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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Der Dilettantismus als Restaurator.

Geleise eingefahren, daß der Zorn eines philosophischen Professors ihn nicht
mehr umblasen wird.




Der Dilettantismus als Restaurator.

le Fürsorge für die Erhaltung von Denkmälern, welche entweder
künstlerischen oder doch geschichtlichen Wert haben, ist heutzutage
allgemein. Mit den Regierungen und Höfe" wetteifern autonome
Behörden, Vereine, Privatpersonen, der Lokalpatriotismus mit
der Wissenschaft und dem Kunstsinne. Man späht förmlich aus
nach Erbstücken der Vergangenheit, welchen die pietätvolle Gegenwart wiedercmf-
oder nachhelfen könnte. Das ist ohne Frage sehr erfreulich, und wenn auch
hie und da der Gegenstand nicht recht im Verhältnis zu dem Aufwand an
Eifer und Kraft stehen sollte, so wäre das Unglück nicht groß. Allein ebenso
unzweifelhaft gerät dieser Eifer ziemlich häufig auf Wege, die zu keinem andern
Ziele führen, als die Mißachtung des Alten, und auf denen die Pietät der
Absicht unversehens zur vollendeten Impietät des Thuns wird. Und das ver¬
schuldet der Dilettantismus.

Um jedes Mißverständnis von vornherein auszuschließen, muß bemerkt
werdeu, daß hier keineswegs eine Anklage gegen jene großen Kreise erhoben
werden soll, welche die Kunst lieben und sich mit der Kunst beschäftigen, ohne
aus derselben ihren Lebensberuf zu machen, und deren Anregung und werk¬
thätiger Förderung das Zustandekommen so vieles Schönen zu danken ist. Man
kann in allem dilettiren, auch in der Erhaltung und Wiederherstellung von
Denkmälern, und man kauu als Dilettant auf diesem Gebiete das größte Unheil
anrichten, ob man nun Kunstfreund oder Kuustgelehrter oder Künstler ist. Und
thatsächlich kommen wohl gerade die Künstler am häufigsten in die Lage, Unheil
zu stiften, weil sie selbst und mit ihnen el" zahlreiches Publikum der Ansicht
sind, daß jeder Künstler zum Konservator und Restaurator geeignet sei, mehr
geeignet als irgend ein andrer. Wo man vor einer Gewaltthat an einem
alten Werke steht, wird sich meistens ergeben, daß Gemeinden, Kirchenpatrone,
Vereine n. s. w., um ja ganz sicher zu gehen, einem Künstler die entscheidende
Stimme einräumten und die Ausführung übertrugen, ohne sich Rechenschaft
darüber zu geben, ob der in seinem speziellen Fache vielleicht ganz tüchtige
Manu auch die gründliche wissenschaftliche und ästhetische Durchbildung besitze,


Der Dilettantismus als Restaurator.

Geleise eingefahren, daß der Zorn eines philosophischen Professors ihn nicht
mehr umblasen wird.




Der Dilettantismus als Restaurator.

le Fürsorge für die Erhaltung von Denkmälern, welche entweder
künstlerischen oder doch geschichtlichen Wert haben, ist heutzutage
allgemein. Mit den Regierungen und Höfe» wetteifern autonome
Behörden, Vereine, Privatpersonen, der Lokalpatriotismus mit
der Wissenschaft und dem Kunstsinne. Man späht förmlich aus
nach Erbstücken der Vergangenheit, welchen die pietätvolle Gegenwart wiedercmf-
oder nachhelfen könnte. Das ist ohne Frage sehr erfreulich, und wenn auch
hie und da der Gegenstand nicht recht im Verhältnis zu dem Aufwand an
Eifer und Kraft stehen sollte, so wäre das Unglück nicht groß. Allein ebenso
unzweifelhaft gerät dieser Eifer ziemlich häufig auf Wege, die zu keinem andern
Ziele führen, als die Mißachtung des Alten, und auf denen die Pietät der
Absicht unversehens zur vollendeten Impietät des Thuns wird. Und das ver¬
schuldet der Dilettantismus.

Um jedes Mißverständnis von vornherein auszuschließen, muß bemerkt
werdeu, daß hier keineswegs eine Anklage gegen jene großen Kreise erhoben
werden soll, welche die Kunst lieben und sich mit der Kunst beschäftigen, ohne
aus derselben ihren Lebensberuf zu machen, und deren Anregung und werk¬
thätiger Förderung das Zustandekommen so vieles Schönen zu danken ist. Man
kann in allem dilettiren, auch in der Erhaltung und Wiederherstellung von
Denkmälern, und man kauu als Dilettant auf diesem Gebiete das größte Unheil
anrichten, ob man nun Kunstfreund oder Kuustgelehrter oder Künstler ist. Und
thatsächlich kommen wohl gerade die Künstler am häufigsten in die Lage, Unheil
zu stiften, weil sie selbst und mit ihnen el» zahlreiches Publikum der Ansicht
sind, daß jeder Künstler zum Konservator und Restaurator geeignet sei, mehr
geeignet als irgend ein andrer. Wo man vor einer Gewaltthat an einem
alten Werke steht, wird sich meistens ergeben, daß Gemeinden, Kirchenpatrone,
Vereine n. s. w., um ja ganz sicher zu gehen, einem Künstler die entscheidende
Stimme einräumten und die Ausführung übertrugen, ohne sich Rechenschaft
darüber zu geben, ob der in seinem speziellen Fache vielleicht ganz tüchtige
Manu auch die gründliche wissenschaftliche und ästhetische Durchbildung besitze,


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[0572] Der Dilettantismus als Restaurator. Geleise eingefahren, daß der Zorn eines philosophischen Professors ihn nicht mehr umblasen wird. Der Dilettantismus als Restaurator. le Fürsorge für die Erhaltung von Denkmälern, welche entweder künstlerischen oder doch geschichtlichen Wert haben, ist heutzutage allgemein. Mit den Regierungen und Höfe» wetteifern autonome Behörden, Vereine, Privatpersonen, der Lokalpatriotismus mit der Wissenschaft und dem Kunstsinne. Man späht förmlich aus nach Erbstücken der Vergangenheit, welchen die pietätvolle Gegenwart wiedercmf- oder nachhelfen könnte. Das ist ohne Frage sehr erfreulich, und wenn auch hie und da der Gegenstand nicht recht im Verhältnis zu dem Aufwand an Eifer und Kraft stehen sollte, so wäre das Unglück nicht groß. Allein ebenso unzweifelhaft gerät dieser Eifer ziemlich häufig auf Wege, die zu keinem andern Ziele führen, als die Mißachtung des Alten, und auf denen die Pietät der Absicht unversehens zur vollendeten Impietät des Thuns wird. Und das ver¬ schuldet der Dilettantismus. Um jedes Mißverständnis von vornherein auszuschließen, muß bemerkt werdeu, daß hier keineswegs eine Anklage gegen jene großen Kreise erhoben werden soll, welche die Kunst lieben und sich mit der Kunst beschäftigen, ohne aus derselben ihren Lebensberuf zu machen, und deren Anregung und werk¬ thätiger Förderung das Zustandekommen so vieles Schönen zu danken ist. Man kann in allem dilettiren, auch in der Erhaltung und Wiederherstellung von Denkmälern, und man kauu als Dilettant auf diesem Gebiete das größte Unheil anrichten, ob man nun Kunstfreund oder Kuustgelehrter oder Künstler ist. Und thatsächlich kommen wohl gerade die Künstler am häufigsten in die Lage, Unheil zu stiften, weil sie selbst und mit ihnen el» zahlreiches Publikum der Ansicht sind, daß jeder Künstler zum Konservator und Restaurator geeignet sei, mehr geeignet als irgend ein andrer. Wo man vor einer Gewaltthat an einem alten Werke steht, wird sich meistens ergeben, daß Gemeinden, Kirchenpatrone, Vereine n. s. w., um ja ganz sicher zu gehen, einem Künstler die entscheidende Stimme einräumten und die Ausführung übertrugen, ohne sich Rechenschaft darüber zu geben, ob der in seinem speziellen Fache vielleicht ganz tüchtige Manu auch die gründliche wissenschaftliche und ästhetische Durchbildung besitze,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/572>, abgerufen am 08.09.2024.