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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Auf der Leiter des Glücks.

Es ist zum Lachen, stimmte der Fabrikant in ungemütlicher Schärfe bei,
aber du sprichst ganz meine Gedanken aus: wir sind nicht mehr unsre eignen
Herren! Es ist zum Lachen.

Als die Zeitung mit den Ordensverleihungen eintraf, zeigte sichs, daß
Herrn von Waltershausens Einfluß von ihm nicht, überschätzt worden war;
der Fabrikant K. B. Hartig stand richtig auf der Liste.

Wenige Tage darauf langte die Dekoration selbst an. Kaspar Benedikt
mußte sie, seiner Gattin zu Liebe, anlegen und dann Arm in Arm mit ihr die
schönsten Räume der Villa durchschreiten.

Es ist der Anfang, sagte sie, als beide Gatten vor einem Spiegel Halt
gemacht hatten, man kann nicht wissen, was noch werden will.

Doch! man kann es wissen, widersprach der Fabrikant. Es war das erste
mal in seinem Leben, daß er in solchem Tone widersprach.

Wieso kann mans wissen? fragte sie verwundert.

Er zog sie von dem Spiegel fort.

Folgendes wird werden, sagte er, wenn man nämlich nicht mehr seinem
eignen Kopfe folgt. Man wird seine linke Rockseite von Jahr zu Jahr immer
bunter werden sehen und sie doch bald nicht mehr bunt genug finden. Man
wird sich dann überlegen, ob es überhaupt nicht schicklich sei, daß man es auch
mit dem Von-Titel versuche, und es werden sich gute Menschen finden, die einem
dazu verhelfen. Man wird dann merken, daß andre ihrem Namen nicht nur
etwas vorsetzen, sondern auch noch etwas anhängen ließen. Und auch dafür
wird Rat geschafft werden. Mit einem Wort --

Mit einem Wort, ergänzte Frau Anna, es wird einem ergehen wie der
Frau Jlsebill in dem abscheulichen Märchen. Du hast Recht, Kaspar Benedikt.
Ich glaubte wahrlich, du wärst mir böse. Wir sind hoffentlich beide schuld,
daß es soweit gekommen ist, und nicht etwa ich allein?

Ich allein bin schuld, antwortete der Fabrikant.

Nein, ich nicht minder, widersprach sie.

So ist es ja überhaupt nicht gemeint, beruhigte er sie; man wird uns
heute und morgen Glück wünschen, und wir werden kein saures Gesicht dazu
ziehen. Im Gegenteil, wir werden uns die Freude nicht vergällen und jedem
sagen, daß wir uns geehrt fühlen.

Also wir freuen uns nun dennoch?

Warum nicht? Wenn wir nur darüber einig sind, daß nicht werden soll,
was werden will.

Sondern daß wir genügsam sind und nicht immer nach mehr verlangen.

So ist es.

Etwas mußte geschehen, sagte sie; du hast gehört, wie der Herr von
Waltershausen schon von beleidigenden Bürgcrstolz zu reden begann. Jetzt
haben wir gethan, was schicklich war.


Auf der Leiter des Glücks.

Es ist zum Lachen, stimmte der Fabrikant in ungemütlicher Schärfe bei,
aber du sprichst ganz meine Gedanken aus: wir sind nicht mehr unsre eignen
Herren! Es ist zum Lachen.

Als die Zeitung mit den Ordensverleihungen eintraf, zeigte sichs, daß
Herrn von Waltershausens Einfluß von ihm nicht, überschätzt worden war;
der Fabrikant K. B. Hartig stand richtig auf der Liste.

Wenige Tage darauf langte die Dekoration selbst an. Kaspar Benedikt
mußte sie, seiner Gattin zu Liebe, anlegen und dann Arm in Arm mit ihr die
schönsten Räume der Villa durchschreiten.

Es ist der Anfang, sagte sie, als beide Gatten vor einem Spiegel Halt
gemacht hatten, man kann nicht wissen, was noch werden will.

Doch! man kann es wissen, widersprach der Fabrikant. Es war das erste
mal in seinem Leben, daß er in solchem Tone widersprach.

Wieso kann mans wissen? fragte sie verwundert.

Er zog sie von dem Spiegel fort.

Folgendes wird werden, sagte er, wenn man nämlich nicht mehr seinem
eignen Kopfe folgt. Man wird seine linke Rockseite von Jahr zu Jahr immer
bunter werden sehen und sie doch bald nicht mehr bunt genug finden. Man
wird sich dann überlegen, ob es überhaupt nicht schicklich sei, daß man es auch
mit dem Von-Titel versuche, und es werden sich gute Menschen finden, die einem
dazu verhelfen. Man wird dann merken, daß andre ihrem Namen nicht nur
etwas vorsetzen, sondern auch noch etwas anhängen ließen. Und auch dafür
wird Rat geschafft werden. Mit einem Wort —

Mit einem Wort, ergänzte Frau Anna, es wird einem ergehen wie der
Frau Jlsebill in dem abscheulichen Märchen. Du hast Recht, Kaspar Benedikt.
Ich glaubte wahrlich, du wärst mir böse. Wir sind hoffentlich beide schuld,
daß es soweit gekommen ist, und nicht etwa ich allein?

Ich allein bin schuld, antwortete der Fabrikant.

Nein, ich nicht minder, widersprach sie.

So ist es ja überhaupt nicht gemeint, beruhigte er sie; man wird uns
heute und morgen Glück wünschen, und wir werden kein saures Gesicht dazu
ziehen. Im Gegenteil, wir werden uns die Freude nicht vergällen und jedem
sagen, daß wir uns geehrt fühlen.

Also wir freuen uns nun dennoch?

Warum nicht? Wenn wir nur darüber einig sind, daß nicht werden soll,
was werden will.

Sondern daß wir genügsam sind und nicht immer nach mehr verlangen.

So ist es.

Etwas mußte geschehen, sagte sie; du hast gehört, wie der Herr von
Waltershausen schon von beleidigenden Bürgcrstolz zu reden begann. Jetzt
haben wir gethan, was schicklich war.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/108>, abgerufen am 30.06.2024.