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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Pompesanische Sxazicrgänge.

glaubten, so läßt sich leicht zeigen, daß auch dabei eben nur von einem Glauben
die Rede ist, dessen Wahrscheinlichkeit man nur durch alle Mittel des Denkens
und der Thatsachen möglichst zu steigern suchte. Jene Männer, auf die unsre
Nation nie aufhören darf, stolz zu sein, und alle, welche ihnen nachstreben, sind
in ihren Gottesanschauungen nicht mehr und nicht weniger "Schwärmer," wie
Dr. Classen sie nennen möchte, als Kant in seinem Glauben an das "Du sollst!"
und an alles, was ihm daraus folgte.


Ritt. Seydel.


pompejanische Hpaziergänge.
von Ludwig Meyer. 5.
(Schluß.)

on den kunst- und literaturgeschichtlichen Betrachtungen, die uns
ein wenig von unserm Ausgangspunkte entfernt haben, wollen
wir schließlich nochmals auf Pompeji und seine Bewohner zurück¬
kommen. Die Wandgemälde, die wir so ausführlich besprachen,
weil sie uns über die antike Kunst so vieles lehren, geben auch
manche schätzbare Auskunft über die Stadt selbst, wo sie gefunden wurden.
Mag man immerhin annehmen, daß die Malerzunft zu jener Zeit sehr zahlreich
war und sehr wohlfeil arbeitete, so ist doch klar, daß man sich eines gewissen
Wohlstandes erfreuen mußte, um an die Ausstattung seiner Wohnräume mit
eleganten Fresken denken zu können. Hiernach muß es in Pompeji viele wohl¬
habenden Leute gegeben haben. Die beträchtliche Zahl der Häuser, welche inter¬
essante Malereien aufweisen, spricht für weitverbreiteten Wohlstand. Auch
lassen alle bisher gemachten Studien hierauf schließen. Heinrich Nissen, der
gründliche Kenner der Ruinen von Pompeji, hat nachgewiesen, wie man dort
unter den Kaisern mehr und mehr am Luxus Gefallen fand. Die Privathäuser
werden immer schöner und schmuckreicher, die öffentlichen Bauten gewinnen un¬
ablässig an Ausdehnung. "Das Denkmalsfieber, eine spezifische Krankheitsform
verfallender Freistaaten,"*) tritt jetzt ebenfalls heftig auf. Die Emporkömmlinge
wollten durch die Erbauung oder Wiederherstellung von Tempeln den plötzlichen



*) Nissen, Pvmpcjauische Studien, S. 373.
Pompesanische Sxazicrgänge.

glaubten, so läßt sich leicht zeigen, daß auch dabei eben nur von einem Glauben
die Rede ist, dessen Wahrscheinlichkeit man nur durch alle Mittel des Denkens
und der Thatsachen möglichst zu steigern suchte. Jene Männer, auf die unsre
Nation nie aufhören darf, stolz zu sein, und alle, welche ihnen nachstreben, sind
in ihren Gottesanschauungen nicht mehr und nicht weniger „Schwärmer," wie
Dr. Classen sie nennen möchte, als Kant in seinem Glauben an das „Du sollst!"
und an alles, was ihm daraus folgte.


Ritt. Seydel.


pompejanische Hpaziergänge.
von Ludwig Meyer. 5.
(Schluß.)

on den kunst- und literaturgeschichtlichen Betrachtungen, die uns
ein wenig von unserm Ausgangspunkte entfernt haben, wollen
wir schließlich nochmals auf Pompeji und seine Bewohner zurück¬
kommen. Die Wandgemälde, die wir so ausführlich besprachen,
weil sie uns über die antike Kunst so vieles lehren, geben auch
manche schätzbare Auskunft über die Stadt selbst, wo sie gefunden wurden.
Mag man immerhin annehmen, daß die Malerzunft zu jener Zeit sehr zahlreich
war und sehr wohlfeil arbeitete, so ist doch klar, daß man sich eines gewissen
Wohlstandes erfreuen mußte, um an die Ausstattung seiner Wohnräume mit
eleganten Fresken denken zu können. Hiernach muß es in Pompeji viele wohl¬
habenden Leute gegeben haben. Die beträchtliche Zahl der Häuser, welche inter¬
essante Malereien aufweisen, spricht für weitverbreiteten Wohlstand. Auch
lassen alle bisher gemachten Studien hierauf schließen. Heinrich Nissen, der
gründliche Kenner der Ruinen von Pompeji, hat nachgewiesen, wie man dort
unter den Kaisern mehr und mehr am Luxus Gefallen fand. Die Privathäuser
werden immer schöner und schmuckreicher, die öffentlichen Bauten gewinnen un¬
ablässig an Ausdehnung. „Das Denkmalsfieber, eine spezifische Krankheitsform
verfallender Freistaaten,"*) tritt jetzt ebenfalls heftig auf. Die Emporkömmlinge
wollten durch die Erbauung oder Wiederherstellung von Tempeln den plötzlichen



*) Nissen, Pvmpcjauische Studien, S. 373.
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[0603] Pompesanische Sxazicrgänge. glaubten, so läßt sich leicht zeigen, daß auch dabei eben nur von einem Glauben die Rede ist, dessen Wahrscheinlichkeit man nur durch alle Mittel des Denkens und der Thatsachen möglichst zu steigern suchte. Jene Männer, auf die unsre Nation nie aufhören darf, stolz zu sein, und alle, welche ihnen nachstreben, sind in ihren Gottesanschauungen nicht mehr und nicht weniger „Schwärmer," wie Dr. Classen sie nennen möchte, als Kant in seinem Glauben an das „Du sollst!" und an alles, was ihm daraus folgte. Ritt. Seydel. pompejanische Hpaziergänge. von Ludwig Meyer. 5. (Schluß.) on den kunst- und literaturgeschichtlichen Betrachtungen, die uns ein wenig von unserm Ausgangspunkte entfernt haben, wollen wir schließlich nochmals auf Pompeji und seine Bewohner zurück¬ kommen. Die Wandgemälde, die wir so ausführlich besprachen, weil sie uns über die antike Kunst so vieles lehren, geben auch manche schätzbare Auskunft über die Stadt selbst, wo sie gefunden wurden. Mag man immerhin annehmen, daß die Malerzunft zu jener Zeit sehr zahlreich war und sehr wohlfeil arbeitete, so ist doch klar, daß man sich eines gewissen Wohlstandes erfreuen mußte, um an die Ausstattung seiner Wohnräume mit eleganten Fresken denken zu können. Hiernach muß es in Pompeji viele wohl¬ habenden Leute gegeben haben. Die beträchtliche Zahl der Häuser, welche inter¬ essante Malereien aufweisen, spricht für weitverbreiteten Wohlstand. Auch lassen alle bisher gemachten Studien hierauf schließen. Heinrich Nissen, der gründliche Kenner der Ruinen von Pompeji, hat nachgewiesen, wie man dort unter den Kaisern mehr und mehr am Luxus Gefallen fand. Die Privathäuser werden immer schöner und schmuckreicher, die öffentlichen Bauten gewinnen un¬ ablässig an Ausdehnung. „Das Denkmalsfieber, eine spezifische Krankheitsform verfallender Freistaaten,"*) tritt jetzt ebenfalls heftig auf. Die Emporkömmlinge wollten durch die Erbauung oder Wiederherstellung von Tempeln den plötzlichen *) Nissen, Pvmpcjauische Studien, S. 373.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/603>, abgerufen am 29.06.2024.