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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Zur Grinncrung an Friedrich List.

gebildeten Klassen, sondern gerade auch für die Kreise, welche dadurch genötigt
werden, ans der Stubenluft einmal für längere Zeit in eine der körperlichen
Entwicklung äußerst zuträgliche Lebensart einzutreten. Sie ist in meinen Angen
eine sast notwendige Ergänzung der allgemeinen Bildung. Allerdings ist diese
Schule wie jede andre Schule kostspielig. Aber die Kosten machen sich vielleicht
schon durch die Erhöhung der allgemeinen Produktivkraft bezahlt. Jedenfalls
glaube ich gezeigt zu haben, daß der wirtschaftliche Druck unsrer Zeit nicht
zusammenhängt mit der Militärlast. Wo derselbe zu suchen sei, habe ich schon
angedeutet in dem Artikel "Handelsprivilegicn" (1881, Ur. 52 d. Zeitschr.), und
werde es anderweit noch eingehender erörtern.




Zur Erinnerung an Friedrich List.

ville jemand beim Anblick des Namens, der sich über diesen Zeilen
befindet, sich im Augenblicke der großen Verdienste seines Trägers
zufällig nicht erinnern -- man verzeihe diese gewiß unbegründete
Annahme --, so würde ihm wohl die Vorbemerkung nicht über¬
flüssig und unwillkommen erscheinen, daß Friedrich List der erste
und größte deutsche Nationalökvnvm war, der Entdecker und Begründer des
"nationalen Wirtschaftssystems" und der Lehre vom Verkehr, der Urheber der
ersten deutschen Eisenbahnen, der mit Aufopferung seines Lebensglückes uner¬
müdliche Verfechter und Vorkämpfer der wirtschaftlichen Hebung und Einheit
Deutschlands als notwendigen Vorstufe und unbedingten Trägers der politischen
Freiheit. Das war Lift.

Fünfzig Jahre sind seit dem Beginn seiner Arbeit für den Ausbau der
deutschen Verkehrswege verflossen -- in der That, bei der gegenwärtigen Größe
ihrer Entwicklung, ihrer volkswirtschaftlichen und militärischen Aufgabe und bei
der Umgestaltung ihrer Stellung im Staate ein Zeitpunkt, seiner zu gedenken,
seine Verdienste und die Tragweite seiner Lehren, wenigstens soweit sie die Eisen¬
bahnen betreffen, zu würdigen.

Im Sommer des Jahres 1833 begann Friedrich List seine unmittelbare per¬
sönliche Thätigkeit für ein allgemeines deutsches Eisenbahnsystem, insbesondre zu¬
nächst für die Leipzig-Dresdner Eisenbahn, welche als Vorbild dienen und Regie¬
rungen und Kapitalisten zu weitern Unternehmungen begeistern sollte. Zu diesem
Zwecke war er eigens von den Vereinigten Staaten zurückgekehrt, wohin ihn
die politische Verfolgung seiner heimatlichen würtembergischen Regierung ver-


Zur Grinncrung an Friedrich List.

gebildeten Klassen, sondern gerade auch für die Kreise, welche dadurch genötigt
werden, ans der Stubenluft einmal für längere Zeit in eine der körperlichen
Entwicklung äußerst zuträgliche Lebensart einzutreten. Sie ist in meinen Angen
eine sast notwendige Ergänzung der allgemeinen Bildung. Allerdings ist diese
Schule wie jede andre Schule kostspielig. Aber die Kosten machen sich vielleicht
schon durch die Erhöhung der allgemeinen Produktivkraft bezahlt. Jedenfalls
glaube ich gezeigt zu haben, daß der wirtschaftliche Druck unsrer Zeit nicht
zusammenhängt mit der Militärlast. Wo derselbe zu suchen sei, habe ich schon
angedeutet in dem Artikel „Handelsprivilegicn" (1881, Ur. 52 d. Zeitschr.), und
werde es anderweit noch eingehender erörtern.




Zur Erinnerung an Friedrich List.

ville jemand beim Anblick des Namens, der sich über diesen Zeilen
befindet, sich im Augenblicke der großen Verdienste seines Trägers
zufällig nicht erinnern — man verzeihe diese gewiß unbegründete
Annahme —, so würde ihm wohl die Vorbemerkung nicht über¬
flüssig und unwillkommen erscheinen, daß Friedrich List der erste
und größte deutsche Nationalökvnvm war, der Entdecker und Begründer des
„nationalen Wirtschaftssystems" und der Lehre vom Verkehr, der Urheber der
ersten deutschen Eisenbahnen, der mit Aufopferung seines Lebensglückes uner¬
müdliche Verfechter und Vorkämpfer der wirtschaftlichen Hebung und Einheit
Deutschlands als notwendigen Vorstufe und unbedingten Trägers der politischen
Freiheit. Das war Lift.

Fünfzig Jahre sind seit dem Beginn seiner Arbeit für den Ausbau der
deutschen Verkehrswege verflossen — in der That, bei der gegenwärtigen Größe
ihrer Entwicklung, ihrer volkswirtschaftlichen und militärischen Aufgabe und bei
der Umgestaltung ihrer Stellung im Staate ein Zeitpunkt, seiner zu gedenken,
seine Verdienste und die Tragweite seiner Lehren, wenigstens soweit sie die Eisen¬
bahnen betreffen, zu würdigen.

Im Sommer des Jahres 1833 begann Friedrich List seine unmittelbare per¬
sönliche Thätigkeit für ein allgemeines deutsches Eisenbahnsystem, insbesondre zu¬
nächst für die Leipzig-Dresdner Eisenbahn, welche als Vorbild dienen und Regie¬
rungen und Kapitalisten zu weitern Unternehmungen begeistern sollte. Zu diesem
Zwecke war er eigens von den Vereinigten Staaten zurückgekehrt, wohin ihn
die politische Verfolgung seiner heimatlichen würtembergischen Regierung ver-


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[0390] Zur Grinncrung an Friedrich List. gebildeten Klassen, sondern gerade auch für die Kreise, welche dadurch genötigt werden, ans der Stubenluft einmal für längere Zeit in eine der körperlichen Entwicklung äußerst zuträgliche Lebensart einzutreten. Sie ist in meinen Angen eine sast notwendige Ergänzung der allgemeinen Bildung. Allerdings ist diese Schule wie jede andre Schule kostspielig. Aber die Kosten machen sich vielleicht schon durch die Erhöhung der allgemeinen Produktivkraft bezahlt. Jedenfalls glaube ich gezeigt zu haben, daß der wirtschaftliche Druck unsrer Zeit nicht zusammenhängt mit der Militärlast. Wo derselbe zu suchen sei, habe ich schon angedeutet in dem Artikel „Handelsprivilegicn" (1881, Ur. 52 d. Zeitschr.), und werde es anderweit noch eingehender erörtern. Zur Erinnerung an Friedrich List. ville jemand beim Anblick des Namens, der sich über diesen Zeilen befindet, sich im Augenblicke der großen Verdienste seines Trägers zufällig nicht erinnern — man verzeihe diese gewiß unbegründete Annahme —, so würde ihm wohl die Vorbemerkung nicht über¬ flüssig und unwillkommen erscheinen, daß Friedrich List der erste und größte deutsche Nationalökvnvm war, der Entdecker und Begründer des „nationalen Wirtschaftssystems" und der Lehre vom Verkehr, der Urheber der ersten deutschen Eisenbahnen, der mit Aufopferung seines Lebensglückes uner¬ müdliche Verfechter und Vorkämpfer der wirtschaftlichen Hebung und Einheit Deutschlands als notwendigen Vorstufe und unbedingten Trägers der politischen Freiheit. Das war Lift. Fünfzig Jahre sind seit dem Beginn seiner Arbeit für den Ausbau der deutschen Verkehrswege verflossen — in der That, bei der gegenwärtigen Größe ihrer Entwicklung, ihrer volkswirtschaftlichen und militärischen Aufgabe und bei der Umgestaltung ihrer Stellung im Staate ein Zeitpunkt, seiner zu gedenken, seine Verdienste und die Tragweite seiner Lehren, wenigstens soweit sie die Eisen¬ bahnen betreffen, zu würdigen. Im Sommer des Jahres 1833 begann Friedrich List seine unmittelbare per¬ sönliche Thätigkeit für ein allgemeines deutsches Eisenbahnsystem, insbesondre zu¬ nächst für die Leipzig-Dresdner Eisenbahn, welche als Vorbild dienen und Regie¬ rungen und Kapitalisten zu weitern Unternehmungen begeistern sollte. Zu diesem Zwecke war er eigens von den Vereinigten Staaten zurückgekehrt, wohin ihn die politische Verfolgung seiner heimatlichen würtembergischen Regierung ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/390>, abgerufen am 08.09.2024.