten der
berühmten Villa.

In der That, wenn die Villa für ihre Besitzer auch gar eigenartige Fesseln
mit sich brachte, ihr Erbauer hatte alles aufgeboten, um sie so vollkommen wie
möglich herzustellen; an ihm lag es nicht, wenn noch etwas zu wünschen übrig
bleiben sollte.

Dies Etwas wäre, wenn es überhaupt zur Sprache hätte kommen dürfen,
wohl gerade gegen das Übermaß desjenigen gerichtet gewesen, wofür der Architekt
.prämiirt worden war: gegen die Vollkommenheit seiner Schöpfung. Den Winter
über hatte man diese Vollkommenheit im Innern des Hauses als etwas die
Persönlichkeit einigermaßen Bevormundendes empfunden oder doch dunkel geahnt.
Jetzt kam im Garten etwas Verwandtes zur Geltung. Das kleinste Fleckchen
war mit unübertrefflichem Geschick einem bestimmten Zwecke dienstbar gemacht.
Dort durften die Bäume nur eine gewisse Höhe erreichen, damit auf die Sonnen¬
uhr kein Schatten falle. Hier mußte ihr Blätterschmuck in solcher Weise ge¬
bändigt werden, daß die kleine Kanone Mittags dnrch den Strahl des Brenn¬
glases an sonnenhellen Tagen unfehlbar abgebrannt werde. Die Boskets hatte
aus Gefälligkeit gegen den Erbauer der Hofgärtner des regierenden Herrn
eigenhändig gepflanzt. Die Farbe derselben, wie sie im Laufe des Jahres wechselt,
war bei der Auswahl der Laubhölzer mit einer Feinheit der Berechnung abge¬
stimmt worden, daß von einer musikalischen Durchlaucht, die den Garten mit
ihrem Besuch beehrt hatte, die Wirkung in ihrer hellen Heiterkeit einer Haydnschen
Symphonie verglichen worden war. Der Boden erfreute sich allerorten genau
derjenigen Mischung, in welcher die für ihn vorgeschriebenen Pflanzen sich zu
ihrer höchsten Schönheit entwickeln sollten, und auch hier war wie in eineni


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0109" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154992"/>
          <fw type="header" place="top"> Auf der Leiter des Glücks.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_355"> Nicht mehr und nicht weniger.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_356"> Und dabei bleibt es.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_357"> Dabei bleibt es.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_358"> Das heißt: um eine Audienz wirst dn jetzt einkommen müssen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_359"> Um mich zu bedanken? Hin.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_360"> Das ist nun einmal nicht anders, Kaspar Benedikt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_361"> Ich habe lange keinen Frack angelegt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_362"> Wir werden einen neuen beim Schneider bestellen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_363"> Wohl gar beim Hofschneider! El, el.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_364"> Natürlich! Nur keine altmodischen Fracks!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_365"> Es ist zum Lachen! brummte der Fabrikant, aber er lachte keineswegs.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="2">
            <head> Viertes Aapitel.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_366"> Es war ein entzückendes Frühjahr, aber nirgends hatte der Mai eine solche<lb/>
Fülle von Duft und Farbenschmelz dem Boden entlockt als in dem Garten der<lb/>
berühmten Villa.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_367"> In der That, wenn die Villa für ihre Besitzer auch gar eigenartige Fesseln<lb/>
mit sich brachte, ihr Erbauer hatte alles aufgeboten, um sie so vollkommen wie<lb/>
möglich herzustellen; an ihm lag es nicht, wenn noch etwas zu wünschen übrig<lb/>
bleiben sollte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_368" next="#ID_369"> Dies Etwas wäre, wenn es überhaupt zur Sprache hätte kommen dürfen,<lb/>
wohl gerade gegen das Übermaß desjenigen gerichtet gewesen, wofür der Architekt<lb/>
.prämiirt worden war: gegen die Vollkommenheit seiner Schöpfung. Den Winter<lb/>
über hatte man diese Vollkommenheit im Innern des Hauses als etwas die<lb/>
Persönlichkeit einigermaßen Bevormundendes empfunden oder doch dunkel geahnt.<lb/>
Jetzt kam im Garten etwas Verwandtes zur Geltung. Das kleinste Fleckchen<lb/>
war mit unübertrefflichem Geschick einem bestimmten Zwecke dienstbar gemacht.<lb/>
Dort durften die Bäume nur eine gewisse Höhe erreichen, damit auf die Sonnen¬<lb/>
uhr kein Schatten falle. Hier mußte ihr Blätterschmuck in solcher Weise ge¬<lb/>
bändigt werden, daß die kleine Kanone Mittags dnrch den Strahl des Brenn¬<lb/>
glases an sonnenhellen Tagen unfehlbar abgebrannt werde. Die Boskets hatte<lb/>
aus Gefälligkeit gegen den Erbauer der Hofgärtner des regierenden Herrn<lb/>
eigenhändig gepflanzt. Die Farbe derselben, wie sie im Laufe des Jahres wechselt,<lb/>
war bei der Auswahl der Laubhölzer mit einer Feinheit der Berechnung abge¬<lb/>
stimmt worden, daß von einer musikalischen Durchlaucht, die den Garten mit<lb/>
ihrem Besuch beehrt hatte, die Wirkung in ihrer hellen Heiterkeit einer Haydnschen<lb/>
Symphonie verglichen worden war. Der Boden erfreute sich allerorten genau<lb/>
derjenigen Mischung, in welcher die für ihn vorgeschriebenen Pflanzen sich zu<lb/>
ihrer höchsten Schönheit entwickeln sollten, und auch hier war wie in eineni</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0109] Auf der Leiter des Glücks. Nicht mehr und nicht weniger. Und dabei bleibt es. Dabei bleibt es. Das heißt: um eine Audienz wirst dn jetzt einkommen müssen. Um mich zu bedanken? Hin. Das ist nun einmal nicht anders, Kaspar Benedikt. Ich habe lange keinen Frack angelegt. Wir werden einen neuen beim Schneider bestellen. Wohl gar beim Hofschneider! El, el. Natürlich! Nur keine altmodischen Fracks! Es ist zum Lachen! brummte der Fabrikant, aber er lachte keineswegs. Viertes Aapitel. Es war ein entzückendes Frühjahr, aber nirgends hatte der Mai eine solche Fülle von Duft und Farbenschmelz dem Boden entlockt als in dem Garten der berühmten Villa. In der That, wenn die Villa für ihre Besitzer auch gar eigenartige Fesseln mit sich brachte, ihr Erbauer hatte alles aufgeboten, um sie so vollkommen wie möglich herzustellen; an ihm lag es nicht, wenn noch etwas zu wünschen übrig bleiben sollte. Dies Etwas wäre, wenn es überhaupt zur Sprache hätte kommen dürfen, wohl gerade gegen das Übermaß desjenigen gerichtet gewesen, wofür der Architekt .prämiirt worden war: gegen die Vollkommenheit seiner Schöpfung. Den Winter über hatte man diese Vollkommenheit im Innern des Hauses als etwas die Persönlichkeit einigermaßen Bevormundendes empfunden oder doch dunkel geahnt. Jetzt kam im Garten etwas Verwandtes zur Geltung. Das kleinste Fleckchen war mit unübertrefflichem Geschick einem bestimmten Zwecke dienstbar gemacht. Dort durften die Bäume nur eine gewisse Höhe erreichen, damit auf die Sonnen¬ uhr kein Schatten falle. Hier mußte ihr Blätterschmuck in solcher Weise ge¬ bändigt werden, daß die kleine Kanone Mittags dnrch den Strahl des Brenn¬ glases an sonnenhellen Tagen unfehlbar abgebrannt werde. Die Boskets hatte aus Gefälligkeit gegen den Erbauer der Hofgärtner des regierenden Herrn eigenhändig gepflanzt. Die Farbe derselben, wie sie im Laufe des Jahres wechselt, war bei der Auswahl der Laubhölzer mit einer Feinheit der Berechnung abge¬ stimmt worden, daß von einer musikalischen Durchlaucht, die den Garten mit ihrem Besuch beehrt hatte, die Wirkung in ihrer hellen Heiterkeit einer Haydnschen Symphonie verglichen worden war. Der Boden erfreute sich allerorten genau derjenigen Mischung, in welcher die für ihn vorgeschriebenen Pflanzen sich zu ihrer höchsten Schönheit entwickeln sollten, und auch hier war wie in eineni

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/109
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/109>, abgerufen am 27.06.2024.