Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Desideria der Llementarlehrer.

des Lehrers stützen wollte Das letztere ist gerade seine schönste und angenehmste
Aufgabe. Auf dem Lande kann diese Funktion zum Heil und Gewinn der
Schule füglich aber nur dem Geistlichen übertragen werden.

Hat auf seiner diesjährigen Versammlung der liberale Schulverein für
Rheinland und Westfalen unter dem Vorsitz von Professor Jürgen Bona Meyer
aus Bonn sich einstimmig für Beibehaltung der Lokalschulinspektion ausgesprochen
und diese kollegial gehandhabt haben wollen, so erscheint diese Meinung wohl
nicht bloß uns, sondern gewiß vielen erfahrenen Pädagogen als sehr unprak¬
tikabel. Die Schulaufsicht kann nicht ein ganzes Kollegium führen, sondern sie
muß in einer einzigen Hand liegen. Alle wichtigeren, die Schule und den Unter¬
richt betreffenden Fragen werden ja ohnehin den Schulvorstand beschäftigen,
in welchem der Lehrer Sitz und Stimme haben muß. Die eigentliche Schul¬
aufsicht indeß muß einem Manne übertragen werden, und hierzu muß
man denjenigen wählen, der an Bildung, Erfuhrung und Einsicht den andern
Mitgliedern des Schulvorstandes überlegen ist. Man findet nicht selten auf
dem Lande bei verständigen Bauern ein sehr treffendes, gesundes Urteil, mehr
als der Städter glaubt und ahnt. Manche Urteile, die wir gehört, trafen den
Nagel auf den Kopf. So haben wir wiederholt die Frage aufgeworfen: Soll
man den Leuten Recht geben, welche die Lokalschulaufsicht ganz beseitigt sehen
möchten? Darauf ist uns stets von recht verständigen Männern vom Lande,
die mit den Verhältnissen auf den Dörfern genau vertraut waren, mit einem
entschiedenen Nein geantwortet worden. Jedermann aber, die meisten Lehrer mit
eingeschlossen, findet es naturgemäß, wenn die Geistlichen mit dieser Aufsicht
betraut werden. Dabei wird es, wie wir glauben, gewiß auch sein Bewenden
behalten.

Noch erübrigt, da hier von der Stellung des Lehrers zum Geistlichen die
Rede ist, ein kurzes Wort über die meist mit den Schulstellen noch verbundenen
Funktionen des Glöckners und Küsters. Daß der Lehrer zugleich Organist und
Kantor bleibe, wie er es seit Jahrhunderten gewesen, wird man allgemein natür¬
lich finden. Wer sollte diese Unter auf dem Lande anders führen als der
Mann, der in der Schule die Jugend zu Musik und Gesang anleitet? Zu den
Dienstleistungen des Glöckners und Küsters aber finden sich, auch auf dem Lande,
andre geeignete und willige Leute. Die Kirche entläßt die Lehrer, da sie es
fast alle wünschen, gern aus diesen Funktionen; aber das eine verlangt und
erwartet sie mit Bestimmtheit, daß die früher für diese Dienste ausgeworfenen
Remunerationen nicht, wie man gern möchte, zum Lehrergchalte gerechnet,
sondern vom Staate der Kirche zur Anstellung besondrer Küster überlassen
werden. Nicht die Kirche, sondern der Staat ist es, der hier hindernd dazwischen
tritt, weil er es nicht gerne sieht, wenn die ursprünglichen Küstergehalte vom
Lehrergehalt getrennt werden. An vielen Orten würden allerdings, wenn es
geschähe, zum Normallehrergehalt (1000 Mach erkleckliche Zuschüsse geleistet


Desideria der Llementarlehrer.

des Lehrers stützen wollte Das letztere ist gerade seine schönste und angenehmste
Aufgabe. Auf dem Lande kann diese Funktion zum Heil und Gewinn der
Schule füglich aber nur dem Geistlichen übertragen werden.

Hat auf seiner diesjährigen Versammlung der liberale Schulverein für
Rheinland und Westfalen unter dem Vorsitz von Professor Jürgen Bona Meyer
aus Bonn sich einstimmig für Beibehaltung der Lokalschulinspektion ausgesprochen
und diese kollegial gehandhabt haben wollen, so erscheint diese Meinung wohl
nicht bloß uns, sondern gewiß vielen erfahrenen Pädagogen als sehr unprak¬
tikabel. Die Schulaufsicht kann nicht ein ganzes Kollegium führen, sondern sie
muß in einer einzigen Hand liegen. Alle wichtigeren, die Schule und den Unter¬
richt betreffenden Fragen werden ja ohnehin den Schulvorstand beschäftigen,
in welchem der Lehrer Sitz und Stimme haben muß. Die eigentliche Schul¬
aufsicht indeß muß einem Manne übertragen werden, und hierzu muß
man denjenigen wählen, der an Bildung, Erfuhrung und Einsicht den andern
Mitgliedern des Schulvorstandes überlegen ist. Man findet nicht selten auf
dem Lande bei verständigen Bauern ein sehr treffendes, gesundes Urteil, mehr
als der Städter glaubt und ahnt. Manche Urteile, die wir gehört, trafen den
Nagel auf den Kopf. So haben wir wiederholt die Frage aufgeworfen: Soll
man den Leuten Recht geben, welche die Lokalschulaufsicht ganz beseitigt sehen
möchten? Darauf ist uns stets von recht verständigen Männern vom Lande,
die mit den Verhältnissen auf den Dörfern genau vertraut waren, mit einem
entschiedenen Nein geantwortet worden. Jedermann aber, die meisten Lehrer mit
eingeschlossen, findet es naturgemäß, wenn die Geistlichen mit dieser Aufsicht
betraut werden. Dabei wird es, wie wir glauben, gewiß auch sein Bewenden
behalten.

Noch erübrigt, da hier von der Stellung des Lehrers zum Geistlichen die
Rede ist, ein kurzes Wort über die meist mit den Schulstellen noch verbundenen
Funktionen des Glöckners und Küsters. Daß der Lehrer zugleich Organist und
Kantor bleibe, wie er es seit Jahrhunderten gewesen, wird man allgemein natür¬
lich finden. Wer sollte diese Unter auf dem Lande anders führen als der
Mann, der in der Schule die Jugend zu Musik und Gesang anleitet? Zu den
Dienstleistungen des Glöckners und Küsters aber finden sich, auch auf dem Lande,
andre geeignete und willige Leute. Die Kirche entläßt die Lehrer, da sie es
fast alle wünschen, gern aus diesen Funktionen; aber das eine verlangt und
erwartet sie mit Bestimmtheit, daß die früher für diese Dienste ausgeworfenen
Remunerationen nicht, wie man gern möchte, zum Lehrergchalte gerechnet,
sondern vom Staate der Kirche zur Anstellung besondrer Küster überlassen
werden. Nicht die Kirche, sondern der Staat ist es, der hier hindernd dazwischen
tritt, weil er es nicht gerne sieht, wenn die ursprünglichen Küstergehalte vom
Lehrergehalt getrennt werden. An vielen Orten würden allerdings, wenn es
geschähe, zum Normallehrergehalt (1000 Mach erkleckliche Zuschüsse geleistet


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0614" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154779"/>
          <fw type="header" place="top"> Desideria der Llementarlehrer.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1825" prev="#ID_1824"> des Lehrers stützen wollte Das letztere ist gerade seine schönste und angenehmste<lb/>
Aufgabe. Auf dem Lande kann diese Funktion zum Heil und Gewinn der<lb/>
Schule füglich aber nur dem Geistlichen übertragen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1826"> Hat auf seiner diesjährigen Versammlung der liberale Schulverein für<lb/>
Rheinland und Westfalen unter dem Vorsitz von Professor Jürgen Bona Meyer<lb/>
aus Bonn sich einstimmig für Beibehaltung der Lokalschulinspektion ausgesprochen<lb/>
und diese kollegial gehandhabt haben wollen, so erscheint diese Meinung wohl<lb/>
nicht bloß uns, sondern gewiß vielen erfahrenen Pädagogen als sehr unprak¬<lb/>
tikabel. Die Schulaufsicht kann nicht ein ganzes Kollegium führen, sondern sie<lb/>
muß in einer einzigen Hand liegen. Alle wichtigeren, die Schule und den Unter¬<lb/>
richt betreffenden Fragen werden ja ohnehin den Schulvorstand beschäftigen,<lb/>
in welchem der Lehrer Sitz und Stimme haben muß. Die eigentliche Schul¬<lb/>
aufsicht indeß muß einem Manne übertragen werden, und hierzu muß<lb/>
man denjenigen wählen, der an Bildung, Erfuhrung und Einsicht den andern<lb/>
Mitgliedern des Schulvorstandes überlegen ist. Man findet nicht selten auf<lb/>
dem Lande bei verständigen Bauern ein sehr treffendes, gesundes Urteil, mehr<lb/>
als der Städter glaubt und ahnt. Manche Urteile, die wir gehört, trafen den<lb/>
Nagel auf den Kopf. So haben wir wiederholt die Frage aufgeworfen: Soll<lb/>
man den Leuten Recht geben, welche die Lokalschulaufsicht ganz beseitigt sehen<lb/>
möchten? Darauf ist uns stets von recht verständigen Männern vom Lande,<lb/>
die mit den Verhältnissen auf den Dörfern genau vertraut waren, mit einem<lb/>
entschiedenen Nein geantwortet worden. Jedermann aber, die meisten Lehrer mit<lb/>
eingeschlossen, findet es naturgemäß, wenn die Geistlichen mit dieser Aufsicht<lb/>
betraut werden. Dabei wird es, wie wir glauben, gewiß auch sein Bewenden<lb/>
behalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1827" next="#ID_1828"> Noch erübrigt, da hier von der Stellung des Lehrers zum Geistlichen die<lb/>
Rede ist, ein kurzes Wort über die meist mit den Schulstellen noch verbundenen<lb/>
Funktionen des Glöckners und Küsters. Daß der Lehrer zugleich Organist und<lb/>
Kantor bleibe, wie er es seit Jahrhunderten gewesen, wird man allgemein natür¬<lb/>
lich finden. Wer sollte diese Unter auf dem Lande anders führen als der<lb/>
Mann, der in der Schule die Jugend zu Musik und Gesang anleitet? Zu den<lb/>
Dienstleistungen des Glöckners und Küsters aber finden sich, auch auf dem Lande,<lb/>
andre geeignete und willige Leute. Die Kirche entläßt die Lehrer, da sie es<lb/>
fast alle wünschen, gern aus diesen Funktionen; aber das eine verlangt und<lb/>
erwartet sie mit Bestimmtheit, daß die früher für diese Dienste ausgeworfenen<lb/>
Remunerationen nicht, wie man gern möchte, zum Lehrergchalte gerechnet,<lb/>
sondern vom Staate der Kirche zur Anstellung besondrer Küster überlassen<lb/>
werden. Nicht die Kirche, sondern der Staat ist es, der hier hindernd dazwischen<lb/>
tritt, weil er es nicht gerne sieht, wenn die ursprünglichen Küstergehalte vom<lb/>
Lehrergehalt getrennt werden. An vielen Orten würden allerdings, wenn es<lb/>
geschähe, zum Normallehrergehalt (1000 Mach erkleckliche Zuschüsse geleistet</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0614] Desideria der Llementarlehrer. des Lehrers stützen wollte Das letztere ist gerade seine schönste und angenehmste Aufgabe. Auf dem Lande kann diese Funktion zum Heil und Gewinn der Schule füglich aber nur dem Geistlichen übertragen werden. Hat auf seiner diesjährigen Versammlung der liberale Schulverein für Rheinland und Westfalen unter dem Vorsitz von Professor Jürgen Bona Meyer aus Bonn sich einstimmig für Beibehaltung der Lokalschulinspektion ausgesprochen und diese kollegial gehandhabt haben wollen, so erscheint diese Meinung wohl nicht bloß uns, sondern gewiß vielen erfahrenen Pädagogen als sehr unprak¬ tikabel. Die Schulaufsicht kann nicht ein ganzes Kollegium führen, sondern sie muß in einer einzigen Hand liegen. Alle wichtigeren, die Schule und den Unter¬ richt betreffenden Fragen werden ja ohnehin den Schulvorstand beschäftigen, in welchem der Lehrer Sitz und Stimme haben muß. Die eigentliche Schul¬ aufsicht indeß muß einem Manne übertragen werden, und hierzu muß man denjenigen wählen, der an Bildung, Erfuhrung und Einsicht den andern Mitgliedern des Schulvorstandes überlegen ist. Man findet nicht selten auf dem Lande bei verständigen Bauern ein sehr treffendes, gesundes Urteil, mehr als der Städter glaubt und ahnt. Manche Urteile, die wir gehört, trafen den Nagel auf den Kopf. So haben wir wiederholt die Frage aufgeworfen: Soll man den Leuten Recht geben, welche die Lokalschulaufsicht ganz beseitigt sehen möchten? Darauf ist uns stets von recht verständigen Männern vom Lande, die mit den Verhältnissen auf den Dörfern genau vertraut waren, mit einem entschiedenen Nein geantwortet worden. Jedermann aber, die meisten Lehrer mit eingeschlossen, findet es naturgemäß, wenn die Geistlichen mit dieser Aufsicht betraut werden. Dabei wird es, wie wir glauben, gewiß auch sein Bewenden behalten. Noch erübrigt, da hier von der Stellung des Lehrers zum Geistlichen die Rede ist, ein kurzes Wort über die meist mit den Schulstellen noch verbundenen Funktionen des Glöckners und Küsters. Daß der Lehrer zugleich Organist und Kantor bleibe, wie er es seit Jahrhunderten gewesen, wird man allgemein natür¬ lich finden. Wer sollte diese Unter auf dem Lande anders führen als der Mann, der in der Schule die Jugend zu Musik und Gesang anleitet? Zu den Dienstleistungen des Glöckners und Küsters aber finden sich, auch auf dem Lande, andre geeignete und willige Leute. Die Kirche entläßt die Lehrer, da sie es fast alle wünschen, gern aus diesen Funktionen; aber das eine verlangt und erwartet sie mit Bestimmtheit, daß die früher für diese Dienste ausgeworfenen Remunerationen nicht, wie man gern möchte, zum Lehrergchalte gerechnet, sondern vom Staate der Kirche zur Anstellung besondrer Küster überlassen werden. Nicht die Kirche, sondern der Staat ist es, der hier hindernd dazwischen tritt, weil er es nicht gerne sieht, wenn die ursprünglichen Küstergehalte vom Lehrergehalt getrennt werden. An vielen Orten würden allerdings, wenn es geschähe, zum Normallehrergehalt (1000 Mach erkleckliche Zuschüsse geleistet

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/614
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/614>, abgerufen am 28.07.2024.