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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Die Wahrheit über die Katastrophe vou Ze"a,

werden müssen. Die Kirche aber würde sehr gerne den Lehrer entlasten und
besondre Küster in ihren Dienst stellen. Es wird dies gewiß auch im Laufe
der Zeit geschehen; der Staat wird seine Lehrer besolden^ die Kirche die Küster
und Glöckner. Aber unumgänglich erscheint es, daß für die letztem die ursprüng¬
lich dazu ausgeworfenen Besoldungen freigegeben werden.

Wenn endlich vor zwei Jahren eine andre Kasseler Lehrerversammlung
einstimmig forderte, den jungen Lehrern solle aufgegeben werden, statt sechs
Wochen ein volles Jahr als Einjähriger des Königs Rock zu tragen, weil hier¬
durch das Ansehen des Lehrerstandes wesentlich wachsen würde, so halten wir
das für unpraktisch und für den Ausfluß eines krankhaften Ehrgeizes. Der
letztere tritt auch sonst manchmal zu Tage. Viele Eltern junger Lehrer sind
über jenen Antrag lebhaft erschrocken, denn die Mittel des Bauern und des
Lehrers, der seinen Sohn wieder fürs Lehramt vorbereiten läßt, reichen oft
kaum soweit, daß die Kosten für die Präparandenschule (2--3 Jahre) und den
Aufenthalt auf dem Seminar (3 Jahre) ohne Anleihe bei andern bestritten
werden können. Solche thörichte Wünsche sollen uns aber nicht abhalten, dem
Stande der Lehrer und ihren Dcsiderien Wohlwollen und freundliche Beachtung
entgegenzubringen.




Die Wahrheit über die Katastrophe von Jena.
2.

in Frage nach den Ursachen der Niederlage, die Preußen 1806
erlitt, ist mit den Auszügen aus der Goltzschen Schrift, die wir
im letzten Hefte brachten, noch nicht genügend beantwortet. Im
folgenden führen wir den Lesern die weitern Ursachen des Falles
des alten preußischen Staates vor Augen, indem wir hinsichtlich
des Details wieder auf das Buch selbst verweisen.

Obenan steht uuter jenen Ursachen eine Politik, welche in den Jahren
1806 und 1806 die ärgsten Mißgriffe beging. Nur unerhörte Verblendung
konnte Hardenberg und Haugwitz einem Manne wie Napoleon gegenüber daran
denken lassen, aus der damaligen Krisis Gewinn einzuheimsen, ohne das Schwert
zu ziehen und ihn zu erkämpfen. Als dann im Januar 1306 der größte Teil
des preußischen Heeres auf Friedensfuß gesetzt und in die Garnisonen heimge¬
schickt wurde, während die Franzosen noch in Süddeutschland standen, liefert


Die Wahrheit über die Katastrophe vou Ze»a,

werden müssen. Die Kirche aber würde sehr gerne den Lehrer entlasten und
besondre Küster in ihren Dienst stellen. Es wird dies gewiß auch im Laufe
der Zeit geschehen; der Staat wird seine Lehrer besolden^ die Kirche die Küster
und Glöckner. Aber unumgänglich erscheint es, daß für die letztem die ursprüng¬
lich dazu ausgeworfenen Besoldungen freigegeben werden.

Wenn endlich vor zwei Jahren eine andre Kasseler Lehrerversammlung
einstimmig forderte, den jungen Lehrern solle aufgegeben werden, statt sechs
Wochen ein volles Jahr als Einjähriger des Königs Rock zu tragen, weil hier¬
durch das Ansehen des Lehrerstandes wesentlich wachsen würde, so halten wir
das für unpraktisch und für den Ausfluß eines krankhaften Ehrgeizes. Der
letztere tritt auch sonst manchmal zu Tage. Viele Eltern junger Lehrer sind
über jenen Antrag lebhaft erschrocken, denn die Mittel des Bauern und des
Lehrers, der seinen Sohn wieder fürs Lehramt vorbereiten läßt, reichen oft
kaum soweit, daß die Kosten für die Präparandenschule (2—3 Jahre) und den
Aufenthalt auf dem Seminar (3 Jahre) ohne Anleihe bei andern bestritten
werden können. Solche thörichte Wünsche sollen uns aber nicht abhalten, dem
Stande der Lehrer und ihren Dcsiderien Wohlwollen und freundliche Beachtung
entgegenzubringen.




Die Wahrheit über die Katastrophe von Jena.
2.

in Frage nach den Ursachen der Niederlage, die Preußen 1806
erlitt, ist mit den Auszügen aus der Goltzschen Schrift, die wir
im letzten Hefte brachten, noch nicht genügend beantwortet. Im
folgenden führen wir den Lesern die weitern Ursachen des Falles
des alten preußischen Staates vor Augen, indem wir hinsichtlich
des Details wieder auf das Buch selbst verweisen.

Obenan steht uuter jenen Ursachen eine Politik, welche in den Jahren
1806 und 1806 die ärgsten Mißgriffe beging. Nur unerhörte Verblendung
konnte Hardenberg und Haugwitz einem Manne wie Napoleon gegenüber daran
denken lassen, aus der damaligen Krisis Gewinn einzuheimsen, ohne das Schwert
zu ziehen und ihn zu erkämpfen. Als dann im Januar 1306 der größte Teil
des preußischen Heeres auf Friedensfuß gesetzt und in die Garnisonen heimge¬
schickt wurde, während die Franzosen noch in Süddeutschland standen, liefert


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[0615] Die Wahrheit über die Katastrophe vou Ze»a, werden müssen. Die Kirche aber würde sehr gerne den Lehrer entlasten und besondre Küster in ihren Dienst stellen. Es wird dies gewiß auch im Laufe der Zeit geschehen; der Staat wird seine Lehrer besolden^ die Kirche die Küster und Glöckner. Aber unumgänglich erscheint es, daß für die letztem die ursprüng¬ lich dazu ausgeworfenen Besoldungen freigegeben werden. Wenn endlich vor zwei Jahren eine andre Kasseler Lehrerversammlung einstimmig forderte, den jungen Lehrern solle aufgegeben werden, statt sechs Wochen ein volles Jahr als Einjähriger des Königs Rock zu tragen, weil hier¬ durch das Ansehen des Lehrerstandes wesentlich wachsen würde, so halten wir das für unpraktisch und für den Ausfluß eines krankhaften Ehrgeizes. Der letztere tritt auch sonst manchmal zu Tage. Viele Eltern junger Lehrer sind über jenen Antrag lebhaft erschrocken, denn die Mittel des Bauern und des Lehrers, der seinen Sohn wieder fürs Lehramt vorbereiten läßt, reichen oft kaum soweit, daß die Kosten für die Präparandenschule (2—3 Jahre) und den Aufenthalt auf dem Seminar (3 Jahre) ohne Anleihe bei andern bestritten werden können. Solche thörichte Wünsche sollen uns aber nicht abhalten, dem Stande der Lehrer und ihren Dcsiderien Wohlwollen und freundliche Beachtung entgegenzubringen. Die Wahrheit über die Katastrophe von Jena. 2. in Frage nach den Ursachen der Niederlage, die Preußen 1806 erlitt, ist mit den Auszügen aus der Goltzschen Schrift, die wir im letzten Hefte brachten, noch nicht genügend beantwortet. Im folgenden führen wir den Lesern die weitern Ursachen des Falles des alten preußischen Staates vor Augen, indem wir hinsichtlich des Details wieder auf das Buch selbst verweisen. Obenan steht uuter jenen Ursachen eine Politik, welche in den Jahren 1806 und 1806 die ärgsten Mißgriffe beging. Nur unerhörte Verblendung konnte Hardenberg und Haugwitz einem Manne wie Napoleon gegenüber daran denken lassen, aus der damaligen Krisis Gewinn einzuheimsen, ohne das Schwert zu ziehen und ihn zu erkämpfen. Als dann im Januar 1306 der größte Teil des preußischen Heeres auf Friedensfuß gesetzt und in die Garnisonen heimge¬ schickt wurde, während die Franzosen noch in Süddeutschland standen, liefert

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/615>, abgerufen am 01.09.2024.