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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die große Kunstausstellung in Berlin.

stände schuf, Zustände, die in Persien möglich wärm, in Japan aber schon seit
lange für barbarisch würden erklärt werden, ein solcher Mann erklärt sich hier
für einen Vertreter des russischen Genius und wird von vielen dafür gehalten!
Zum Glück giebt es aber doch auch in Rußland Leute, die andrer Meinung
sind, wie man aus interessanten Aufzeichnungen eines ehemaligen Vizegouverneurs
von Kowno sieht, von denen uns Bruchstücke in der interessanten Einleitung zu
diesen Memoiren geboten werden.




Die große Kunstausstellung in Berlin.
i.

bwohl die deutschen Künstler, insbesondre die Berliner, welche
doch am nächsten an der Ausstellung ihrer Akademie beteiligt sind,
anderthalb Jahre lang Ruhe gehabt haben, ist die Physio¬
gnomie der am 3. Mai eröffneten Ausstellung, welche damit aus
einer Herbst- in eine Frühjahrsausstelluug umgewandelt worden
ist, eine so überaus trostlose, daß man drauf und dran ist, an der deutschen
Kunst überhaupt zu verzweifeln, wenn es nicht wenigstens einen stichhal¬
tigen Grund gäbe, welcher diese trostlose Erscheinung als eine zufällige,
nicht notwendige erklärte. Dieser eine Grund ist der heillose Zwiespalt unter
den deutschen Künstlern, infolge dessen sie sich mit Händen und Füßen gegen
mie Zentralisation der Knnstbestrebungen wehren. Das nimmer auszurottende
Grundübel der Deutschen, welches in der Politik die schlimmsten Früchte ge¬
zeitigt hat und immer noch zeitigt, wütet mit gleicher Stärke auch unter den
deutschen Künstlern und macht sie nicht nur unempfindlich gegen die Regungen
des Natioimlgcfühls, fondern mich blind gegen ihre eigensten Interessen. München
will der Vorort der deutschen Kunst sein und bleiben, und da werden keine
Mittel gescheut, um dieses Prestige aufrecht zu erhalte", welches in Wahrheit
eitel Dunst und Nebel ist. Ein Blick auf die Geschichte der modernen Kunst-
entwicklung Münchens lehrt die UnHaltbarkeit desselben. München war der
Vorort der deutschen Kunst, insbesondere der Malerei, solange durch Cornelius
und seine Schule dank der Opferfreudigkeit eines kunstsinnigen Königs die
monumentale Kunst, die Kunst großen Stils kultivirt wurde. München war
auch noch der Vorort der deutschen Kunst, solange Piloty der Historienmalerei
durch Einimpfung des modernen Kolorismus eine neue, wenn auch nur kurze


Die große Kunstausstellung in Berlin.

stände schuf, Zustände, die in Persien möglich wärm, in Japan aber schon seit
lange für barbarisch würden erklärt werden, ein solcher Mann erklärt sich hier
für einen Vertreter des russischen Genius und wird von vielen dafür gehalten!
Zum Glück giebt es aber doch auch in Rußland Leute, die andrer Meinung
sind, wie man aus interessanten Aufzeichnungen eines ehemaligen Vizegouverneurs
von Kowno sieht, von denen uns Bruchstücke in der interessanten Einleitung zu
diesen Memoiren geboten werden.




Die große Kunstausstellung in Berlin.
i.

bwohl die deutschen Künstler, insbesondre die Berliner, welche
doch am nächsten an der Ausstellung ihrer Akademie beteiligt sind,
anderthalb Jahre lang Ruhe gehabt haben, ist die Physio¬
gnomie der am 3. Mai eröffneten Ausstellung, welche damit aus
einer Herbst- in eine Frühjahrsausstelluug umgewandelt worden
ist, eine so überaus trostlose, daß man drauf und dran ist, an der deutschen
Kunst überhaupt zu verzweifeln, wenn es nicht wenigstens einen stichhal¬
tigen Grund gäbe, welcher diese trostlose Erscheinung als eine zufällige,
nicht notwendige erklärte. Dieser eine Grund ist der heillose Zwiespalt unter
den deutschen Künstlern, infolge dessen sie sich mit Händen und Füßen gegen
mie Zentralisation der Knnstbestrebungen wehren. Das nimmer auszurottende
Grundübel der Deutschen, welches in der Politik die schlimmsten Früchte ge¬
zeitigt hat und immer noch zeitigt, wütet mit gleicher Stärke auch unter den
deutschen Künstlern und macht sie nicht nur unempfindlich gegen die Regungen
des Natioimlgcfühls, fondern mich blind gegen ihre eigensten Interessen. München
will der Vorort der deutschen Kunst sein und bleiben, und da werden keine
Mittel gescheut, um dieses Prestige aufrecht zu erhalte», welches in Wahrheit
eitel Dunst und Nebel ist. Ein Blick auf die Geschichte der modernen Kunst-
entwicklung Münchens lehrt die UnHaltbarkeit desselben. München war der
Vorort der deutschen Kunst, insbesondere der Malerei, solange durch Cornelius
und seine Schule dank der Opferfreudigkeit eines kunstsinnigen Königs die
monumentale Kunst, die Kunst großen Stils kultivirt wurde. München war
auch noch der Vorort der deutschen Kunst, solange Piloty der Historienmalerei
durch Einimpfung des modernen Kolorismus eine neue, wenn auch nur kurze


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[0407] Die große Kunstausstellung in Berlin. stände schuf, Zustände, die in Persien möglich wärm, in Japan aber schon seit lange für barbarisch würden erklärt werden, ein solcher Mann erklärt sich hier für einen Vertreter des russischen Genius und wird von vielen dafür gehalten! Zum Glück giebt es aber doch auch in Rußland Leute, die andrer Meinung sind, wie man aus interessanten Aufzeichnungen eines ehemaligen Vizegouverneurs von Kowno sieht, von denen uns Bruchstücke in der interessanten Einleitung zu diesen Memoiren geboten werden. Die große Kunstausstellung in Berlin. i. bwohl die deutschen Künstler, insbesondre die Berliner, welche doch am nächsten an der Ausstellung ihrer Akademie beteiligt sind, anderthalb Jahre lang Ruhe gehabt haben, ist die Physio¬ gnomie der am 3. Mai eröffneten Ausstellung, welche damit aus einer Herbst- in eine Frühjahrsausstelluug umgewandelt worden ist, eine so überaus trostlose, daß man drauf und dran ist, an der deutschen Kunst überhaupt zu verzweifeln, wenn es nicht wenigstens einen stichhal¬ tigen Grund gäbe, welcher diese trostlose Erscheinung als eine zufällige, nicht notwendige erklärte. Dieser eine Grund ist der heillose Zwiespalt unter den deutschen Künstlern, infolge dessen sie sich mit Händen und Füßen gegen mie Zentralisation der Knnstbestrebungen wehren. Das nimmer auszurottende Grundübel der Deutschen, welches in der Politik die schlimmsten Früchte ge¬ zeitigt hat und immer noch zeitigt, wütet mit gleicher Stärke auch unter den deutschen Künstlern und macht sie nicht nur unempfindlich gegen die Regungen des Natioimlgcfühls, fondern mich blind gegen ihre eigensten Interessen. München will der Vorort der deutschen Kunst sein und bleiben, und da werden keine Mittel gescheut, um dieses Prestige aufrecht zu erhalte», welches in Wahrheit eitel Dunst und Nebel ist. Ein Blick auf die Geschichte der modernen Kunst- entwicklung Münchens lehrt die UnHaltbarkeit desselben. München war der Vorort der deutschen Kunst, insbesondere der Malerei, solange durch Cornelius und seine Schule dank der Opferfreudigkeit eines kunstsinnigen Königs die monumentale Kunst, die Kunst großen Stils kultivirt wurde. München war auch noch der Vorort der deutschen Kunst, solange Piloty der Historienmalerei durch Einimpfung des modernen Kolorismus eine neue, wenn auch nur kurze

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/407>, abgerufen am 29.06.2024.