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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Francesca von Rimini,

senden Worte. Indem er als seine Legitimation, augesehen von dem Freund¬
schaftsverhältnis zu demi abwesenden Maler, auch noch die Pflicht anständiger
Leute anführte, gewissenlosen und feilen Ehrabschneidern entgegenzutreten, erhielt
er nur eine sehr höhnische Antwort, die Harold mit einigen Stockschlägen in das
Gesicht des Chefredakteurs erwiederte. Letzterer reagirte hierauf in keiner Weise,
und sein Blatt schwieg von dem Vorfall selbst dann, als die gleichgeartete
Oppositionspresse hiervon mit gefälliger Breite Notiz nahm. Dagegen hielt der
Redakteur des "Berliner Bürgerfreundes" es für notwendig, zur Wiederher¬
stellung seiner Gesundheit eine Reise ins Bad zu unternehmen, deren Kosten
sich ebenfalls in dem Geheimbunde der Firma Genöve und Comp. verzeichnet
finden.

Das Bild blieb nach wie vor in der Ausstellung, und auch das Schildchen
"gekrönt mit der kleinen goldnen Medaille" wurde nicht zurückgezogen. Für die
Familie Geuöve war es störend, so lange die Ausstellung geöffnet war, in Ge¬
sellschaften zu gehen oder solche zu empfangen. Dr. Spath machte den Vorschlag,
den Herbst zu einer italienischen Reise zu benutzen, wobei er der unentbehrliche
Cicerone gewesen sein würde, allein der alte Genöve zeigte sich diesmal gänzlich
widerstrebend. Was er für das Bild ausgegeben habe, äußerte er, hätte gereicht,
die ganze Ausstellung zusammenzukaufen und nach Australien zu gehe". Er
machte auch das erste mal offen dem Unwillen gegen seine Frau Luft, die das
ganze Unheil mit ihrer Bildung angerichtet Hütte; bei andern großen Vörsen-
leuten, wiederholte er oft, verkehrten keine Maler, und da kämen auch solche
Bildergeschichten nicht vor. Auch an der Börse selbst wurde er von einigen
scharfen Bemerkungen nicht verschont. Dieser Übeln Laune ihres Gemahls konnte
Bertha nicht Herrin werden, und so einigte man sich dahin, den Rest des noch
schönen Herbstes in der Villa bei Potsdam zuzubringen. Da Gretchen seit
ihrem Unfall in der Akademie schwermütig schien und das Köpfchen hängen
ließ, so wurde zu ihrer Tröstung und Erheiterung Else Müller mitgenommen.
Dr. Spath fehlte auch nicht; obwohl Max Gerson gegen seine Mitnahme Einspruch
erhob, so glaubte Bertha es ihrer Ehre und der bedrohte" Fortdauer ihrer
Alleinherrschaft schuldig zu sein, wenigstens in diesem Punkte nicht nachzugeben.


4.

Unterdeß saß derjenige, welcher an dem Eröffnungstage der Ausstellung
den Anlaß zu sovieler Unruhe gegeben hatte, zu derselben Stunde in der Eisen¬
bahn auf dem Wege nach München und Italien.

Ehe wir ihn dahin begleiten, müssen wir zu erforschen suchen, ob seinem
Bilde in der That die unedle Rache eines Künstlers zu Grunde lag.

Es war richtig, daß er seit einem Jahre in dem Hause von Gensve ver¬
kehrt hatte. Einer jener Schriftsteller, welche sich an die Künstler zu heften
verstehen und von diesen mit Rücksicht auf eine spätere Kritik zu schonen und


Francesca von Rimini,

senden Worte. Indem er als seine Legitimation, augesehen von dem Freund¬
schaftsverhältnis zu demi abwesenden Maler, auch noch die Pflicht anständiger
Leute anführte, gewissenlosen und feilen Ehrabschneidern entgegenzutreten, erhielt
er nur eine sehr höhnische Antwort, die Harold mit einigen Stockschlägen in das
Gesicht des Chefredakteurs erwiederte. Letzterer reagirte hierauf in keiner Weise,
und sein Blatt schwieg von dem Vorfall selbst dann, als die gleichgeartete
Oppositionspresse hiervon mit gefälliger Breite Notiz nahm. Dagegen hielt der
Redakteur des „Berliner Bürgerfreundes" es für notwendig, zur Wiederher¬
stellung seiner Gesundheit eine Reise ins Bad zu unternehmen, deren Kosten
sich ebenfalls in dem Geheimbunde der Firma Genöve und Comp. verzeichnet
finden.

Das Bild blieb nach wie vor in der Ausstellung, und auch das Schildchen
„gekrönt mit der kleinen goldnen Medaille" wurde nicht zurückgezogen. Für die
Familie Geuöve war es störend, so lange die Ausstellung geöffnet war, in Ge¬
sellschaften zu gehen oder solche zu empfangen. Dr. Spath machte den Vorschlag,
den Herbst zu einer italienischen Reise zu benutzen, wobei er der unentbehrliche
Cicerone gewesen sein würde, allein der alte Genöve zeigte sich diesmal gänzlich
widerstrebend. Was er für das Bild ausgegeben habe, äußerte er, hätte gereicht,
die ganze Ausstellung zusammenzukaufen und nach Australien zu gehe». Er
machte auch das erste mal offen dem Unwillen gegen seine Frau Luft, die das
ganze Unheil mit ihrer Bildung angerichtet Hütte; bei andern großen Vörsen-
leuten, wiederholte er oft, verkehrten keine Maler, und da kämen auch solche
Bildergeschichten nicht vor. Auch an der Börse selbst wurde er von einigen
scharfen Bemerkungen nicht verschont. Dieser Übeln Laune ihres Gemahls konnte
Bertha nicht Herrin werden, und so einigte man sich dahin, den Rest des noch
schönen Herbstes in der Villa bei Potsdam zuzubringen. Da Gretchen seit
ihrem Unfall in der Akademie schwermütig schien und das Köpfchen hängen
ließ, so wurde zu ihrer Tröstung und Erheiterung Else Müller mitgenommen.
Dr. Spath fehlte auch nicht; obwohl Max Gerson gegen seine Mitnahme Einspruch
erhob, so glaubte Bertha es ihrer Ehre und der bedrohte» Fortdauer ihrer
Alleinherrschaft schuldig zu sein, wenigstens in diesem Punkte nicht nachzugeben.


4.

Unterdeß saß derjenige, welcher an dem Eröffnungstage der Ausstellung
den Anlaß zu sovieler Unruhe gegeben hatte, zu derselben Stunde in der Eisen¬
bahn auf dem Wege nach München und Italien.

Ehe wir ihn dahin begleiten, müssen wir zu erforschen suchen, ob seinem
Bilde in der That die unedle Rache eines Künstlers zu Grunde lag.

Es war richtig, daß er seit einem Jahre in dem Hause von Gensve ver¬
kehrt hatte. Einer jener Schriftsteller, welche sich an die Künstler zu heften
verstehen und von diesen mit Rücksicht auf eine spätere Kritik zu schonen und


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[0166] Francesca von Rimini, senden Worte. Indem er als seine Legitimation, augesehen von dem Freund¬ schaftsverhältnis zu demi abwesenden Maler, auch noch die Pflicht anständiger Leute anführte, gewissenlosen und feilen Ehrabschneidern entgegenzutreten, erhielt er nur eine sehr höhnische Antwort, die Harold mit einigen Stockschlägen in das Gesicht des Chefredakteurs erwiederte. Letzterer reagirte hierauf in keiner Weise, und sein Blatt schwieg von dem Vorfall selbst dann, als die gleichgeartete Oppositionspresse hiervon mit gefälliger Breite Notiz nahm. Dagegen hielt der Redakteur des „Berliner Bürgerfreundes" es für notwendig, zur Wiederher¬ stellung seiner Gesundheit eine Reise ins Bad zu unternehmen, deren Kosten sich ebenfalls in dem Geheimbunde der Firma Genöve und Comp. verzeichnet finden. Das Bild blieb nach wie vor in der Ausstellung, und auch das Schildchen „gekrönt mit der kleinen goldnen Medaille" wurde nicht zurückgezogen. Für die Familie Geuöve war es störend, so lange die Ausstellung geöffnet war, in Ge¬ sellschaften zu gehen oder solche zu empfangen. Dr. Spath machte den Vorschlag, den Herbst zu einer italienischen Reise zu benutzen, wobei er der unentbehrliche Cicerone gewesen sein würde, allein der alte Genöve zeigte sich diesmal gänzlich widerstrebend. Was er für das Bild ausgegeben habe, äußerte er, hätte gereicht, die ganze Ausstellung zusammenzukaufen und nach Australien zu gehe». Er machte auch das erste mal offen dem Unwillen gegen seine Frau Luft, die das ganze Unheil mit ihrer Bildung angerichtet Hütte; bei andern großen Vörsen- leuten, wiederholte er oft, verkehrten keine Maler, und da kämen auch solche Bildergeschichten nicht vor. Auch an der Börse selbst wurde er von einigen scharfen Bemerkungen nicht verschont. Dieser Übeln Laune ihres Gemahls konnte Bertha nicht Herrin werden, und so einigte man sich dahin, den Rest des noch schönen Herbstes in der Villa bei Potsdam zuzubringen. Da Gretchen seit ihrem Unfall in der Akademie schwermütig schien und das Köpfchen hängen ließ, so wurde zu ihrer Tröstung und Erheiterung Else Müller mitgenommen. Dr. Spath fehlte auch nicht; obwohl Max Gerson gegen seine Mitnahme Einspruch erhob, so glaubte Bertha es ihrer Ehre und der bedrohte» Fortdauer ihrer Alleinherrschaft schuldig zu sein, wenigstens in diesem Punkte nicht nachzugeben. 4. Unterdeß saß derjenige, welcher an dem Eröffnungstage der Ausstellung den Anlaß zu sovieler Unruhe gegeben hatte, zu derselben Stunde in der Eisen¬ bahn auf dem Wege nach München und Italien. Ehe wir ihn dahin begleiten, müssen wir zu erforschen suchen, ob seinem Bilde in der That die unedle Rache eines Künstlers zu Grunde lag. Es war richtig, daß er seit einem Jahre in dem Hause von Gensve ver¬ kehrt hatte. Einer jener Schriftsteller, welche sich an die Künstler zu heften verstehen und von diesen mit Rücksicht auf eine spätere Kritik zu schonen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/166>, abgerufen am 13.11.2024.