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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Gin Beispiel ultramontaner Propaganda.

insiruug. Er kann sich freilich darauf berufen, daß sein und seiner Amtsgenossen
Wirken wenig gefruchtet hat -- ob aus Mangel an Befähigung oder gutem
Willen, das wird er selbst am besten wissen.




Ein Beispiel ultramontaner Propaganda.

le standesherrliche, früher landesherrliche Familie der Fürsten und
Grafen zu Jsenburg gehörte, ebenso wie die ihr untergebene Land¬
schaft, seit der Reformation dem evangelischen Bekenntnisse an.
Um die Mitte unsers Jahrhunderts war in der teils in Kur-
Hessen, teils in Hessen-Darmstadt gelegenen Herrschaft Jsenburg-
Birstein der Fürst Wolfgang Ernst regierender Standesherr. Er war ein wohl¬
meinender, aber schwacher alter Herr und lebte in kinderloser Ehe. Sein Bruder,
Prinz Viktor Alexander, hatte sich im Jahre 1836 mit der Prinzessin Maria
Crenscentia Octavia aus dem katholischen Hause der Fürsten Löwenstein-Wert¬
heim-Rosenberg vermählt. In den Ehepakten war festgesetzt, daß die aus der
Ehe entsprossenden Söhne in dem evangelische!? Bekenntnis des Vaters, die
Töchter in dem katholischen Bekenntnis der Mutter erzogen werden sollen. Zu¬
gleich war bestimmt, daß im Falle des Todes des Vaters dessen hochfnrstlicher
Bruder die Obervormundschaft, sowohl hinsichtlich der Erziehung und der persön¬
lichen Verhältnisse als des Vermögens der Kinder, erhalten, die nächste Sorge
für deren Erziehung und Pflege aber der fürstlichen Frau Mutter zustehen solle.
Viktor Alexander starb im Jahre 1343 mit Hinterlassung zweier Töchter und
eines am 29. Juli 1838 gebornen Sohnes, des Prinzen Karl. Den Ehepakten
entsprechend wurde von dem knrhessischen obervvrmundschaftlichen Gericht der
Fürst Wolfgang Ernst und die Mutter Prinzessin Maria als Vormünder über
die Kinder bestätigt und verpflichtet. Letztere leistete den ihr obliegenden Vor¬
mundseid dahin, daß sie sich der ihr nach der Ehebereduug obliegenden Sorge
für die Erziehung und Pflege der Kuranden treulich unterziehen wolle.

Anfangs lebte die Mutter mit ihren Kinder": zu Birstein unter Aufsicht
des Fürsten. Im Jahre 1852 aber zog dieselbe, um ihre Kinder besser erziehen
zu können, nach der Hessen-darmstädtischen Stadt Offenbach, wo die Familie
gleichfalls ein Schloß besitzt.

Im Sommer 1853 machte die Prinzessin dem Fürsten die unerwartete
Anzeige, daß ihr Sohn Karl (der noch nicht konfirmirt war) zur katholischen
Religion überzugehen beabsichtige, weshalb sie fortan seinen Unterricht katholisch
einrichten werde, auch mit ihm nach Freiburg in Baden überzusiedeln gedenke.


Gin Beispiel ultramontaner Propaganda.

insiruug. Er kann sich freilich darauf berufen, daß sein und seiner Amtsgenossen
Wirken wenig gefruchtet hat — ob aus Mangel an Befähigung oder gutem
Willen, das wird er selbst am besten wissen.




Ein Beispiel ultramontaner Propaganda.

le standesherrliche, früher landesherrliche Familie der Fürsten und
Grafen zu Jsenburg gehörte, ebenso wie die ihr untergebene Land¬
schaft, seit der Reformation dem evangelischen Bekenntnisse an.
Um die Mitte unsers Jahrhunderts war in der teils in Kur-
Hessen, teils in Hessen-Darmstadt gelegenen Herrschaft Jsenburg-
Birstein der Fürst Wolfgang Ernst regierender Standesherr. Er war ein wohl¬
meinender, aber schwacher alter Herr und lebte in kinderloser Ehe. Sein Bruder,
Prinz Viktor Alexander, hatte sich im Jahre 1836 mit der Prinzessin Maria
Crenscentia Octavia aus dem katholischen Hause der Fürsten Löwenstein-Wert¬
heim-Rosenberg vermählt. In den Ehepakten war festgesetzt, daß die aus der
Ehe entsprossenden Söhne in dem evangelische!? Bekenntnis des Vaters, die
Töchter in dem katholischen Bekenntnis der Mutter erzogen werden sollen. Zu¬
gleich war bestimmt, daß im Falle des Todes des Vaters dessen hochfnrstlicher
Bruder die Obervormundschaft, sowohl hinsichtlich der Erziehung und der persön¬
lichen Verhältnisse als des Vermögens der Kinder, erhalten, die nächste Sorge
für deren Erziehung und Pflege aber der fürstlichen Frau Mutter zustehen solle.
Viktor Alexander starb im Jahre 1343 mit Hinterlassung zweier Töchter und
eines am 29. Juli 1838 gebornen Sohnes, des Prinzen Karl. Den Ehepakten
entsprechend wurde von dem knrhessischen obervvrmundschaftlichen Gericht der
Fürst Wolfgang Ernst und die Mutter Prinzessin Maria als Vormünder über
die Kinder bestätigt und verpflichtet. Letztere leistete den ihr obliegenden Vor¬
mundseid dahin, daß sie sich der ihr nach der Ehebereduug obliegenden Sorge
für die Erziehung und Pflege der Kuranden treulich unterziehen wolle.

Anfangs lebte die Mutter mit ihren Kinder«: zu Birstein unter Aufsicht
des Fürsten. Im Jahre 1852 aber zog dieselbe, um ihre Kinder besser erziehen
zu können, nach der Hessen-darmstädtischen Stadt Offenbach, wo die Familie
gleichfalls ein Schloß besitzt.

Im Sommer 1853 machte die Prinzessin dem Fürsten die unerwartete
Anzeige, daß ihr Sohn Karl (der noch nicht konfirmirt war) zur katholischen
Religion überzugehen beabsichtige, weshalb sie fortan seinen Unterricht katholisch
einrichten werde, auch mit ihm nach Freiburg in Baden überzusiedeln gedenke.


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[0286] Gin Beispiel ultramontaner Propaganda. insiruug. Er kann sich freilich darauf berufen, daß sein und seiner Amtsgenossen Wirken wenig gefruchtet hat — ob aus Mangel an Befähigung oder gutem Willen, das wird er selbst am besten wissen. Ein Beispiel ultramontaner Propaganda. le standesherrliche, früher landesherrliche Familie der Fürsten und Grafen zu Jsenburg gehörte, ebenso wie die ihr untergebene Land¬ schaft, seit der Reformation dem evangelischen Bekenntnisse an. Um die Mitte unsers Jahrhunderts war in der teils in Kur- Hessen, teils in Hessen-Darmstadt gelegenen Herrschaft Jsenburg- Birstein der Fürst Wolfgang Ernst regierender Standesherr. Er war ein wohl¬ meinender, aber schwacher alter Herr und lebte in kinderloser Ehe. Sein Bruder, Prinz Viktor Alexander, hatte sich im Jahre 1836 mit der Prinzessin Maria Crenscentia Octavia aus dem katholischen Hause der Fürsten Löwenstein-Wert¬ heim-Rosenberg vermählt. In den Ehepakten war festgesetzt, daß die aus der Ehe entsprossenden Söhne in dem evangelische!? Bekenntnis des Vaters, die Töchter in dem katholischen Bekenntnis der Mutter erzogen werden sollen. Zu¬ gleich war bestimmt, daß im Falle des Todes des Vaters dessen hochfnrstlicher Bruder die Obervormundschaft, sowohl hinsichtlich der Erziehung und der persön¬ lichen Verhältnisse als des Vermögens der Kinder, erhalten, die nächste Sorge für deren Erziehung und Pflege aber der fürstlichen Frau Mutter zustehen solle. Viktor Alexander starb im Jahre 1343 mit Hinterlassung zweier Töchter und eines am 29. Juli 1838 gebornen Sohnes, des Prinzen Karl. Den Ehepakten entsprechend wurde von dem knrhessischen obervvrmundschaftlichen Gericht der Fürst Wolfgang Ernst und die Mutter Prinzessin Maria als Vormünder über die Kinder bestätigt und verpflichtet. Letztere leistete den ihr obliegenden Vor¬ mundseid dahin, daß sie sich der ihr nach der Ehebereduug obliegenden Sorge für die Erziehung und Pflege der Kuranden treulich unterziehen wolle. Anfangs lebte die Mutter mit ihren Kinder«: zu Birstein unter Aufsicht des Fürsten. Im Jahre 1852 aber zog dieselbe, um ihre Kinder besser erziehen zu können, nach der Hessen-darmstädtischen Stadt Offenbach, wo die Familie gleichfalls ein Schloß besitzt. Im Sommer 1853 machte die Prinzessin dem Fürsten die unerwartete Anzeige, daß ihr Sohn Karl (der noch nicht konfirmirt war) zur katholischen Religion überzugehen beabsichtige, weshalb sie fortan seinen Unterricht katholisch einrichten werde, auch mit ihm nach Freiburg in Baden überzusiedeln gedenke.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/286>, abgerufen am 29.06.2024.