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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.
August Niemann Roman von(Gotha).
(Fortsetzung.)
Dreiundzwanzigstes Aapitel.

berhardt hatte die Tage, welche seit seinem Zwiegespräch mit der
Gräfin verflossen waren, in heftigem Seelenkämpfe verlebt. Die
Briefe, welche er mit Dorothea wechselte, schürten täglich von
neuem das Feuer widerstreitender Gefühle, welches in seinem
Innern brannte. Es war seine Absicht, das Versprechen, welches
er seiner Mutter gegeben, und dessen Erfüllung diese noch auf ihrem Sterbe¬
lager als ihren letzten Wunsch bezeichnet hatte, treulich zu halten. Er wußte,
welchen Schmerz es der Lebenden bereitet haben würde, wenn der Name des
Mannes, den sie geliebt, mit Schmach befleckt worden wäre, und es sollte der
Verstorbenen heißer Wunsch ihm heilig bleiben. Dazu waren seine eignen Ge¬
danken in Übereinstimmung mit denen der geliebten Mutter. Wie ihr das An¬
denken des Gatten, so war ihm das Andenken des Vaters unverletzlich. Er
scheute vor der Vorstellung zurück, das Geheimnis jener längst vergangnen Zeit
könne in die Öffentlichkeit dringen, und die Namen seines Vaters und der teuern
Mutter könnten im Munde von taufenden entweiht werden. So hatte er aus
inniger und eigner Überzeugung, aus einem Drange, der in ihm selbst ent¬
standen war, der Gräfin versichert, daß er seine Ansprüche nicht geltend machen
wolle.

Und doch waren diese Ansprüche so echt, so wohl begründet! Er zweifelte
nicht daran, daß die Dokumente, welche er besaß, geeignet seien, ihm die An¬
erkennung als ältesten und legitimen Sohnes des Grafen von Altenschwerdt zu
verschaffen. In dieser Ansicht ward er nur bestärkt durch den Versuch der
Gräfin, sich diese Papiere zu verschaffen. Denn er wußte, daß der Einbruch,
welcher von Claus Harmsen unternommen worden war, keine andre Bedeutung
als diese hatte. Von den Fäusten des wackern Andrew gehalten und von ihm




Die Grafen von Altenschwerdt.
August Niemann Roman von(Gotha).
(Fortsetzung.)
Dreiundzwanzigstes Aapitel.

berhardt hatte die Tage, welche seit seinem Zwiegespräch mit der
Gräfin verflossen waren, in heftigem Seelenkämpfe verlebt. Die
Briefe, welche er mit Dorothea wechselte, schürten täglich von
neuem das Feuer widerstreitender Gefühle, welches in seinem
Innern brannte. Es war seine Absicht, das Versprechen, welches
er seiner Mutter gegeben, und dessen Erfüllung diese noch auf ihrem Sterbe¬
lager als ihren letzten Wunsch bezeichnet hatte, treulich zu halten. Er wußte,
welchen Schmerz es der Lebenden bereitet haben würde, wenn der Name des
Mannes, den sie geliebt, mit Schmach befleckt worden wäre, und es sollte der
Verstorbenen heißer Wunsch ihm heilig bleiben. Dazu waren seine eignen Ge¬
danken in Übereinstimmung mit denen der geliebten Mutter. Wie ihr das An¬
denken des Gatten, so war ihm das Andenken des Vaters unverletzlich. Er
scheute vor der Vorstellung zurück, das Geheimnis jener längst vergangnen Zeit
könne in die Öffentlichkeit dringen, und die Namen seines Vaters und der teuern
Mutter könnten im Munde von taufenden entweiht werden. So hatte er aus
inniger und eigner Überzeugung, aus einem Drange, der in ihm selbst ent¬
standen war, der Gräfin versichert, daß er seine Ansprüche nicht geltend machen
wolle.

Und doch waren diese Ansprüche so echt, so wohl begründet! Er zweifelte
nicht daran, daß die Dokumente, welche er besaß, geeignet seien, ihm die An¬
erkennung als ältesten und legitimen Sohnes des Grafen von Altenschwerdt zu
verschaffen. In dieser Ansicht ward er nur bestärkt durch den Versuch der
Gräfin, sich diese Papiere zu verschaffen. Denn er wußte, daß der Einbruch,
welcher von Claus Harmsen unternommen worden war, keine andre Bedeutung
als diese hatte. Von den Fäusten des wackern Andrew gehalten und von ihm


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[0317] [Abbildung] Die Grafen von Altenschwerdt. August Niemann Roman von(Gotha). (Fortsetzung.) Dreiundzwanzigstes Aapitel. berhardt hatte die Tage, welche seit seinem Zwiegespräch mit der Gräfin verflossen waren, in heftigem Seelenkämpfe verlebt. Die Briefe, welche er mit Dorothea wechselte, schürten täglich von neuem das Feuer widerstreitender Gefühle, welches in seinem Innern brannte. Es war seine Absicht, das Versprechen, welches er seiner Mutter gegeben, und dessen Erfüllung diese noch auf ihrem Sterbe¬ lager als ihren letzten Wunsch bezeichnet hatte, treulich zu halten. Er wußte, welchen Schmerz es der Lebenden bereitet haben würde, wenn der Name des Mannes, den sie geliebt, mit Schmach befleckt worden wäre, und es sollte der Verstorbenen heißer Wunsch ihm heilig bleiben. Dazu waren seine eignen Ge¬ danken in Übereinstimmung mit denen der geliebten Mutter. Wie ihr das An¬ denken des Gatten, so war ihm das Andenken des Vaters unverletzlich. Er scheute vor der Vorstellung zurück, das Geheimnis jener längst vergangnen Zeit könne in die Öffentlichkeit dringen, und die Namen seines Vaters und der teuern Mutter könnten im Munde von taufenden entweiht werden. So hatte er aus inniger und eigner Überzeugung, aus einem Drange, der in ihm selbst ent¬ standen war, der Gräfin versichert, daß er seine Ansprüche nicht geltend machen wolle. Und doch waren diese Ansprüche so echt, so wohl begründet! Er zweifelte nicht daran, daß die Dokumente, welche er besaß, geeignet seien, ihm die An¬ erkennung als ältesten und legitimen Sohnes des Grafen von Altenschwerdt zu verschaffen. In dieser Ansicht ward er nur bestärkt durch den Versuch der Gräfin, sich diese Papiere zu verschaffen. Denn er wußte, daß der Einbruch, welcher von Claus Harmsen unternommen worden war, keine andre Bedeutung als diese hatte. Von den Fäusten des wackern Andrew gehalten und von ihm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/317>, abgerufen am 29.06.2024.