Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die neue preußische Subhastationsordnung.

auch der Laien bemächtigt hat, abnehmen; die Bestrebungen zur Bekämpfung
des Trivialen und Schlechten, welches in dem Operettenwesen und in einer zum
Teil schauderhaften Gesang- und Klavierliteratur in unsrer Zeit unerhörte
Triumphe gefeiert hat und noch feiert, würden im Publikum eine größere Stütze
finden, indem durch eine allgemeine bessere musikalische Erziehung jenen Er¬
zeugnissen einer spekulativen Muse der Boden unter den Füßen weggezogen
würde; und aus dem "Mädchen für alles," wozu wir jetzt die Musik erniedrigt
sehen, würde wieder die hehre Göttin, die Trösterin und Beglückerin des mensch¬
lichen Gemütes werden, die ihn zu den Höhen deß Ideals erhebt und sein
inneres Leben verklärt.




Die neue preußische Hubhastationsordnung.

le neue Subhastationsvrdnung oder, wie der offizielle Titel lautet,
das Gesetz betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche
Vermögen ist in dritter Lesung ohne erhebliche Änderungen des
Negierungsentwurss und der bei den Beratungen im Herrenhause
durchgebrachten Amendements vom Abgeordnetenhause angenommen.
Es ist nicht zu bezweifeln, daß das Herrenhaus zu jenen geringfügigen Ab¬
weichungen seine Zustimmung geben wird, das Justizministerium hat sich schon
im voraus einverstanden erklärt, und so wird mit dem 1. November des lau¬
fenden Jahres das neue Gesetz in denjenigen Landesteilen, wo das Grund¬
buch uach dem Gesetz vom 5. Mai 1872 geregelt ist, in Kraft treten.

Es ist höchst eigentümlich, daß die Fruchtbarkeit auf dem Gebiete der
Justizgesetzc gar kein Ende nehmen will. Würde der Spruch von den sich
wie eine Krankheit forterbenden Gesetzen eine Wahrheit sein, so würde auf diese
Erscheinung auch ein weiteres Dichterwort angewandt werden können, welches
es als Fluch der bösen That bezeichnet, daß sie fortzeugend Böses gebären
muß. Allein bekanntlich hat Goethe jenen Spruch nicht selbst gethan, sondern
ihn dem Teufel in den Mund gelegt, und unter dieser Flagge muß die Autorität
des Satzes selbst Schiffbruch leiden. Wir verdanken der unter so vielen Mühen
zu Stande gekommenen Justizgesetzgebung der Jahre 1877--1879 eine Rechts¬
einheit, wie sie kein zweiter Bundesstaat, weder die Vereinigten Staaten von
Amerika noch die Schweiz, aufzuweisen hat, ja selbst ein Einheitsstaat wie
Großbritannien steht in dieser Hinsicht weit hinter unserm Reiche zurück.
Das ist ein Segen, den die undankbare Gegenwart freilich ebenso schnell wie


Die neue preußische Subhastationsordnung.

auch der Laien bemächtigt hat, abnehmen; die Bestrebungen zur Bekämpfung
des Trivialen und Schlechten, welches in dem Operettenwesen und in einer zum
Teil schauderhaften Gesang- und Klavierliteratur in unsrer Zeit unerhörte
Triumphe gefeiert hat und noch feiert, würden im Publikum eine größere Stütze
finden, indem durch eine allgemeine bessere musikalische Erziehung jenen Er¬
zeugnissen einer spekulativen Muse der Boden unter den Füßen weggezogen
würde; und aus dem „Mädchen für alles," wozu wir jetzt die Musik erniedrigt
sehen, würde wieder die hehre Göttin, die Trösterin und Beglückerin des mensch¬
lichen Gemütes werden, die ihn zu den Höhen deß Ideals erhebt und sein
inneres Leben verklärt.




Die neue preußische Hubhastationsordnung.

le neue Subhastationsvrdnung oder, wie der offizielle Titel lautet,
das Gesetz betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche
Vermögen ist in dritter Lesung ohne erhebliche Änderungen des
Negierungsentwurss und der bei den Beratungen im Herrenhause
durchgebrachten Amendements vom Abgeordnetenhause angenommen.
Es ist nicht zu bezweifeln, daß das Herrenhaus zu jenen geringfügigen Ab¬
weichungen seine Zustimmung geben wird, das Justizministerium hat sich schon
im voraus einverstanden erklärt, und so wird mit dem 1. November des lau¬
fenden Jahres das neue Gesetz in denjenigen Landesteilen, wo das Grund¬
buch uach dem Gesetz vom 5. Mai 1872 geregelt ist, in Kraft treten.

Es ist höchst eigentümlich, daß die Fruchtbarkeit auf dem Gebiete der
Justizgesetzc gar kein Ende nehmen will. Würde der Spruch von den sich
wie eine Krankheit forterbenden Gesetzen eine Wahrheit sein, so würde auf diese
Erscheinung auch ein weiteres Dichterwort angewandt werden können, welches
es als Fluch der bösen That bezeichnet, daß sie fortzeugend Böses gebären
muß. Allein bekanntlich hat Goethe jenen Spruch nicht selbst gethan, sondern
ihn dem Teufel in den Mund gelegt, und unter dieser Flagge muß die Autorität
des Satzes selbst Schiffbruch leiden. Wir verdanken der unter so vielen Mühen
zu Stande gekommenen Justizgesetzgebung der Jahre 1877—1879 eine Rechts¬
einheit, wie sie kein zweiter Bundesstaat, weder die Vereinigten Staaten von
Amerika noch die Schweiz, aufzuweisen hat, ja selbst ein Einheitsstaat wie
Großbritannien steht in dieser Hinsicht weit hinter unserm Reiche zurück.
Das ist ein Segen, den die undankbare Gegenwart freilich ebenso schnell wie


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0620" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153369"/>
          <fw type="header" place="top"> Die neue preußische Subhastationsordnung.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2361" prev="#ID_2360"> auch der Laien bemächtigt hat, abnehmen; die Bestrebungen zur Bekämpfung<lb/>
des Trivialen und Schlechten, welches in dem Operettenwesen und in einer zum<lb/>
Teil schauderhaften Gesang- und Klavierliteratur in unsrer Zeit unerhörte<lb/>
Triumphe gefeiert hat und noch feiert, würden im Publikum eine größere Stütze<lb/>
finden, indem durch eine allgemeine bessere musikalische Erziehung jenen Er¬<lb/>
zeugnissen einer spekulativen Muse der Boden unter den Füßen weggezogen<lb/>
würde; und aus dem &#x201E;Mädchen für alles," wozu wir jetzt die Musik erniedrigt<lb/>
sehen, würde wieder die hehre Göttin, die Trösterin und Beglückerin des mensch¬<lb/>
lichen Gemütes werden, die ihn zu den Höhen deß Ideals erhebt und sein<lb/>
inneres Leben verklärt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die neue preußische Hubhastationsordnung.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2362"> le neue Subhastationsvrdnung oder, wie der offizielle Titel lautet,<lb/>
das Gesetz betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche<lb/>
Vermögen ist in dritter Lesung ohne erhebliche Änderungen des<lb/>
Negierungsentwurss und der bei den Beratungen im Herrenhause<lb/>
durchgebrachten Amendements vom Abgeordnetenhause angenommen.<lb/>
Es ist nicht zu bezweifeln, daß das Herrenhaus zu jenen geringfügigen Ab¬<lb/>
weichungen seine Zustimmung geben wird, das Justizministerium hat sich schon<lb/>
im voraus einverstanden erklärt, und so wird mit dem 1. November des lau¬<lb/>
fenden Jahres das neue Gesetz in denjenigen Landesteilen, wo das Grund¬<lb/>
buch uach dem Gesetz vom 5. Mai 1872 geregelt ist, in Kraft treten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2363" next="#ID_2364"> Es ist höchst eigentümlich, daß die Fruchtbarkeit auf dem Gebiete der<lb/>
Justizgesetzc gar kein Ende nehmen will. Würde der Spruch von den sich<lb/>
wie eine Krankheit forterbenden Gesetzen eine Wahrheit sein, so würde auf diese<lb/>
Erscheinung auch ein weiteres Dichterwort angewandt werden können, welches<lb/>
es als Fluch der bösen That bezeichnet, daß sie fortzeugend Böses gebären<lb/>
muß. Allein bekanntlich hat Goethe jenen Spruch nicht selbst gethan, sondern<lb/>
ihn dem Teufel in den Mund gelegt, und unter dieser Flagge muß die Autorität<lb/>
des Satzes selbst Schiffbruch leiden. Wir verdanken der unter so vielen Mühen<lb/>
zu Stande gekommenen Justizgesetzgebung der Jahre 1877&#x2014;1879 eine Rechts¬<lb/>
einheit, wie sie kein zweiter Bundesstaat, weder die Vereinigten Staaten von<lb/>
Amerika noch die Schweiz, aufzuweisen hat, ja selbst ein Einheitsstaat wie<lb/>
Großbritannien steht in dieser Hinsicht weit hinter unserm Reiche zurück.<lb/>
Das ist ein Segen, den die undankbare Gegenwart freilich ebenso schnell wie</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0620] Die neue preußische Subhastationsordnung. auch der Laien bemächtigt hat, abnehmen; die Bestrebungen zur Bekämpfung des Trivialen und Schlechten, welches in dem Operettenwesen und in einer zum Teil schauderhaften Gesang- und Klavierliteratur in unsrer Zeit unerhörte Triumphe gefeiert hat und noch feiert, würden im Publikum eine größere Stütze finden, indem durch eine allgemeine bessere musikalische Erziehung jenen Er¬ zeugnissen einer spekulativen Muse der Boden unter den Füßen weggezogen würde; und aus dem „Mädchen für alles," wozu wir jetzt die Musik erniedrigt sehen, würde wieder die hehre Göttin, die Trösterin und Beglückerin des mensch¬ lichen Gemütes werden, die ihn zu den Höhen deß Ideals erhebt und sein inneres Leben verklärt. Die neue preußische Hubhastationsordnung. le neue Subhastationsvrdnung oder, wie der offizielle Titel lautet, das Gesetz betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen ist in dritter Lesung ohne erhebliche Änderungen des Negierungsentwurss und der bei den Beratungen im Herrenhause durchgebrachten Amendements vom Abgeordnetenhause angenommen. Es ist nicht zu bezweifeln, daß das Herrenhaus zu jenen geringfügigen Ab¬ weichungen seine Zustimmung geben wird, das Justizministerium hat sich schon im voraus einverstanden erklärt, und so wird mit dem 1. November des lau¬ fenden Jahres das neue Gesetz in denjenigen Landesteilen, wo das Grund¬ buch uach dem Gesetz vom 5. Mai 1872 geregelt ist, in Kraft treten. Es ist höchst eigentümlich, daß die Fruchtbarkeit auf dem Gebiete der Justizgesetzc gar kein Ende nehmen will. Würde der Spruch von den sich wie eine Krankheit forterbenden Gesetzen eine Wahrheit sein, so würde auf diese Erscheinung auch ein weiteres Dichterwort angewandt werden können, welches es als Fluch der bösen That bezeichnet, daß sie fortzeugend Böses gebären muß. Allein bekanntlich hat Goethe jenen Spruch nicht selbst gethan, sondern ihn dem Teufel in den Mund gelegt, und unter dieser Flagge muß die Autorität des Satzes selbst Schiffbruch leiden. Wir verdanken der unter so vielen Mühen zu Stande gekommenen Justizgesetzgebung der Jahre 1877—1879 eine Rechts¬ einheit, wie sie kein zweiter Bundesstaat, weder die Vereinigten Staaten von Amerika noch die Schweiz, aufzuweisen hat, ja selbst ein Einheitsstaat wie Großbritannien steht in dieser Hinsicht weit hinter unserm Reiche zurück. Das ist ein Segen, den die undankbare Gegenwart freilich ebenso schnell wie

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/620
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/620>, abgerufen am 29.06.2024.