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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei.

älteren Schule, welche noch ein geringes Verständnis für die Poesie der Stim¬
mung zeigte.

Solches Zusammenwirken von Künstlern ist in Flandern seit dem letzten
Jahrzehnt des sechzehnten Jahrhunderts überaus häufig. Es setzt sich bis
zu Teniers dem jüngern fort und wurde auch in Holland vielfach nachgeahmt.
Zu einer feststehenden künstlerischen Gewohnheit hat es sich jedoch nur in Ant¬
werpen ausgebildet, wo sich in der Zeit von 1600 bis 1630 eine Künstlerschar
von seltener Betriebsamkeit zusammenfand. Der erste Zweck, den man damit
verband, war ein rein geschäftlicher. Man wollte durch diese Arbeitsteilung die
Produktionskraft steigern und dem Bedürfnis der Käufer entgegenkommen. Mit
dem Sinken der Kunst in Italien war die niederländische Malerei in die Mode
gekommen. In dem Grade, als die Kunstsammler sich mehrten, wuchs auch die
Neigung für die nordische Kabinetsmalerei, da sich doch niemand die großen
Kirchenbilder der italienischen Manieristen und Eklektiker in die Wohnräume und
Studios hängen konnte. Aus dem Zusammenwirken zweier Künstler ergab sich
dann noch ein andrer Vorteil. Wie sehr mußte eine Landschaft gewinnen, wenn
sich ein Mann wie Rubens dazu bestimmen ließ, die Figuren hineinzumalen!
Jan Brueghel war, dank seiner Freundschaft mit dem berühmten Haupte der
Antwerpener Schule, oft in der angenehmen Lage, sich der Mitarbeiterschaft des
Rubens zu erfreuen, der aber auch seinerseits den älteren Meister so hoch schätzte,
daß er ihn nicht minder oft heranzog, um landschaftliche Hintergründe für seine
Kompositionen zu malen, wenn er nicht die Zeit dazu hatte. Denn Ru¬
bens war selbst ein ausgezeichneter Landschaftsmaler, der beste, vielseitigste,
Poesiereichste und empfindungsvollste überhaupt, welchen die flämische Schule
hervorgebracht hat. Wenn Rubens und Brueghel zusammenarbeiteten, war stets
die Folge ein Meisterwerk. Es ist, als ob die Kraft Brueghels gewachsen sei
sich ausgedehnt und vertieft habe, wenn der jüngere Meister den Glanz seiner
unvergleichlich reichen Palette in einem Blumen- oder Fruchtkranze Brueghels
oder in einer seiner sonnigen Landschaften zu entfalten begann.

Bis der Briefwechsel mit dem Erzbischof von Mailand wieder in Gang
kam, sind wir in betreff des weiteren Lebensganges unsers Meisters auf andre
Nachrichten angewiesen. Wir erfahren, daß er sich im Jahre 1598 mit der
Tochter des Kupferstechers Geeraard de Jode verheiratete, daß ihm 1601 ein
Sohn namens Jan, der nachmalige Maler, dessen Arbeiten sehr häufig mit
denen des Vaters verwechselt werden, und später eine Tochter geboren wurde.
Bald darauf muß seine Frau gestorben sein; denn er verheiratete sich 1605 zum
zweitenmale. Auch einige datirte Bilder sind uns aus dieser Zwischenzeit er¬
halten: eine holländische Landschaft mit einem von Schiffen belebten Kanäle
von 1604, in der Dresdner Galerie, und eine halb allegorische, halb realistische
Darstellung des Überflusses, welchen Erde und Meer spende", ebenfalls von
1604, im Wiener Belvedere. Mit diesem Bilde betrat Brueghel zum erstenmale


Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei.

älteren Schule, welche noch ein geringes Verständnis für die Poesie der Stim¬
mung zeigte.

Solches Zusammenwirken von Künstlern ist in Flandern seit dem letzten
Jahrzehnt des sechzehnten Jahrhunderts überaus häufig. Es setzt sich bis
zu Teniers dem jüngern fort und wurde auch in Holland vielfach nachgeahmt.
Zu einer feststehenden künstlerischen Gewohnheit hat es sich jedoch nur in Ant¬
werpen ausgebildet, wo sich in der Zeit von 1600 bis 1630 eine Künstlerschar
von seltener Betriebsamkeit zusammenfand. Der erste Zweck, den man damit
verband, war ein rein geschäftlicher. Man wollte durch diese Arbeitsteilung die
Produktionskraft steigern und dem Bedürfnis der Käufer entgegenkommen. Mit
dem Sinken der Kunst in Italien war die niederländische Malerei in die Mode
gekommen. In dem Grade, als die Kunstsammler sich mehrten, wuchs auch die
Neigung für die nordische Kabinetsmalerei, da sich doch niemand die großen
Kirchenbilder der italienischen Manieristen und Eklektiker in die Wohnräume und
Studios hängen konnte. Aus dem Zusammenwirken zweier Künstler ergab sich
dann noch ein andrer Vorteil. Wie sehr mußte eine Landschaft gewinnen, wenn
sich ein Mann wie Rubens dazu bestimmen ließ, die Figuren hineinzumalen!
Jan Brueghel war, dank seiner Freundschaft mit dem berühmten Haupte der
Antwerpener Schule, oft in der angenehmen Lage, sich der Mitarbeiterschaft des
Rubens zu erfreuen, der aber auch seinerseits den älteren Meister so hoch schätzte,
daß er ihn nicht minder oft heranzog, um landschaftliche Hintergründe für seine
Kompositionen zu malen, wenn er nicht die Zeit dazu hatte. Denn Ru¬
bens war selbst ein ausgezeichneter Landschaftsmaler, der beste, vielseitigste,
Poesiereichste und empfindungsvollste überhaupt, welchen die flämische Schule
hervorgebracht hat. Wenn Rubens und Brueghel zusammenarbeiteten, war stets
die Folge ein Meisterwerk. Es ist, als ob die Kraft Brueghels gewachsen sei
sich ausgedehnt und vertieft habe, wenn der jüngere Meister den Glanz seiner
unvergleichlich reichen Palette in einem Blumen- oder Fruchtkranze Brueghels
oder in einer seiner sonnigen Landschaften zu entfalten begann.

Bis der Briefwechsel mit dem Erzbischof von Mailand wieder in Gang
kam, sind wir in betreff des weiteren Lebensganges unsers Meisters auf andre
Nachrichten angewiesen. Wir erfahren, daß er sich im Jahre 1598 mit der
Tochter des Kupferstechers Geeraard de Jode verheiratete, daß ihm 1601 ein
Sohn namens Jan, der nachmalige Maler, dessen Arbeiten sehr häufig mit
denen des Vaters verwechselt werden, und später eine Tochter geboren wurde.
Bald darauf muß seine Frau gestorben sein; denn er verheiratete sich 1605 zum
zweitenmale. Auch einige datirte Bilder sind uns aus dieser Zwischenzeit er¬
halten: eine holländische Landschaft mit einem von Schiffen belebten Kanäle
von 1604, in der Dresdner Galerie, und eine halb allegorische, halb realistische
Darstellung des Überflusses, welchen Erde und Meer spende», ebenfalls von
1604, im Wiener Belvedere. Mit diesem Bilde betrat Brueghel zum erstenmale


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[0427] Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei. älteren Schule, welche noch ein geringes Verständnis für die Poesie der Stim¬ mung zeigte. Solches Zusammenwirken von Künstlern ist in Flandern seit dem letzten Jahrzehnt des sechzehnten Jahrhunderts überaus häufig. Es setzt sich bis zu Teniers dem jüngern fort und wurde auch in Holland vielfach nachgeahmt. Zu einer feststehenden künstlerischen Gewohnheit hat es sich jedoch nur in Ant¬ werpen ausgebildet, wo sich in der Zeit von 1600 bis 1630 eine Künstlerschar von seltener Betriebsamkeit zusammenfand. Der erste Zweck, den man damit verband, war ein rein geschäftlicher. Man wollte durch diese Arbeitsteilung die Produktionskraft steigern und dem Bedürfnis der Käufer entgegenkommen. Mit dem Sinken der Kunst in Italien war die niederländische Malerei in die Mode gekommen. In dem Grade, als die Kunstsammler sich mehrten, wuchs auch die Neigung für die nordische Kabinetsmalerei, da sich doch niemand die großen Kirchenbilder der italienischen Manieristen und Eklektiker in die Wohnräume und Studios hängen konnte. Aus dem Zusammenwirken zweier Künstler ergab sich dann noch ein andrer Vorteil. Wie sehr mußte eine Landschaft gewinnen, wenn sich ein Mann wie Rubens dazu bestimmen ließ, die Figuren hineinzumalen! Jan Brueghel war, dank seiner Freundschaft mit dem berühmten Haupte der Antwerpener Schule, oft in der angenehmen Lage, sich der Mitarbeiterschaft des Rubens zu erfreuen, der aber auch seinerseits den älteren Meister so hoch schätzte, daß er ihn nicht minder oft heranzog, um landschaftliche Hintergründe für seine Kompositionen zu malen, wenn er nicht die Zeit dazu hatte. Denn Ru¬ bens war selbst ein ausgezeichneter Landschaftsmaler, der beste, vielseitigste, Poesiereichste und empfindungsvollste überhaupt, welchen die flämische Schule hervorgebracht hat. Wenn Rubens und Brueghel zusammenarbeiteten, war stets die Folge ein Meisterwerk. Es ist, als ob die Kraft Brueghels gewachsen sei sich ausgedehnt und vertieft habe, wenn der jüngere Meister den Glanz seiner unvergleichlich reichen Palette in einem Blumen- oder Fruchtkranze Brueghels oder in einer seiner sonnigen Landschaften zu entfalten begann. Bis der Briefwechsel mit dem Erzbischof von Mailand wieder in Gang kam, sind wir in betreff des weiteren Lebensganges unsers Meisters auf andre Nachrichten angewiesen. Wir erfahren, daß er sich im Jahre 1598 mit der Tochter des Kupferstechers Geeraard de Jode verheiratete, daß ihm 1601 ein Sohn namens Jan, der nachmalige Maler, dessen Arbeiten sehr häufig mit denen des Vaters verwechselt werden, und später eine Tochter geboren wurde. Bald darauf muß seine Frau gestorben sein; denn er verheiratete sich 1605 zum zweitenmale. Auch einige datirte Bilder sind uns aus dieser Zwischenzeit er¬ halten: eine holländische Landschaft mit einem von Schiffen belebten Kanäle von 1604, in der Dresdner Galerie, und eine halb allegorische, halb realistische Darstellung des Überflusses, welchen Erde und Meer spende», ebenfalls von 1604, im Wiener Belvedere. Mit diesem Bilde betrat Brueghel zum erstenmale

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/427>, abgerufen am 28.12.2024.