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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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jDfisters Mühle.
Lin Sommorferienheft von Wilhelm Raabe. (Schluß.)

räulein Albertine hat da ihr schmerzendes Haupt an die Brust des
alten Herrn gelegt, und hat dem Vater Pfister sein Mitleid und
seine Güte vergolten bis an den Tod -- seinen Tod. Ja, bis
zu Vater Pfisters ruhigen Abscheiden aus dieser ihm so sehr
übelriechend und abschmeckend gewordenen Welt hat Albertine
Lippoldes ihr bestes gethan, ihm seine letzten Tage leicht und
freundlich zu machen, da sie dem eignen Vater nicht mehr helfen konnte.

Der liegt auch in seiner Ruhe auf dem unbekannten Dorfkirchhofe unter
einem grünen Hügel, auf welchen kein Epitaphium mit Namen, Jahreszahlen
und sonstiger Steinmetzarbeit drückt, welchen also kein Litteratnrgeschichten-
schreiber und Interviewer xost roortsin so leicht wohl finden wird. --

Mein Vater blieb fest bei seinem Wort. Er steckte, nachdem saufe sein
Schild von unsrer Thür herabgenommen hatte, nicht wieder einen grünen Busch
über seinen Thorweg. Nicht zu Ostern und auch nicht zu Pfingsten. Fräu¬
lein Albertine hatte den Mühlgarten den nächsten Sommer ganz für sich allein.

Nur mit dir, Ebert, wenigstens während eines Teils, als du vor deinem
Examen saßest, und ich hätte wohl Grund, heute noch ein wenig eifersüchtig zu
sein, sagt Emmy, fügt aber hinzu: Nun, da ist es denn freilich ein Glück ge¬
wesen, daß Doktor Asche schon vorhanden war. --

Doktor Adam Asche ließ sich den ganzen Sommer über nicht in Pfisters
Mühle blicken. Er baute am Ufer der Spree weiter an seinem Vermögen und
seiner sonstigen nähern und fernern Zukunft, und ließ nur von Zeit zu Zeit in
etwas unbestimmter Weise in seinen Briefen an mich "alle unter Vater Pfisters
Dache freundlichst grüßen."

Merkwürdigerweise schrieb er damals ziemlich häufig an mich, er, der sonst
in dieser Hinsicht (außergeschäftlich) alles für seine Korrespondenten zu wünschen
übrig ließ. Ich aber häufte nun für seinerseits früher begangene Unterlassungs¬
sünden feurige Kohlen auf sein Haupt, antwortete rasch und ausführlich und
unterhielt ihn stets aufs genaueste über in eine Zustände, Hoffnungen und Be¬
fürchtungen.




jDfisters Mühle.
Lin Sommorferienheft von Wilhelm Raabe. (Schluß.)

räulein Albertine hat da ihr schmerzendes Haupt an die Brust des
alten Herrn gelegt, und hat dem Vater Pfister sein Mitleid und
seine Güte vergolten bis an den Tod — seinen Tod. Ja, bis
zu Vater Pfisters ruhigen Abscheiden aus dieser ihm so sehr
übelriechend und abschmeckend gewordenen Welt hat Albertine
Lippoldes ihr bestes gethan, ihm seine letzten Tage leicht und
freundlich zu machen, da sie dem eignen Vater nicht mehr helfen konnte.

Der liegt auch in seiner Ruhe auf dem unbekannten Dorfkirchhofe unter
einem grünen Hügel, auf welchen kein Epitaphium mit Namen, Jahreszahlen
und sonstiger Steinmetzarbeit drückt, welchen also kein Litteratnrgeschichten-
schreiber und Interviewer xost roortsin so leicht wohl finden wird. —

Mein Vater blieb fest bei seinem Wort. Er steckte, nachdem saufe sein
Schild von unsrer Thür herabgenommen hatte, nicht wieder einen grünen Busch
über seinen Thorweg. Nicht zu Ostern und auch nicht zu Pfingsten. Fräu¬
lein Albertine hatte den Mühlgarten den nächsten Sommer ganz für sich allein.

Nur mit dir, Ebert, wenigstens während eines Teils, als du vor deinem
Examen saßest, und ich hätte wohl Grund, heute noch ein wenig eifersüchtig zu
sein, sagt Emmy, fügt aber hinzu: Nun, da ist es denn freilich ein Glück ge¬
wesen, daß Doktor Asche schon vorhanden war. —

Doktor Adam Asche ließ sich den ganzen Sommer über nicht in Pfisters
Mühle blicken. Er baute am Ufer der Spree weiter an seinem Vermögen und
seiner sonstigen nähern und fernern Zukunft, und ließ nur von Zeit zu Zeit in
etwas unbestimmter Weise in seinen Briefen an mich „alle unter Vater Pfisters
Dache freundlichst grüßen."

Merkwürdigerweise schrieb er damals ziemlich häufig an mich, er, der sonst
in dieser Hinsicht (außergeschäftlich) alles für seine Korrespondenten zu wünschen
übrig ließ. Ich aber häufte nun für seinerseits früher begangene Unterlassungs¬
sünden feurige Kohlen auf sein Haupt, antwortete rasch und ausführlich und
unterhielt ihn stets aufs genaueste über in eine Zustände, Hoffnungen und Be¬
fürchtungen.


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[0648] [Abbildung] jDfisters Mühle. Lin Sommorferienheft von Wilhelm Raabe. (Schluß.) räulein Albertine hat da ihr schmerzendes Haupt an die Brust des alten Herrn gelegt, und hat dem Vater Pfister sein Mitleid und seine Güte vergolten bis an den Tod — seinen Tod. Ja, bis zu Vater Pfisters ruhigen Abscheiden aus dieser ihm so sehr übelriechend und abschmeckend gewordenen Welt hat Albertine Lippoldes ihr bestes gethan, ihm seine letzten Tage leicht und freundlich zu machen, da sie dem eignen Vater nicht mehr helfen konnte. Der liegt auch in seiner Ruhe auf dem unbekannten Dorfkirchhofe unter einem grünen Hügel, auf welchen kein Epitaphium mit Namen, Jahreszahlen und sonstiger Steinmetzarbeit drückt, welchen also kein Litteratnrgeschichten- schreiber und Interviewer xost roortsin so leicht wohl finden wird. — Mein Vater blieb fest bei seinem Wort. Er steckte, nachdem saufe sein Schild von unsrer Thür herabgenommen hatte, nicht wieder einen grünen Busch über seinen Thorweg. Nicht zu Ostern und auch nicht zu Pfingsten. Fräu¬ lein Albertine hatte den Mühlgarten den nächsten Sommer ganz für sich allein. Nur mit dir, Ebert, wenigstens während eines Teils, als du vor deinem Examen saßest, und ich hätte wohl Grund, heute noch ein wenig eifersüchtig zu sein, sagt Emmy, fügt aber hinzu: Nun, da ist es denn freilich ein Glück ge¬ wesen, daß Doktor Asche schon vorhanden war. — Doktor Adam Asche ließ sich den ganzen Sommer über nicht in Pfisters Mühle blicken. Er baute am Ufer der Spree weiter an seinem Vermögen und seiner sonstigen nähern und fernern Zukunft, und ließ nur von Zeit zu Zeit in etwas unbestimmter Weise in seinen Briefen an mich „alle unter Vater Pfisters Dache freundlichst grüßen." Merkwürdigerweise schrieb er damals ziemlich häufig an mich, er, der sonst in dieser Hinsicht (außergeschäftlich) alles für seine Korrespondenten zu wünschen übrig ließ. Ich aber häufte nun für seinerseits früher begangene Unterlassungs¬ sünden feurige Kohlen auf sein Haupt, antwortete rasch und ausführlich und unterhielt ihn stets aufs genaueste über in eine Zustände, Hoffnungen und Be¬ fürchtungen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/648>, abgerufen am 27.12.2024.