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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Aus dem Hchuldbuche der Fortschrittspartei.
patriotisches und Prophetisches.
2.

ir verfolgen den Gang der Konfliktsjahre weiter und stoßen dabei
noch 1863 auf sehr anmutige Blüten fortschrittlicher Politik. Die
Schleswig-holsteinische Frage war wieder auf dem Tapet. Däne¬
mark hatte nach dem Tode Friedrichs VII. Schleswig faktisch dem
Königreiche einverleibt, Preußen in Gemeinschaft mit Österreich
dagegen als gegen eine Verletzung des Londoner Protokolls protestirt, der Erb¬
prinz von Augustenburg die Erbfolge in den beiden Elbherzogtiimern in An¬
spruch genommen, die Mittelstaaten unterstützten ihn am Bunde, um einen neuen
Preußenfcindlichen Souverän in Deutschland zu schaffen, während die beiden
deutschen Großmächte den König Christian so lange als im rechtmäßigen Besitze
Schleswig-Holsteins betrachten wollten, als die Dänen das erwähnte Protokoll
nicht definitiv als nicht bindend behandelten. Bismarck hatte im stillen schon
damals die Gewinnung der Herzogtümer im Auge. Diesem bei ihm vermuteten
Plane und der Basis des österreichisch-preußischen Vorgehens gegenüber, welches
letztere völkerrechtlich allein korrekt war, stellten die Abgeordneten Stcivenhagen
und Virchow den Antrag, das Abgeordnetenhaus wolle erklären, "die Ehre und
das Interesse Deutschlands verlange es, daß sämtliche deutschen Staaten den
Erbprinzen von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg als Herzog von
Schleswig-Holstein anerkennen und ihm in der Geltendmachung seiner Rechte
wirksamen Beistand leisten." Vergebens wahrte Bismarck im Landtage seinen
Standpunkt, bei dem der Erbprinz vorläufig nicht in Frage kam. Herr von Sybel
war "so tief durchdrungen wie seine Kollegen, daß Preußen einen großen Krieg,


Grenzboten III, 1383. Is


Aus dem Hchuldbuche der Fortschrittspartei.
patriotisches und Prophetisches.
2.

ir verfolgen den Gang der Konfliktsjahre weiter und stoßen dabei
noch 1863 auf sehr anmutige Blüten fortschrittlicher Politik. Die
Schleswig-holsteinische Frage war wieder auf dem Tapet. Däne¬
mark hatte nach dem Tode Friedrichs VII. Schleswig faktisch dem
Königreiche einverleibt, Preußen in Gemeinschaft mit Österreich
dagegen als gegen eine Verletzung des Londoner Protokolls protestirt, der Erb¬
prinz von Augustenburg die Erbfolge in den beiden Elbherzogtiimern in An¬
spruch genommen, die Mittelstaaten unterstützten ihn am Bunde, um einen neuen
Preußenfcindlichen Souverän in Deutschland zu schaffen, während die beiden
deutschen Großmächte den König Christian so lange als im rechtmäßigen Besitze
Schleswig-Holsteins betrachten wollten, als die Dänen das erwähnte Protokoll
nicht definitiv als nicht bindend behandelten. Bismarck hatte im stillen schon
damals die Gewinnung der Herzogtümer im Auge. Diesem bei ihm vermuteten
Plane und der Basis des österreichisch-preußischen Vorgehens gegenüber, welches
letztere völkerrechtlich allein korrekt war, stellten die Abgeordneten Stcivenhagen
und Virchow den Antrag, das Abgeordnetenhaus wolle erklären, „die Ehre und
das Interesse Deutschlands verlange es, daß sämtliche deutschen Staaten den
Erbprinzen von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg als Herzog von
Schleswig-Holstein anerkennen und ihm in der Geltendmachung seiner Rechte
wirksamen Beistand leisten." Vergebens wahrte Bismarck im Landtage seinen
Standpunkt, bei dem der Erbprinz vorläufig nicht in Frage kam. Herr von Sybel
war „so tief durchdrungen wie seine Kollegen, daß Preußen einen großen Krieg,


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[0121] [Abbildung] Aus dem Hchuldbuche der Fortschrittspartei. patriotisches und Prophetisches. 2. ir verfolgen den Gang der Konfliktsjahre weiter und stoßen dabei noch 1863 auf sehr anmutige Blüten fortschrittlicher Politik. Die Schleswig-holsteinische Frage war wieder auf dem Tapet. Däne¬ mark hatte nach dem Tode Friedrichs VII. Schleswig faktisch dem Königreiche einverleibt, Preußen in Gemeinschaft mit Österreich dagegen als gegen eine Verletzung des Londoner Protokolls protestirt, der Erb¬ prinz von Augustenburg die Erbfolge in den beiden Elbherzogtiimern in An¬ spruch genommen, die Mittelstaaten unterstützten ihn am Bunde, um einen neuen Preußenfcindlichen Souverän in Deutschland zu schaffen, während die beiden deutschen Großmächte den König Christian so lange als im rechtmäßigen Besitze Schleswig-Holsteins betrachten wollten, als die Dänen das erwähnte Protokoll nicht definitiv als nicht bindend behandelten. Bismarck hatte im stillen schon damals die Gewinnung der Herzogtümer im Auge. Diesem bei ihm vermuteten Plane und der Basis des österreichisch-preußischen Vorgehens gegenüber, welches letztere völkerrechtlich allein korrekt war, stellten die Abgeordneten Stcivenhagen und Virchow den Antrag, das Abgeordnetenhaus wolle erklären, „die Ehre und das Interesse Deutschlands verlange es, daß sämtliche deutschen Staaten den Erbprinzen von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg als Herzog von Schleswig-Holstein anerkennen und ihm in der Geltendmachung seiner Rechte wirksamen Beistand leisten." Vergebens wahrte Bismarck im Landtage seinen Standpunkt, bei dem der Erbprinz vorläufig nicht in Frage kam. Herr von Sybel war „so tief durchdrungen wie seine Kollegen, daß Preußen einen großen Krieg, Grenzboten III, 1383. Is

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/121>, abgerufen am 08.09.2024.