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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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pfisters Mühle.
Ein Sommerferienheft von Wilhelm Raabe. (Fortsetzung.)

' ^ t-
ZMwes setzte meine Mütze auf und nahm den Arm meines alten,
einst so fröhlichen Vaters. Er hatte mich sorgsam und nach bestem
Verständnis geführt, solange er die alte Lust, das alte Behagen
an seinem Leben hatte. Heute Abend auf der steilen Treppe,
auf dem Wege zu unserm beiderseitigen Freunde, Doktor Adam
Asche, überkam mich zum erstenmal die Gewißheit, daß in näherer oder fernerer
Zeit an mir wohl die Reihe sein werde, sorgsam und liebevoll seine Schritte
zu unterstützen. Es war kein kleiner Trost, daß das lichte, liebe Bild, das er
eben durch Erwähnung meiner Mutter wachgerufen hatte, uns freundlich und
ruhig und lächelnd voranglitt.

Die Witterung draußen war längst nicht so behaglich, wie sie sich vom
Fenster aus ansehen ließ. Der Wind blies scharf, und ich hatte häufig die
Kappe mit der freien Hand zu halten auf dem Wege zu "unserm Freunde."

Der pflegte, wie gesagt, häufig mit seinen Wohnungen zu wechseln, wenn
er im Lande war, das heißt wenn er sich in seiner Vaterstadt aufhielt. Dies¬
mal hatte er sein Quartier in einer entlegenen Vorstadt aufgeschlagen und zwar,
wie immer, nicht ohne seine Gründe dazu zu haben, und ich, der ich, um die
Schülerredensart zu gebrauchen, die Gegend und Umgegend natürlich wie meine
Tasche kannte, hatte zwischen den Gartenbecken und Mauern, den Gartenhäusern
und Neubauten in dem nur hier und da durch eine trübflackernde Laterne er¬
hellten Abenddunkel mehr als einmal anzuhalten, um mich des rechten Weges
zu ihm zu vergewissern.

Ein enger Pfad zwischen zwei triefenden Hecken brachte uns zu einer
letzten Menschencmsiedlung, einem dreistöckigen kahlen Gebäude, mit welchem die
Stadt bis jetzt zu Ende war und hinter welchem das freie Feld begann. Aber




pfisters Mühle.
Ein Sommerferienheft von Wilhelm Raabe. (Fortsetzung.)

' ^ t-
ZMwes setzte meine Mütze auf und nahm den Arm meines alten,
einst so fröhlichen Vaters. Er hatte mich sorgsam und nach bestem
Verständnis geführt, solange er die alte Lust, das alte Behagen
an seinem Leben hatte. Heute Abend auf der steilen Treppe,
auf dem Wege zu unserm beiderseitigen Freunde, Doktor Adam
Asche, überkam mich zum erstenmal die Gewißheit, daß in näherer oder fernerer
Zeit an mir wohl die Reihe sein werde, sorgsam und liebevoll seine Schritte
zu unterstützen. Es war kein kleiner Trost, daß das lichte, liebe Bild, das er
eben durch Erwähnung meiner Mutter wachgerufen hatte, uns freundlich und
ruhig und lächelnd voranglitt.

Die Witterung draußen war längst nicht so behaglich, wie sie sich vom
Fenster aus ansehen ließ. Der Wind blies scharf, und ich hatte häufig die
Kappe mit der freien Hand zu halten auf dem Wege zu „unserm Freunde."

Der pflegte, wie gesagt, häufig mit seinen Wohnungen zu wechseln, wenn
er im Lande war, das heißt wenn er sich in seiner Vaterstadt aufhielt. Dies¬
mal hatte er sein Quartier in einer entlegenen Vorstadt aufgeschlagen und zwar,
wie immer, nicht ohne seine Gründe dazu zu haben, und ich, der ich, um die
Schülerredensart zu gebrauchen, die Gegend und Umgegend natürlich wie meine
Tasche kannte, hatte zwischen den Gartenbecken und Mauern, den Gartenhäusern
und Neubauten in dem nur hier und da durch eine trübflackernde Laterne er¬
hellten Abenddunkel mehr als einmal anzuhalten, um mich des rechten Weges
zu ihm zu vergewissern.

Ein enger Pfad zwischen zwei triefenden Hecken brachte uns zu einer
letzten Menschencmsiedlung, einem dreistöckigen kahlen Gebäude, mit welchem die
Stadt bis jetzt zu Ende war und hinter welchem das freie Feld begann. Aber


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[0196] [Abbildung] pfisters Mühle. Ein Sommerferienheft von Wilhelm Raabe. (Fortsetzung.) ' ^ t- ZMwes setzte meine Mütze auf und nahm den Arm meines alten, einst so fröhlichen Vaters. Er hatte mich sorgsam und nach bestem Verständnis geführt, solange er die alte Lust, das alte Behagen an seinem Leben hatte. Heute Abend auf der steilen Treppe, auf dem Wege zu unserm beiderseitigen Freunde, Doktor Adam Asche, überkam mich zum erstenmal die Gewißheit, daß in näherer oder fernerer Zeit an mir wohl die Reihe sein werde, sorgsam und liebevoll seine Schritte zu unterstützen. Es war kein kleiner Trost, daß das lichte, liebe Bild, das er eben durch Erwähnung meiner Mutter wachgerufen hatte, uns freundlich und ruhig und lächelnd voranglitt. Die Witterung draußen war längst nicht so behaglich, wie sie sich vom Fenster aus ansehen ließ. Der Wind blies scharf, und ich hatte häufig die Kappe mit der freien Hand zu halten auf dem Wege zu „unserm Freunde." Der pflegte, wie gesagt, häufig mit seinen Wohnungen zu wechseln, wenn er im Lande war, das heißt wenn er sich in seiner Vaterstadt aufhielt. Dies¬ mal hatte er sein Quartier in einer entlegenen Vorstadt aufgeschlagen und zwar, wie immer, nicht ohne seine Gründe dazu zu haben, und ich, der ich, um die Schülerredensart zu gebrauchen, die Gegend und Umgegend natürlich wie meine Tasche kannte, hatte zwischen den Gartenbecken und Mauern, den Gartenhäusern und Neubauten in dem nur hier und da durch eine trübflackernde Laterne er¬ hellten Abenddunkel mehr als einmal anzuhalten, um mich des rechten Weges zu ihm zu vergewissern. Ein enger Pfad zwischen zwei triefenden Hecken brachte uns zu einer letzten Menschencmsiedlung, einem dreistöckigen kahlen Gebäude, mit welchem die Stadt bis jetzt zu Ende war und hinter welchem das freie Feld begann. Aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/196>, abgerufen am 27.12.2024.