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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Das Unwesen der Lotterien.

Reitpferd gewinnt? Natürlich ist sofort ein schlauer Händler zur Stelle und
bietet ihr für ihren Gewinn die Hälfte des Wertes. Und die Gewinnerin, in
der Freude ihres Herzens, und da sie ihren Gewinn doch nicht auch nur
eine Stunde unterbringen könnte, schlägt sofort zu. So werden nicht allein
die Verlierenden, sondern auch die Gewinnenden bei dieser Gelegenheit aus¬
gebeutet.

Durch diesen häufigen Gebrauch ist es dahin gekommen, daß man die
Veranstaltung einer Lotterie als ein ganz normales Mittel für alle mög¬
lichen Zwecke ansieht. In dieser und jener Stadt werden Unternehmungen
geplant, für welche die Mittel der Stadt offenbar nicht ausreichen, bei welchen
man aber, offen oder geheim, auf eine Lotterie spekulirt. Warum sollte man
auch nicht? Was der einen Stadt recht ist, ist der andern billig. Eine Lot¬
terie ist der artesische Brunnen, mittelst dessen man an jeder Stelle nach Be¬
lieben Geld ans dem Boden pumpen kann. Auch die kleine Presse begünstigt
oft diesen Unfug. Sie empfiehlt eifrig solche Lotterien und wünscht ihnen
besten Erfolg.

Wir sind der Ansicht, daß hierin ein arger Mißbrauch liege. Trotz des
Fortbestandes der Staatslotterien ist das Lotteriespiel im allgemeinen doch noch
nicht zu einer schönen Institution geworden. Im Gegenteil, wir behaupte",
daß es vom sittlichen wie vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus nachteilig
für unser Volk wirke. Wir können auch hierbei nicht dem Satze huldigen, daß
der Zweck die Mittel heilige. Auch ist es ein sonderbarer Widerspruch, daß
man in vielen andern Stücken unser Volk zur Sparsamkeit zu erziehen sucht,
während man mittelst dieser Lotterien der Vergeudung die Hand bietet. Wir
möchten deshalb den Wunsch aussprechen, daß diejenigen, welche zu der Ver¬
anstaltung einer Lotterie die obrigkeitliche Erlaubnis zu erteilen haben,
bei Erteilung dieser Erlaubnis bedenklicher zu Werke gehen und nicht das
Lotteriespielen zu einer organischen Institution unsers Volkslebens erheben.




Das Unwesen der Lotterien.

Reitpferd gewinnt? Natürlich ist sofort ein schlauer Händler zur Stelle und
bietet ihr für ihren Gewinn die Hälfte des Wertes. Und die Gewinnerin, in
der Freude ihres Herzens, und da sie ihren Gewinn doch nicht auch nur
eine Stunde unterbringen könnte, schlägt sofort zu. So werden nicht allein
die Verlierenden, sondern auch die Gewinnenden bei dieser Gelegenheit aus¬
gebeutet.

Durch diesen häufigen Gebrauch ist es dahin gekommen, daß man die
Veranstaltung einer Lotterie als ein ganz normales Mittel für alle mög¬
lichen Zwecke ansieht. In dieser und jener Stadt werden Unternehmungen
geplant, für welche die Mittel der Stadt offenbar nicht ausreichen, bei welchen
man aber, offen oder geheim, auf eine Lotterie spekulirt. Warum sollte man
auch nicht? Was der einen Stadt recht ist, ist der andern billig. Eine Lot¬
terie ist der artesische Brunnen, mittelst dessen man an jeder Stelle nach Be¬
lieben Geld ans dem Boden pumpen kann. Auch die kleine Presse begünstigt
oft diesen Unfug. Sie empfiehlt eifrig solche Lotterien und wünscht ihnen
besten Erfolg.

Wir sind der Ansicht, daß hierin ein arger Mißbrauch liege. Trotz des
Fortbestandes der Staatslotterien ist das Lotteriespiel im allgemeinen doch noch
nicht zu einer schönen Institution geworden. Im Gegenteil, wir behaupte«,
daß es vom sittlichen wie vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus nachteilig
für unser Volk wirke. Wir können auch hierbei nicht dem Satze huldigen, daß
der Zweck die Mittel heilige. Auch ist es ein sonderbarer Widerspruch, daß
man in vielen andern Stücken unser Volk zur Sparsamkeit zu erziehen sucht,
während man mittelst dieser Lotterien der Vergeudung die Hand bietet. Wir
möchten deshalb den Wunsch aussprechen, daß diejenigen, welche zu der Ver¬
anstaltung einer Lotterie die obrigkeitliche Erlaubnis zu erteilen haben,
bei Erteilung dieser Erlaubnis bedenklicher zu Werke gehen und nicht das
Lotteriespielen zu einer organischen Institution unsers Volkslebens erheben.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/578>, abgerufen am 27.07.2024.