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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Die Hochzeit des Mönchs.

ein neues Gebiet, welches er fortan mit einer stetig wachsenden, nur ihm eignen
und von niemand iibertroffenen Meisterschaft kultivirte.




Die Hochzeit des Mönchs.

M!
'M'
M^ime neue Erzählung des schweizerischen Dichters Konrad
Ferdinand Meyer, der bei allem Erfolge in den Grenzen
seiner Kraft und einer wirklich künstlerischen Produktion bleibt
und jenem Dämon der Vielschreiberei, welcher an der Pforte der
neuesten deutschen Literatur Seelen wirbt, nicht Pflichtig wird,
verdient sicher von vornherein die Teilnahme aller Gebildeten. Sie wissen eben,
daß, was der Verfasser des Romans "Der Heilige" mich bieten mag, keinem
neuen Werke ans seiner Feder geistiger Reiz und seelische Belebung fehlen
werden. Und selbst die kühlen Skeptiker, die an keinem Menschengeschick, weder
wirklichem noch erdichteten, mehr Anteil nehmen, aber sich des Genusses eines
gebildeten Stils, eines fesselnden Vortrages noch nicht entschlagen mögen, sind
sicher, ihre Rechnung in einer neuen Novelle K. F. Mehers zu finden.

Die Hochzeit des Mönchs (Leipzig, Verlag von H. Hässel) ist taufenden
bereits durch die "Deutsche Rundschau" bekannt geworden, sie wird auch als
Buch viele, welche sie bisher noch nicht kennen gelernt haben, entzücken. Sie ist,
wie dies bei Meyer schon mehrfach der Fall war, eine Doppelerzählung, das heißt
eine Erzählung, die von einer bestimmt charakterisirten Persönlichkeit in einem
gleichfalls vorgeführte" Kreise vorgetragen wird. Das Hauptbild ist von einem
künstlerisch wertvollen Rahmen umgeben, und, was bei modernen Bildern häufig
vorkommt: man darf sich sogar fragen, ob nicht der Rahmen wertvoller sei als
das Gemälde. Für die geistigen Gourmands, denen der Erzähler als solcher
wenig oder nichts gilt, ist die geistvolle Einleitung und sind die an sie ge¬
knüpften Zwischenspiele der Novelle sicher die Hauptsache und bedingen die
Schätzung des Werkes.

Wir werden zum Eingang nach Verona und an den Hof des Cangrandc,
jenes Scaliger versetzt, der den exilirten Dante Alighieri mehrere Jahre lang
beschützte und gastlich bei sich aufnahm. Ein muntrer Kreis sitzt um den
Fürsten vereinigt vor der Herdflamme und erzählt nach wälscher Sitte des
vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts Novellen über das Thema: "Plötz¬
licher Berufswechsel mit gutem oder schlechtem oder lächerlichem Ausgange."
In die Mitte der Heitern tritt der Dichter der "Göttlichen Komödie" herein,


Die Hochzeit des Mönchs.

ein neues Gebiet, welches er fortan mit einer stetig wachsenden, nur ihm eignen
und von niemand iibertroffenen Meisterschaft kultivirte.




Die Hochzeit des Mönchs.

M!
'M'
M^ime neue Erzählung des schweizerischen Dichters Konrad
Ferdinand Meyer, der bei allem Erfolge in den Grenzen
seiner Kraft und einer wirklich künstlerischen Produktion bleibt
und jenem Dämon der Vielschreiberei, welcher an der Pforte der
neuesten deutschen Literatur Seelen wirbt, nicht Pflichtig wird,
verdient sicher von vornherein die Teilnahme aller Gebildeten. Sie wissen eben,
daß, was der Verfasser des Romans „Der Heilige" mich bieten mag, keinem
neuen Werke ans seiner Feder geistiger Reiz und seelische Belebung fehlen
werden. Und selbst die kühlen Skeptiker, die an keinem Menschengeschick, weder
wirklichem noch erdichteten, mehr Anteil nehmen, aber sich des Genusses eines
gebildeten Stils, eines fesselnden Vortrages noch nicht entschlagen mögen, sind
sicher, ihre Rechnung in einer neuen Novelle K. F. Mehers zu finden.

Die Hochzeit des Mönchs (Leipzig, Verlag von H. Hässel) ist taufenden
bereits durch die „Deutsche Rundschau" bekannt geworden, sie wird auch als
Buch viele, welche sie bisher noch nicht kennen gelernt haben, entzücken. Sie ist,
wie dies bei Meyer schon mehrfach der Fall war, eine Doppelerzählung, das heißt
eine Erzählung, die von einer bestimmt charakterisirten Persönlichkeit in einem
gleichfalls vorgeführte» Kreise vorgetragen wird. Das Hauptbild ist von einem
künstlerisch wertvollen Rahmen umgeben, und, was bei modernen Bildern häufig
vorkommt: man darf sich sogar fragen, ob nicht der Rahmen wertvoller sei als
das Gemälde. Für die geistigen Gourmands, denen der Erzähler als solcher
wenig oder nichts gilt, ist die geistvolle Einleitung und sind die an sie ge¬
knüpften Zwischenspiele der Novelle sicher die Hauptsache und bedingen die
Schätzung des Werkes.

Wir werden zum Eingang nach Verona und an den Hof des Cangrandc,
jenes Scaliger versetzt, der den exilirten Dante Alighieri mehrere Jahre lang
beschützte und gastlich bei sich aufnahm. Ein muntrer Kreis sitzt um den
Fürsten vereinigt vor der Herdflamme und erzählt nach wälscher Sitte des
vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts Novellen über das Thema: „Plötz¬
licher Berufswechsel mit gutem oder schlechtem oder lächerlichem Ausgange."
In die Mitte der Heitern tritt der Dichter der „Göttlichen Komödie" herein,


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[0428] Die Hochzeit des Mönchs. ein neues Gebiet, welches er fortan mit einer stetig wachsenden, nur ihm eignen und von niemand iibertroffenen Meisterschaft kultivirte. Die Hochzeit des Mönchs. M! 'M' M^ime neue Erzählung des schweizerischen Dichters Konrad Ferdinand Meyer, der bei allem Erfolge in den Grenzen seiner Kraft und einer wirklich künstlerischen Produktion bleibt und jenem Dämon der Vielschreiberei, welcher an der Pforte der neuesten deutschen Literatur Seelen wirbt, nicht Pflichtig wird, verdient sicher von vornherein die Teilnahme aller Gebildeten. Sie wissen eben, daß, was der Verfasser des Romans „Der Heilige" mich bieten mag, keinem neuen Werke ans seiner Feder geistiger Reiz und seelische Belebung fehlen werden. Und selbst die kühlen Skeptiker, die an keinem Menschengeschick, weder wirklichem noch erdichteten, mehr Anteil nehmen, aber sich des Genusses eines gebildeten Stils, eines fesselnden Vortrages noch nicht entschlagen mögen, sind sicher, ihre Rechnung in einer neuen Novelle K. F. Mehers zu finden. Die Hochzeit des Mönchs (Leipzig, Verlag von H. Hässel) ist taufenden bereits durch die „Deutsche Rundschau" bekannt geworden, sie wird auch als Buch viele, welche sie bisher noch nicht kennen gelernt haben, entzücken. Sie ist, wie dies bei Meyer schon mehrfach der Fall war, eine Doppelerzählung, das heißt eine Erzählung, die von einer bestimmt charakterisirten Persönlichkeit in einem gleichfalls vorgeführte» Kreise vorgetragen wird. Das Hauptbild ist von einem künstlerisch wertvollen Rahmen umgeben, und, was bei modernen Bildern häufig vorkommt: man darf sich sogar fragen, ob nicht der Rahmen wertvoller sei als das Gemälde. Für die geistigen Gourmands, denen der Erzähler als solcher wenig oder nichts gilt, ist die geistvolle Einleitung und sind die an sie ge¬ knüpften Zwischenspiele der Novelle sicher die Hauptsache und bedingen die Schätzung des Werkes. Wir werden zum Eingang nach Verona und an den Hof des Cangrandc, jenes Scaliger versetzt, der den exilirten Dante Alighieri mehrere Jahre lang beschützte und gastlich bei sich aufnahm. Ein muntrer Kreis sitzt um den Fürsten vereinigt vor der Herdflamme und erzählt nach wälscher Sitte des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts Novellen über das Thema: „Plötz¬ licher Berufswechsel mit gutem oder schlechtem oder lächerlichem Ausgange." In die Mitte der Heitern tritt der Dichter der „Göttlichen Komödie" herein,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/428>, abgerufen am 27.12.2024.