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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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pfisters Mühle.
Wilhelm Raabe. Lin Sommerforienheft von
(Fortsetzung.)

s ist Freund Asche, der das nicht ruft, sondern mit merkwürdig
tonloser Stimme seufzt, als riefe ihn des Dorfes Abendglocke
nicht aus der tätlichste" Langweile, sondern aus der innigsten
Versunkenheit in alle Freuden der Pädagogik ab. Und es ist mein
lieber verstorbener Vater, der sein kluges, friedliches lächelndes
Gesicht in die Thür steckt und ruft:

Nun, Kiuder? Hübsch fleißig gewesen? Brav was gelernt?

Sehr brav -- alle zwei, Vater Pfister.

Na, dann seien Sie bedankt, Herr Asche, und kommt heraus. Es ist
wirklich ein recht amöner Abend und der Garten draußen voll bis zum Platzen.
Bis in die Hecken sitzen sie mir. Bringe auch noch Eure Stühle hier im Studio
mit hinaus, Junge; bis ans Wasser haben sie mir die letzten aus dem Hause
hingerückt, und Ihre Herren Kollegen, Herr Adam, haben die ihrigen schon lange
höflich an die Damen abgetreten und behelfen sich mit den leeren Fässern und
ein Paar Brettern drüber hin. Hält diese Witterung so an, so bleibt uns
nichts andres übrig, als daß wir noch ein zweites Stockwerk über dem Pläsier
etabliren, nämlich in den Baumästen. Einige von den Herren sitzen schon drin
und lassen sich das Getränk in die Höhe reichen.---

Es ist alles vor allen meinen fünf Sinnen.

Es ist kein Zweifel mehr, es ist ein heißer Tag geworden; je mehr die
Sonne dem Mittage entgegengestiegen ist, durch desto wolkenloseres Blau schwimmt
sie, und die Grillen auf den Wiesen jenseits des Baches hat sie allgemach voll¬
ständig berauscht; immer vielstimmiger und schriller dringt deren Lust an mein
Ohr herüber. Die Enten rudern leise gegenüber im Schilfrohr; als der Schatten
eines großen Raubvogels, der mit schwerfälligem Flügelschlag einem fernen




pfisters Mühle.
Wilhelm Raabe. Lin Sommerforienheft von
(Fortsetzung.)

s ist Freund Asche, der das nicht ruft, sondern mit merkwürdig
tonloser Stimme seufzt, als riefe ihn des Dorfes Abendglocke
nicht aus der tätlichste« Langweile, sondern aus der innigsten
Versunkenheit in alle Freuden der Pädagogik ab. Und es ist mein
lieber verstorbener Vater, der sein kluges, friedliches lächelndes
Gesicht in die Thür steckt und ruft:

Nun, Kiuder? Hübsch fleißig gewesen? Brav was gelernt?

Sehr brav — alle zwei, Vater Pfister.

Na, dann seien Sie bedankt, Herr Asche, und kommt heraus. Es ist
wirklich ein recht amöner Abend und der Garten draußen voll bis zum Platzen.
Bis in die Hecken sitzen sie mir. Bringe auch noch Eure Stühle hier im Studio
mit hinaus, Junge; bis ans Wasser haben sie mir die letzten aus dem Hause
hingerückt, und Ihre Herren Kollegen, Herr Adam, haben die ihrigen schon lange
höflich an die Damen abgetreten und behelfen sich mit den leeren Fässern und
ein Paar Brettern drüber hin. Hält diese Witterung so an, so bleibt uns
nichts andres übrig, als daß wir noch ein zweites Stockwerk über dem Pläsier
etabliren, nämlich in den Baumästen. Einige von den Herren sitzen schon drin
und lassen sich das Getränk in die Höhe reichen.---

Es ist alles vor allen meinen fünf Sinnen.

Es ist kein Zweifel mehr, es ist ein heißer Tag geworden; je mehr die
Sonne dem Mittage entgegengestiegen ist, durch desto wolkenloseres Blau schwimmt
sie, und die Grillen auf den Wiesen jenseits des Baches hat sie allgemach voll¬
ständig berauscht; immer vielstimmiger und schriller dringt deren Lust an mein
Ohr herüber. Die Enten rudern leise gegenüber im Schilfrohr; als der Schatten
eines großen Raubvogels, der mit schwerfälligem Flügelschlag einem fernen


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[0098] [Abbildung] pfisters Mühle. Wilhelm Raabe. Lin Sommerforienheft von (Fortsetzung.) s ist Freund Asche, der das nicht ruft, sondern mit merkwürdig tonloser Stimme seufzt, als riefe ihn des Dorfes Abendglocke nicht aus der tätlichste« Langweile, sondern aus der innigsten Versunkenheit in alle Freuden der Pädagogik ab. Und es ist mein lieber verstorbener Vater, der sein kluges, friedliches lächelndes Gesicht in die Thür steckt und ruft: Nun, Kiuder? Hübsch fleißig gewesen? Brav was gelernt? Sehr brav — alle zwei, Vater Pfister. Na, dann seien Sie bedankt, Herr Asche, und kommt heraus. Es ist wirklich ein recht amöner Abend und der Garten draußen voll bis zum Platzen. Bis in die Hecken sitzen sie mir. Bringe auch noch Eure Stühle hier im Studio mit hinaus, Junge; bis ans Wasser haben sie mir die letzten aus dem Hause hingerückt, und Ihre Herren Kollegen, Herr Adam, haben die ihrigen schon lange höflich an die Damen abgetreten und behelfen sich mit den leeren Fässern und ein Paar Brettern drüber hin. Hält diese Witterung so an, so bleibt uns nichts andres übrig, als daß wir noch ein zweites Stockwerk über dem Pläsier etabliren, nämlich in den Baumästen. Einige von den Herren sitzen schon drin und lassen sich das Getränk in die Höhe reichen.--- Es ist alles vor allen meinen fünf Sinnen. Es ist kein Zweifel mehr, es ist ein heißer Tag geworden; je mehr die Sonne dem Mittage entgegengestiegen ist, durch desto wolkenloseres Blau schwimmt sie, und die Grillen auf den Wiesen jenseits des Baches hat sie allgemach voll¬ ständig berauscht; immer vielstimmiger und schriller dringt deren Lust an mein Ohr herüber. Die Enten rudern leise gegenüber im Schilfrohr; als der Schatten eines großen Raubvogels, der mit schwerfälligem Flügelschlag einem fernen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/98>, abgerufen am 27.12.2024.