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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Drei Antworten,

ich die Zahl der übereinstimmenden Stellen nur aus Rücksicht auf den Raum
dieser Blätter beschränkt und bin gern erbötig, noch viel mehr zu liefern.

Den Wert der Laßwitzschen Arbeit herabzusetzen lag nicht in meiner Ab¬
sicht, höchstens die Selbständigkeit derselben. Im Gegenteil erkläre ich gern,
daß dieselbe nnr gewonnen hat durch die Benutzung des Krauseschen Buches.
Selbst das Recht zu dieser Benutzung würde ich nicht anfechten, wenn das Ver¬
fahren von vornherein ausgesprochen wäre.

Die Schlnßbemerkung der Preisrichter wirft erst das wahre Licht ans die
ganze Sache. Wenn die Umformungen, welche Krause der reinen Lehre Kants
gegeben hat, mindestens ebenso einschneidend genannt werden wie die Laßwitzschen,
so muß doch Krause wohl mindestens ebenso original sein wie Laßwitz, was die
Herren im zweiten Satze gern bestreikn möchten. Und daran liegt es eben.
Die Umformungen sind nicht Umformungen der reinen Lehre Kants, sondern
vielmehr der gebräuchlichen überlieferten Auslegungen Kants durch die Professoren
der Philosophie. Sie sind in der That Anstellungen, Anwendungen und Weiter¬
bildungen des echten Kant, welche die Fachleute allerdings gern totgeschwiegen
hätten, nun aber, da sie ihnen in einer angenehmem und einschmeichelnden!
Form entgegentraten, zufällig mit einem Preise gekrönt haben.

Die Laßwitzsche Gegenüberstellung von angeblichen Parallelstellen halte ich
für ein schwaches Fechterkunststück. Denn die Vergleichung der Stellen bei Krause
"ud Laßwitz, die ich gemacht habe, macht auf jeden Unparteiischen den Eindruck
eines begangenen Plagiats, die von ähnlichen Sätzen und Wörtern bei Krause
und vier verschiednen andern Schriftstellern machen aber diesen Eindruck nicht.
Ob nun bewußte oder "unbewußte Reminiscenz ans der Lektüre des Krauseschen
Buches" Herrn Laßwitz diesen Streich gespielt hat, ist für die Sache selbst und
damit auch für mich vollkommen gleichgiltig.


A. Classen.


2. Zur Bibliotheksfrage.

Im 14. Hefte dieses Jahrganges haben die Grenzboten einen Artikel über
die königliche Bibliothek in Berlin gebracht, der verschiedne an unsern öffent¬
lichen Bibliotheken herrschende Übelstände bespricht und unter anderm kräftig
gegen die Sitte loszieht, die Bücher aus den Bibliotheken hinauszugehen und
in die Wohnungen zu verleihen. Als ich den Artikel zuerst las, meinte ich,
derselbe stamme wohl aus der Feder eines Beamten der königlichen Bibliothek
in Berlin; die Bibliothek möge mancherlei tiefgreifende Änderungen in ihrem
Verkehr mit dem Publikum vorhaben und wolle einen kleinen Fühler ausstrecken;
ich hielt es nicht für möglich, daß ein einzelner aus dein Publikum selbst solche
Ansichten über unser Bibliothekswesen entwickeln könne. Bei nochmaliger Durch¬
sicht mußte ich mich freilich rasch überzeugen, daß ich in der That eine Stimme
aus dem Publikum vor mir hatte, und der Artikel war nnr nnn doppelt er-


Drei Antworten,

ich die Zahl der übereinstimmenden Stellen nur aus Rücksicht auf den Raum
dieser Blätter beschränkt und bin gern erbötig, noch viel mehr zu liefern.

Den Wert der Laßwitzschen Arbeit herabzusetzen lag nicht in meiner Ab¬
sicht, höchstens die Selbständigkeit derselben. Im Gegenteil erkläre ich gern,
daß dieselbe nnr gewonnen hat durch die Benutzung des Krauseschen Buches.
Selbst das Recht zu dieser Benutzung würde ich nicht anfechten, wenn das Ver¬
fahren von vornherein ausgesprochen wäre.

Die Schlnßbemerkung der Preisrichter wirft erst das wahre Licht ans die
ganze Sache. Wenn die Umformungen, welche Krause der reinen Lehre Kants
gegeben hat, mindestens ebenso einschneidend genannt werden wie die Laßwitzschen,
so muß doch Krause wohl mindestens ebenso original sein wie Laßwitz, was die
Herren im zweiten Satze gern bestreikn möchten. Und daran liegt es eben.
Die Umformungen sind nicht Umformungen der reinen Lehre Kants, sondern
vielmehr der gebräuchlichen überlieferten Auslegungen Kants durch die Professoren
der Philosophie. Sie sind in der That Anstellungen, Anwendungen und Weiter¬
bildungen des echten Kant, welche die Fachleute allerdings gern totgeschwiegen
hätten, nun aber, da sie ihnen in einer angenehmem und einschmeichelnden!
Form entgegentraten, zufällig mit einem Preise gekrönt haben.

Die Laßwitzsche Gegenüberstellung von angeblichen Parallelstellen halte ich
für ein schwaches Fechterkunststück. Denn die Vergleichung der Stellen bei Krause
»ud Laßwitz, die ich gemacht habe, macht auf jeden Unparteiischen den Eindruck
eines begangenen Plagiats, die von ähnlichen Sätzen und Wörtern bei Krause
und vier verschiednen andern Schriftstellern machen aber diesen Eindruck nicht.
Ob nun bewußte oder „unbewußte Reminiscenz ans der Lektüre des Krauseschen
Buches" Herrn Laßwitz diesen Streich gespielt hat, ist für die Sache selbst und
damit auch für mich vollkommen gleichgiltig.


A. Classen.


2. Zur Bibliotheksfrage.

Im 14. Hefte dieses Jahrganges haben die Grenzboten einen Artikel über
die königliche Bibliothek in Berlin gebracht, der verschiedne an unsern öffent¬
lichen Bibliotheken herrschende Übelstände bespricht und unter anderm kräftig
gegen die Sitte loszieht, die Bücher aus den Bibliotheken hinauszugehen und
in die Wohnungen zu verleihen. Als ich den Artikel zuerst las, meinte ich,
derselbe stamme wohl aus der Feder eines Beamten der königlichen Bibliothek
in Berlin; die Bibliothek möge mancherlei tiefgreifende Änderungen in ihrem
Verkehr mit dem Publikum vorhaben und wolle einen kleinen Fühler ausstrecken;
ich hielt es nicht für möglich, daß ein einzelner aus dein Publikum selbst solche
Ansichten über unser Bibliothekswesen entwickeln könne. Bei nochmaliger Durch¬
sicht mußte ich mich freilich rasch überzeugen, daß ich in der That eine Stimme
aus dem Publikum vor mir hatte, und der Artikel war nnr nnn doppelt er-


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[0357] Drei Antworten, ich die Zahl der übereinstimmenden Stellen nur aus Rücksicht auf den Raum dieser Blätter beschränkt und bin gern erbötig, noch viel mehr zu liefern. Den Wert der Laßwitzschen Arbeit herabzusetzen lag nicht in meiner Ab¬ sicht, höchstens die Selbständigkeit derselben. Im Gegenteil erkläre ich gern, daß dieselbe nnr gewonnen hat durch die Benutzung des Krauseschen Buches. Selbst das Recht zu dieser Benutzung würde ich nicht anfechten, wenn das Ver¬ fahren von vornherein ausgesprochen wäre. Die Schlnßbemerkung der Preisrichter wirft erst das wahre Licht ans die ganze Sache. Wenn die Umformungen, welche Krause der reinen Lehre Kants gegeben hat, mindestens ebenso einschneidend genannt werden wie die Laßwitzschen, so muß doch Krause wohl mindestens ebenso original sein wie Laßwitz, was die Herren im zweiten Satze gern bestreikn möchten. Und daran liegt es eben. Die Umformungen sind nicht Umformungen der reinen Lehre Kants, sondern vielmehr der gebräuchlichen überlieferten Auslegungen Kants durch die Professoren der Philosophie. Sie sind in der That Anstellungen, Anwendungen und Weiter¬ bildungen des echten Kant, welche die Fachleute allerdings gern totgeschwiegen hätten, nun aber, da sie ihnen in einer angenehmem und einschmeichelnden! Form entgegentraten, zufällig mit einem Preise gekrönt haben. Die Laßwitzsche Gegenüberstellung von angeblichen Parallelstellen halte ich für ein schwaches Fechterkunststück. Denn die Vergleichung der Stellen bei Krause »ud Laßwitz, die ich gemacht habe, macht auf jeden Unparteiischen den Eindruck eines begangenen Plagiats, die von ähnlichen Sätzen und Wörtern bei Krause und vier verschiednen andern Schriftstellern machen aber diesen Eindruck nicht. Ob nun bewußte oder „unbewußte Reminiscenz ans der Lektüre des Krauseschen Buches" Herrn Laßwitz diesen Streich gespielt hat, ist für die Sache selbst und damit auch für mich vollkommen gleichgiltig. A. Classen. 2. Zur Bibliotheksfrage. Im 14. Hefte dieses Jahrganges haben die Grenzboten einen Artikel über die königliche Bibliothek in Berlin gebracht, der verschiedne an unsern öffent¬ lichen Bibliotheken herrschende Übelstände bespricht und unter anderm kräftig gegen die Sitte loszieht, die Bücher aus den Bibliotheken hinauszugehen und in die Wohnungen zu verleihen. Als ich den Artikel zuerst las, meinte ich, derselbe stamme wohl aus der Feder eines Beamten der königlichen Bibliothek in Berlin; die Bibliothek möge mancherlei tiefgreifende Änderungen in ihrem Verkehr mit dem Publikum vorhaben und wolle einen kleinen Fühler ausstrecken; ich hielt es nicht für möglich, daß ein einzelner aus dein Publikum selbst solche Ansichten über unser Bibliothekswesen entwickeln könne. Bei nochmaliger Durch¬ sicht mußte ich mich freilich rasch überzeugen, daß ich in der That eine Stimme aus dem Publikum vor mir hatte, und der Artikel war nnr nnn doppelt er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/357>, abgerufen am 29.06.2024.