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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Die Leipziger Gewaudhauskonzerte.

schied der Zeit, sondern auch des ganzen Charakters der beiden Kunstübungen
spricht sich in diesen Verschiedenheiten aus. --

Noch zu zahlreichen Bemerkungen böte die Sammlung Anlaß, denn Heyse
hat in allen Gattungen der Lyrik sich versucht: er hat "Landschaften mit Staf¬
fage" geschrieben, ein Titel, der ein poetisches Prinzip in sich verbirgt; er hat
eine größere Anzahl Epigramme auf "Kunst und Künstler" gedichtet, "Ver¬
mischte Gedichte," unter denen die feinfühligen, verständnisreichen "Dichterpro¬
file" sich finden, endlich eine Reihe Balladen und kleinere Erzählungen, die zu
dem Besten gehören, was wir besitzen. Insbesondre ist das "Festmahl des
Alten" wegen seiner klassischen Schönheit hervorzuheben. Doch auf alles dieses
können wir in dieser Skizze des Heyseschen Geistes nicht mehr eingehen, wir
müssen uns mit dem kurzen Hinweis darauf begnügen. Aber selbst diese Skizze
wird hoffentlich das Urteil motivirt haben, daß wir mit Heyscs Gedichten eine
bedeutsame und in sich selbst individuell vollendete lyrische Erscheinung in die
Reihe der deutschen Lyriker einzuordnen haben.



Die Leipziger Gewandhauskonzerte.
(Schluß.)

le festlichen Abende der Einweihung des neuen Leipziger Konzert¬
hauses sind vorüber, und alle Sorgen und Befürchtungen, die
man wegen der Akustik des Saales gehegt hatte, sind in nichts
zerronnen: "es klingt wundervoll" -- das ist das Urteil, das man
aus aller Munde hören kann. Nicht nur der rauschende Strom
des vollen Orchesters, auch jedes einzelne Instrument, nicht nur ein breites und
getragenes Bläserforte, auch die zartesten und flüchtigsten Geigenpassagen, nicht
nur die Instrumentalmusik, auch der Gesang, und nicht nur der volle Chor,
sondern auch die einzelne Männer- oder Frauenstimme -- alles klingt gleich¬
mäßig klar, deutlich und schön. Dieses Ergebnis ist umso überraschender, als
die Einrichtung des Saales noch in den letzten Wochen, wo freilich die Gerüste
noch standen, selbst die Nächststehenden und Eingeweihten nicht mit voller Zu¬
versicht erfüllte. Um den ganzen Saal läuft in mäßiger Höhe eine Galerie,
die zwar an den Langseiten nur bescheiden vorspringt, an den Schmalseiten aber
sich verbreitert, weil sie hier auf der einen Seite, über dem Orchester, in den
Orgelchor übergeht, auf der andern, dem Orchester gegenüber, zu einer tiefen
Mittelgalerie sich erweitert; über dieser Mittelgalerie erhebt sich außerdem uoch


Die Leipziger Gewaudhauskonzerte.

schied der Zeit, sondern auch des ganzen Charakters der beiden Kunstübungen
spricht sich in diesen Verschiedenheiten aus. —

Noch zu zahlreichen Bemerkungen böte die Sammlung Anlaß, denn Heyse
hat in allen Gattungen der Lyrik sich versucht: er hat „Landschaften mit Staf¬
fage" geschrieben, ein Titel, der ein poetisches Prinzip in sich verbirgt; er hat
eine größere Anzahl Epigramme auf „Kunst und Künstler" gedichtet, „Ver¬
mischte Gedichte," unter denen die feinfühligen, verständnisreichen „Dichterpro¬
file" sich finden, endlich eine Reihe Balladen und kleinere Erzählungen, die zu
dem Besten gehören, was wir besitzen. Insbesondre ist das „Festmahl des
Alten" wegen seiner klassischen Schönheit hervorzuheben. Doch auf alles dieses
können wir in dieser Skizze des Heyseschen Geistes nicht mehr eingehen, wir
müssen uns mit dem kurzen Hinweis darauf begnügen. Aber selbst diese Skizze
wird hoffentlich das Urteil motivirt haben, daß wir mit Heyscs Gedichten eine
bedeutsame und in sich selbst individuell vollendete lyrische Erscheinung in die
Reihe der deutschen Lyriker einzuordnen haben.



Die Leipziger Gewandhauskonzerte.
(Schluß.)

le festlichen Abende der Einweihung des neuen Leipziger Konzert¬
hauses sind vorüber, und alle Sorgen und Befürchtungen, die
man wegen der Akustik des Saales gehegt hatte, sind in nichts
zerronnen: „es klingt wundervoll" — das ist das Urteil, das man
aus aller Munde hören kann. Nicht nur der rauschende Strom
des vollen Orchesters, auch jedes einzelne Instrument, nicht nur ein breites und
getragenes Bläserforte, auch die zartesten und flüchtigsten Geigenpassagen, nicht
nur die Instrumentalmusik, auch der Gesang, und nicht nur der volle Chor,
sondern auch die einzelne Männer- oder Frauenstimme — alles klingt gleich¬
mäßig klar, deutlich und schön. Dieses Ergebnis ist umso überraschender, als
die Einrichtung des Saales noch in den letzten Wochen, wo freilich die Gerüste
noch standen, selbst die Nächststehenden und Eingeweihten nicht mit voller Zu¬
versicht erfüllte. Um den ganzen Saal läuft in mäßiger Höhe eine Galerie,
die zwar an den Langseiten nur bescheiden vorspringt, an den Schmalseiten aber
sich verbreitert, weil sie hier auf der einen Seite, über dem Orchester, in den
Orgelchor übergeht, auf der andern, dem Orchester gegenüber, zu einer tiefen
Mittelgalerie sich erweitert; über dieser Mittelgalerie erhebt sich außerdem uoch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/639>, abgerufen am 27.12.2024.