Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.Der neue Merlin. N Adolf Stern. ovelle von meer Lachen und fröhlichem Geplauder war die kleine deutsche Der junge Kunsthistoriker Friedrich Carstens, welcher auf dem Eiland ver¬ Grenzboten IV. 1888. 72
Der neue Merlin. N Adolf Stern. ovelle von meer Lachen und fröhlichem Geplauder war die kleine deutsche Der junge Kunsthistoriker Friedrich Carstens, welcher auf dem Eiland ver¬ Grenzboten IV. 1888. 72
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[Abbildung]
Der neue Merlin.
N Adolf Stern. ovelle von
meer Lachen und fröhlichem Geplauder war die kleine deutsche
Gesellschaft, die in drei Gondeln von Venedig nach Torcello ge¬
kommen war, durch die Weingärten der einsamen Insel gestreift
und hatte nach dem Hause geforscht, in welchem ein Landsmann,
den sie besuchen wollten, schon seit einer Woche Unterkunft ge¬
funden hatte. Aber ehe sie an die kleine spitzbogige Thür zu pochen vermochten,
die einzige in der langen Mauer eines einstöckigen Hauses, das seine Fenster
dein Wasser zukehrte, war ihnen ihr Genosse schon aus eben dieser Thür ent¬
gegengetreten.
Der junge Kunsthistoriker Friedrich Carstens, welcher auf dem Eiland ver¬
weilte, um seine Studien zur Geschichte der ältesten christlichen Architektur zu
fördern, hatte nach rascher Begrüßung seine Freunde und Freundinnen zur
Piazza geführt, an deren rechtem Ende ein einfaches Weinhaus mit einem
schattengebenden Zelte stand. Hier ward der vortreffliche Valpolicella des Sor
Cristoforo gekostet und von den aus Venedig mitgebrachten Vorräten ein Früh¬
stück gehalten, bei dem sich frohen Mutes austauschen ließ, was die Ankömm¬
linge in den letzten Wochen erlebt und geschaut hatten. Die jungen Damen,
ganz erfüllt von den Herrlichkeiten Venedigs, stürmte» ans Doktor Friedrich
Carstens ein, wie lange er noch in der Stille von Torcello verweilen wolle, und
erhielten statt der Antwort ein Skizzenbuch mit einer Anzahl Zeichnungen von
Thüren und Fenstern, Säulen und Nischen, Karyatiden und Kapitalen gezeigt.
Vieles darunter war erst angefangen und harrte noch der Vollendung — alles
verriet, mit welchem innern Anteil und welcher Sorgfalt der Kunsthistoriker die
Zeugnisse vergangener Tage nachbildete. Die Mädchen blätterten neugierig und
wißbegierig in dem Skizzenbuch, und die älteste von ihnen, eine zweiundzwanzig-
jährige schlanke Blondine mit leuchtend blauen Augen, versagte sich nicht, in
einer glücklich erhaschten Minute dem jungen Manne die Hand zu drücken. Ihr
Grenzboten IV. 1888. 72
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