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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Überseeische Anuexionsxläne Frankreichs und Englands.

schickt hat. 1828 machte sie einen Versuch, an der Tritonbai eine Niederlassung
zu gründen, die sich um ein Fort gruppiren sollte. Die Sache mißlang
indeß, und schon 1836 wurde das Fort verlassen und die Kolonie aufgegeben.

Natürlich konnte es nicht ausbleiben, daß die französische Presse angesichts
der Opposition, welche die englische den neuesten Unternehmungen der Kolonial-
politik der Pariser Regierung zu erwecken versucht, sich über die Annexion von
Neuguinea lustig machte, und man muß gestehen, daß manche ihrer Bemerkungen
nicht bloß komisch, sondern auch ziemlich treffend sind. Besonders gilt dies
von der Art und Weise, wie die englischen Minister den Gouverneur von Queens-
land statt ihrer handeln ließen. Es sieht aus, als ob er aus Vorsicht voran¬
geschickt wäre, als ob man sich bis auf weiteres gewissermaßen hinter ihm ver¬
bergen und erst die öffentliche Meinung über sein Verfahren hören wollte, ehe
man es gutheißt. Den Franzosen aber erscheint er als durchsichtig oder als
eine am Londoner Draht dirigirte Marionette, und das giebt ihnen Gelegenheit
zu allerlei ironischen Spöttereien. So sagt z. B. der Lolsil vom 25. April:
"Die englischen Minister waschen ihre Hände über diese Geschichte in Unschuld.
Sie geht nur Queensland an. Vortreffliches Queensland! Wie bequem, wie
zweckmäßig es da unten liegt! Es ist wohlbekannt, daß Queensland eine austra¬
lische Kolonie ist, die bis auf die jetzige Zeit nur geringe Bedeutung hatte.
Wenn Queensland Neuguinea annektirt, so denkt man an die Möglichkeit, daß
Rumänien sich Rußland, Dänemark sich Deutschland, der Kanton Genf sich
Frankreich einverleibt. Die Idee ist sehr drollig. Da dieses burleske System
augenscheinlich bestimmt ist, hinfort einen Charakterzug der modernen Politik zu
bilden, so sehen wir nicht ein, warum wir es uns nicht zu nutze machen sollten.
Weshalb sollte die Jusel Vourbon nicht Madagaskar annektiren? Es würde
leicht sein, unter der tapfern und unternehmungslustigen Bevölkerung Bourbons
5- bis 6000 junge Leute zu finden, die geneigt wären, sich mit der Sache zu
befassen, und mit Hilfe guter Musketen und Kanonen würden sie dem Heere
der Hovas bald Mores lehren. Ebenso könnte unsre Kolonie am Senegal sich
das Sudan, unsre Niederlassung in Kochinchina sich das Königreich Siam,
Guadeloupe sich die Insel San Domingo einverleiben. Alle diese Annexionen
würden so legitim sein, wie die Annexion Neuguineas durch Queensland, und
wenn Lord Granville sich gegen Herrn Challemel-Lacour über sie beklagte, so
könnte dieser ihm antworten: "Ich weiß nichts von der Einverleibung Siams
durch die Provinz Mytho in Französisch-Kochinchina. Sie müssen sich an Herrn
Blancsube wenden, der in der Deputirtenkammer unser Kochinchina vertritt.""

Diese Scherze sind gar nicht übel. In England aber wird man gewohnter¬
weise denken: Ja, Bauer, das ist ganz was andres.




Überseeische Anuexionsxläne Frankreichs und Englands.

schickt hat. 1828 machte sie einen Versuch, an der Tritonbai eine Niederlassung
zu gründen, die sich um ein Fort gruppiren sollte. Die Sache mißlang
indeß, und schon 1836 wurde das Fort verlassen und die Kolonie aufgegeben.

Natürlich konnte es nicht ausbleiben, daß die französische Presse angesichts
der Opposition, welche die englische den neuesten Unternehmungen der Kolonial-
politik der Pariser Regierung zu erwecken versucht, sich über die Annexion von
Neuguinea lustig machte, und man muß gestehen, daß manche ihrer Bemerkungen
nicht bloß komisch, sondern auch ziemlich treffend sind. Besonders gilt dies
von der Art und Weise, wie die englischen Minister den Gouverneur von Queens-
land statt ihrer handeln ließen. Es sieht aus, als ob er aus Vorsicht voran¬
geschickt wäre, als ob man sich bis auf weiteres gewissermaßen hinter ihm ver¬
bergen und erst die öffentliche Meinung über sein Verfahren hören wollte, ehe
man es gutheißt. Den Franzosen aber erscheint er als durchsichtig oder als
eine am Londoner Draht dirigirte Marionette, und das giebt ihnen Gelegenheit
zu allerlei ironischen Spöttereien. So sagt z. B. der Lolsil vom 25. April:
„Die englischen Minister waschen ihre Hände über diese Geschichte in Unschuld.
Sie geht nur Queensland an. Vortreffliches Queensland! Wie bequem, wie
zweckmäßig es da unten liegt! Es ist wohlbekannt, daß Queensland eine austra¬
lische Kolonie ist, die bis auf die jetzige Zeit nur geringe Bedeutung hatte.
Wenn Queensland Neuguinea annektirt, so denkt man an die Möglichkeit, daß
Rumänien sich Rußland, Dänemark sich Deutschland, der Kanton Genf sich
Frankreich einverleibt. Die Idee ist sehr drollig. Da dieses burleske System
augenscheinlich bestimmt ist, hinfort einen Charakterzug der modernen Politik zu
bilden, so sehen wir nicht ein, warum wir es uns nicht zu nutze machen sollten.
Weshalb sollte die Jusel Vourbon nicht Madagaskar annektiren? Es würde
leicht sein, unter der tapfern und unternehmungslustigen Bevölkerung Bourbons
5- bis 6000 junge Leute zu finden, die geneigt wären, sich mit der Sache zu
befassen, und mit Hilfe guter Musketen und Kanonen würden sie dem Heere
der Hovas bald Mores lehren. Ebenso könnte unsre Kolonie am Senegal sich
das Sudan, unsre Niederlassung in Kochinchina sich das Königreich Siam,
Guadeloupe sich die Insel San Domingo einverleiben. Alle diese Annexionen
würden so legitim sein, wie die Annexion Neuguineas durch Queensland, und
wenn Lord Granville sich gegen Herrn Challemel-Lacour über sie beklagte, so
könnte dieser ihm antworten: »Ich weiß nichts von der Einverleibung Siams
durch die Provinz Mytho in Französisch-Kochinchina. Sie müssen sich an Herrn
Blancsube wenden, der in der Deputirtenkammer unser Kochinchina vertritt.«"

Diese Scherze sind gar nicht übel. In England aber wird man gewohnter¬
weise denken: Ja, Bauer, das ist ganz was andres.




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[0316] Überseeische Anuexionsxläne Frankreichs und Englands. schickt hat. 1828 machte sie einen Versuch, an der Tritonbai eine Niederlassung zu gründen, die sich um ein Fort gruppiren sollte. Die Sache mißlang indeß, und schon 1836 wurde das Fort verlassen und die Kolonie aufgegeben. Natürlich konnte es nicht ausbleiben, daß die französische Presse angesichts der Opposition, welche die englische den neuesten Unternehmungen der Kolonial- politik der Pariser Regierung zu erwecken versucht, sich über die Annexion von Neuguinea lustig machte, und man muß gestehen, daß manche ihrer Bemerkungen nicht bloß komisch, sondern auch ziemlich treffend sind. Besonders gilt dies von der Art und Weise, wie die englischen Minister den Gouverneur von Queens- land statt ihrer handeln ließen. Es sieht aus, als ob er aus Vorsicht voran¬ geschickt wäre, als ob man sich bis auf weiteres gewissermaßen hinter ihm ver¬ bergen und erst die öffentliche Meinung über sein Verfahren hören wollte, ehe man es gutheißt. Den Franzosen aber erscheint er als durchsichtig oder als eine am Londoner Draht dirigirte Marionette, und das giebt ihnen Gelegenheit zu allerlei ironischen Spöttereien. So sagt z. B. der Lolsil vom 25. April: „Die englischen Minister waschen ihre Hände über diese Geschichte in Unschuld. Sie geht nur Queensland an. Vortreffliches Queensland! Wie bequem, wie zweckmäßig es da unten liegt! Es ist wohlbekannt, daß Queensland eine austra¬ lische Kolonie ist, die bis auf die jetzige Zeit nur geringe Bedeutung hatte. Wenn Queensland Neuguinea annektirt, so denkt man an die Möglichkeit, daß Rumänien sich Rußland, Dänemark sich Deutschland, der Kanton Genf sich Frankreich einverleibt. Die Idee ist sehr drollig. Da dieses burleske System augenscheinlich bestimmt ist, hinfort einen Charakterzug der modernen Politik zu bilden, so sehen wir nicht ein, warum wir es uns nicht zu nutze machen sollten. Weshalb sollte die Jusel Vourbon nicht Madagaskar annektiren? Es würde leicht sein, unter der tapfern und unternehmungslustigen Bevölkerung Bourbons 5- bis 6000 junge Leute zu finden, die geneigt wären, sich mit der Sache zu befassen, und mit Hilfe guter Musketen und Kanonen würden sie dem Heere der Hovas bald Mores lehren. Ebenso könnte unsre Kolonie am Senegal sich das Sudan, unsre Niederlassung in Kochinchina sich das Königreich Siam, Guadeloupe sich die Insel San Domingo einverleiben. Alle diese Annexionen würden so legitim sein, wie die Annexion Neuguineas durch Queensland, und wenn Lord Granville sich gegen Herrn Challemel-Lacour über sie beklagte, so könnte dieser ihm antworten: »Ich weiß nichts von der Einverleibung Siams durch die Provinz Mytho in Französisch-Kochinchina. Sie müssen sich an Herrn Blancsube wenden, der in der Deputirtenkammer unser Kochinchina vertritt.«" Diese Scherze sind gar nicht übel. In England aber wird man gewohnter¬ weise denken: Ja, Bauer, das ist ganz was andres.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/316>, abgerufen am 01.07.2024.